Eltern Kind Beziehung vs. Schule?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich bin erwachsen und habe aus anderen Gründen eine sehr schwierige Beziehung zu meiner Mutter. Eine meiner besten Kindheitserinnerung ist meine erste schlechte Zensur in der Schule. Ich habe es geschafft in meiner ersten Physikarbeit direkt eine sechs zu schreiben.

Als ich kleinlaut nach Hause kam (ich war sonst ganz gut in der Schule) und meiner Mutter die Arbeit zeigte, schimpfte sie nicht. Ehrlich gesagt weiß ich die direkte Reaktion nicht mehr, aber ich weiß wie sie meinen Vater an der Tür abfing und ihm mit Blicken und Tonfall klar machte, wie er zu reagieren hatte.

Mutter (strahlend): „Wir haben etwas zu feiern. Pausenraum hat ihre erste schlechte Zensur geschrieben.“

Vater (versteht den Blick und Tonfall und strahlt mich an): „HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!“

Ich bekam dann einen Trostkuchen.

Die meisten Leute , denen ich das erzähle, verstehen das nicht. Aber für mich ist es eine der pädagogisch sinnvollsten Entscheidungen meiner Eltern.

Wir mussten natürlich für die Arbeiten lernen. Das tat ich sowieso. Es war frustrierend genug, wenn man dann trotzdem eine schlechte Zensur schrieb. Also gab es einen Apfelkuchen zum Trost….und man lernte das entsprechende Fach in nächster Zeit verstärkt. Eine Stunde am Tag. Im Fall meiner Physikzensur, besorgten mir meine Eltern übrigens so einen Experimentierkasten.
Hab ich deshalb mit Absicht schlechte Zensuren geschrieben, um einen Kuchen zu bekommen? Nein. Der war ein Trost, keine Belohnung. Bei einer eins gab es auch einen Kuchen, plus zwei Mark….und da ich es ja konnte, musste ich nicht Extrazeiten üben (musste ich bei irgendwelchen „Mittelzensuren“ aber auch nicht).

Lange Rede, kurzer Sinn: ob die Schule ein Drama in der Familie auslöst, kommt viel darauf an, was die Familie draus macht.

Ich hatte Klassenkameraden, die Angst hatten mit schlechten Zensuren nach Hause zu gehen. Ich nicht. Ich wusste, dass mich ein Kuchen und viel üben erwartete.🤷‍♀️

Ist ein völlig normaler und notwendiger Schritt auf dem Weg zum erwachsen werden. Eltern sind nicht dafür da, alles knuddelig weich und gut zu machen. Eltern bereiten ihre Kinder auf das Leben in der Gesellschaft vor. Dazu gehört das einhalten von Regeln und das Lernen von Rollen. Je älter ein Kind wird, desto mehr Regeln gibt es.


Monschi79 
Fragesteller
 17.10.2023, 08:20

Ich meine aber eher, dass Schule eher dazu führen kann, dass Kinder sich nicht genügend fühlen. Und überall nur noch Ärger bekommen.

Ist es da nicht wichtiger, dass das Elternhaus der sichere Hafen bedeutet, in den Eltern natürlich auch erziehen, aber die Schule keinen Einfluss nimmt?

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palusa  17.10.2023, 08:31
@Monschi79

Naja wenn Eltern sich nicht mehr um die schulischen Belange ihrer Kinder kümmern, wird das dazu führen, dass noch mehr Kinder sich in der Schule unzulänglich fühlen. Weil dann die Löcher im Stoff garantiert größer werden. Und dann die Noten schlechter. Wir hätten auch mehr sitzenbleiber.

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Monschi79 
Fragesteller
 17.10.2023, 08:34
@palusa

Genau das ist der Knackpunkt. Aber glaubst du wirklich dass Druck einem Kind hilft.

Wenn ich so zurückblicke auf meine Klassenkameraden..diejeneigen deren Eltern Druck ausübten, sind heute menschlich und beruflich weniger erfolgreich. Ich bin zweimal sitzen geblieben, habe die Schule wechseln müssen, habe aber dann aus eigenem Antrieb die Kurve bekommen. Und nun sehr glücklich und ausgeglichen.

Ich weiß, dass es bestimmt auch andere Beispiele gibt, aber....

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palusa  17.10.2023, 08:57
@Monschi79
Genau das ist der Knackpunkt. Aber glaubst du wirklich dass Druck einem Kind hilft.

Ich denke, ohne Druck lernt kein Kind, weil es tausend Dinge gibt, die mehr Spaß machen. Hättest du in der Grundschule freiwillig Hausaufgaben gemacht? Ich nicht. Ich hätte im Garten gespielt.

Wenn ich so zurückblicke auf meine Klassenkameraden..diejeneigen deren Eltern Druck ausübten, sind heute menschlich und beruflich weniger erfolgreich.

Ich denke, das ist schon allein deswegen wahr, weil Eltern von guten Schülern weniger Druck ausüben (es läuft ja) und gute Schüler meistens erfolgreicher sind.

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Monschi79 
Fragesteller
 17.10.2023, 09:02
@palusa

In der Grundschule habe ich noch komplett freiwillig alles gemacht. 🙈

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Monschi79 
Fragesteller
 17.10.2023, 09:03
@palusa

Nein, tatsächlich waren diese Schüler gute Schüler.

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palusa  17.10.2023, 09:13
@Monschi79

Das kann ich aus meiner Schulzeit so nicht bestätigen. Der Stress zu Hause korrelierte (bis Beginn der Pubertät) mit den schulischen Leistungen.

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Mit meinen nun 48 Jahren gehöre ich wohl nicht mehr in die Kategorie der jetzigen Schülerschaft. Aber ich will mal meine Erlebnisse mit meinen Eltern schilden.

Meine Mutter hat gar keinen qualifizierenden Schulabschluß und mein Vater hat bloß Hauptschule. Allerdings haben meine Eltern beide ein erfülltes Berufsleben gehabt und durch weiteres Lernen und Qualifikationen auch entsprechende Stellen besetzt.

Meine Eltern haben nie Druck auf meinen Bruder und mich ausgeübt was die Noten betrifft und auch bezüglich Ihrer Noten haben die nie einen Hehl daraus gemacht das beide keine "Leistungsträger" in Ihrer Schulzeit waren.

Mein Bruder und ich mussten beide je eine Schulklasse wiederholen (mein Bruder gleich die erste und ich die fünfte). Wir beide hatten von der Grundschule her die Empfehlung für Hauptschule wurden aber beide bei einer Realschule angemeldet (ursprünglich war für mich als der ältere Sohn die Gesamtschule die erste Wahl, ich bin froh abgelehnt worden zu sein). Mein Bruder musste diese leider nach der fünften Klasse verlassen hat aber seinen Realschulabschluß nachgemacht (ich habe später sogar Fachabi erworben).

Hausaufgaben waren bei und beiden (Bruder und Ich) ein sehr schwieriges Thema die wurden nur sehr unregelmäßig erledigt und zumindest bei mir hagelte es blaue Briefe. Wegen Noten wurden uns allerdings nie Vorwürfe gemacht und als ich die fünfte Klasse wiederholen musste haben meine Eltern mich wirklich getröstet und aufgebaut.

Nach der Realschule war ich von der Persönlichkeit so entwickelt, das ich was Noten bettraf einen "Leck mich Faktor" entwickelt hatte. Ich besuchte danach noch die höhere Handelsschule, Berufsschule und viel später sogar die Technikerschule. Mein Zeil war es die Ziele zu erreichen (weil die hatte ich mir ja auch gesteckt) allerdings mit minimalem Aufwand, viele Lehrer haben das verstanden das eine 3 als Note mehr als ausreichend und haben nicht weiter gedrängt mehr zu tun. Einige Lehrer fühlten sich jedoch gekränkt "du könntest mehr leisten - warum nach Noten fragt später keiner mehr" und wollten daher eher eine Note schlechter geben.

Klar Nachhilfe habe ich als Strafe angesehen, aber die habe ich nur bekommen bei Fächern auf denen ich auf einer knappen Vier oder gar Fünf stand und das auch nur als noch nicht ganz klar war ob ich die Realschule schaffe. Sobald sich herausgestellt hatte das ich Deutsch meine Vier halten kann (Rechtschreibung war immer ein Problem) und meine Fünf in Englich immer durch Mathe ausgleichen kann wurde ich auch damit nicht weiter belästigt.

Also Ja es gab Phasen die habe ich in jungen Jahren als lästig empfunden, aber meine Eltern haben nur soweit Druck ausgeübt wie es wirklich minimal notwendig war, dafür bin ich denen heute Dankbar, denn irgendwie musste ich ja Lernen und auf das Berufsleben vorbereitet werden.


Monschi79 
Fragesteller
 17.10.2023, 07:53

Glaubst du, du wärst ihnen aus heutiger Sicht dankbar für etwas mehr Druck gewesen? Dass du einen besseren Abschluss erreicht hättest? Es für dich eine Verbesserung gegeben hätte? Oder hat dir das Gefühl der Akzeptanz deiner Eltern mehr gebracht?

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bcords  17.10.2023, 08:10
@Monschi79

Nein für mehr Druck wäre ich aus heutiger Sicher nicht dankbar (Ich hätte zwar nach der Techniker Schule noch ein Studium beginnen können, aber ganz ehrlich ich will nicht mehr und ich verdiene zumindest ausreichend gut), das meine Eltern immer zu uns stehen und gestanden haben hat und bringt mir viel mehr.

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Unstimmigkeiten und Stress durchziehen das ganze Leben. Wenn die Familie intakt ist, dann lernen Kinder die Unstimmigkeiten in Stimmigkeiten umzuwandeln und ihre Kräfte einzuteilen. Es ist also ein Lernprozess, der auf das Leben vorbereiten kann und bei dem die Familie (Eltern) hilfreich sein können und sollten.

Wenn Eltern oder ältere Geschwister die Einstellung haben "das ist doch Dein Problem, lass mich in Ruhe", dann wird es für das Kind schwierig, denn es braucht gute Vorbilder. Dadurch, dass man in Familie zusammensteht und sich gegenseitig unterstützt, wächst die Familie immer stärker zusammen.


Monschi79 
Fragesteller
 17.10.2023, 07:43

Aber werden durch die Schule nicht künstlich Unstimmigkeiten geschürt? Also dieses frühe Aufstehen, was ja nachweislich der großen Mehrzahl der Kinder nicht gut tut.

Auch gibt es Schulformen, die ohne Hausaufgaben und Klassenarbeiten auskommen und bessere Ergebnisse erzielen als das staatliche Schulsystem.

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Nordlicht979  17.10.2023, 13:54
@Monschi79
Aber werden durch die Schule nicht künstlich Unstimmigkeiten geschürt?

Das ist immer gegeben, wenn man in einer Gruppe lebt. Es wird immer für die Einen zu viel oder zu früh sein, während es für andere passt und wieder für andere zu wenig oder zu spät ist. Das Anpassungsvermögen, welches dem Überleben dient, ist gefordert.

Auch gibt es Schulformen, die ohne Hausaufgaben und Klassenarbeiten auskommen und bessere Ergebnisse erzielen als das staatliche Schulsystem.

Das kann ich mir auch vorstellen. Es ist nur die Frage, ob man diese anderen Schulformen auch für Millionen von Schülern anwenden kann. Aber im Endeffekt müssen wir wohl mit dem leben, was die Landesregierung ermöglicht, es sei denn, wir steigen aus.

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Disziplinierung ist doch keine Frage des Schulsystems, sondern kulturell und individuell.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Monschi79 
Fragesteller
 17.10.2023, 07:40

Natürlich ist es mit eine Frage des Schulsystems. Denn dort passiert ja ebenfalls Disziplinierung. Wobei ich mich Frage, was Eltern Kind Beziehung damit zu tun hat

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eingew  17.10.2023, 08:25
@Monschi79

Was ich meine ist: Ob du deinem Kind gute Noten vorschreibst oder nicht hängt doch nicht von der Existenz der Schule ab. Wenn du als Elternteil streng bist, kannst du jetzt eben streng bei den Noten sein. Wenn es keine Schule gibt, bringst du deinem Kind selbst etwas bei und bist eben dabei streng. Die Schule ist dabei egal, sie ist nur ein Vermittler und Gegenstand für die Strenge, nicht aber der Grund dafür.

Meine Mutter war sogar bei allem streng, außer bei Schulsachen, relativ früh wurde mir die Verantwortung für Hausaufgaben und Co selbst auferlegt. Klar war meine Mutter froh über gute Noten und unzufrieden bei schlechten, aber sie hat mir das nie zum Vorwurf gemacht oder dafür bestraft und einmal gesagt war die Sache dann auch gegessen. Es war mein Bier.

Streng war sie dann eben im Haushalt, wo ich viel aushelfen durfte.

Und so haben Eltern eben unterschiedliche Prioritäten. Manchen sind gute Noten wichtig. Manchen andere Dinge. Manche sind dabei unfair oder machen ihre Liebe von der Leistung ihrer Kinder abhängig. Manche nicht. Die Schule ist dafür nicht verantwortlich. Die kann man höchsten dafür beschuldigen, den Kindern Zeit zu stehlen.

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Monschi79 
Fragesteller
 17.10.2023, 08:31
@eingew

Also, ich finde schon, dass die Schule Einfluss nimmt.

Beispiel: das frühe Aufstehen. Das Kind will nicht, ich bin aber verpflichtet, das Kind in die Schule zu bringen, muss es also wecken.

Hausaufgaben, müssen gemacht werden. Kommt es häufig zu nicht gemachten Hausaufgaben, gibt es Gespräche mit der Schule etc. Werden Gespräche nicht wahr genommen und hat die Schule das Gefühl, die Eltern nehmen keinen Anteil, muss das Jugendamt verständigt werden.

Alleine diese beiden Beispiele zeigen, dass es nicht so einfach ist zu sagen, dass es nicht Einfluss aufs Familienleben hat.

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