Biografie eines Autors im Hinblick auf sein Werk

5 Antworten

Wenn man ein Stück Literatur als Kunstwerk betrachtet, als Teil der kreativen Schöpfung des Menschen und als Teil der Geschichte, wird man dem Gesamtkunstwerk bei der textimmanenten Interpretation nicht gerecht. Ein Beispiel: Heutige Schüler finden die Gefühlsduselei des Werthers unerträglich, das Geschmachte und die Poesie. Wenn man allerdings weiß, dass Goethe am Anfang seiner Literaturkarriere zu den Stürmern und Drängern gehörte, kann man Verständnis für Werther aufbringen, denn die jungen Leute damals hatten es mit einer "aufgeklärten", rationalen, vernünftigen Elterngeneration zu tun, die wenig Verständnis für Gefühle hatten. Den Hintergrund eines Autoren zu kennen widerspricht auch nicht der konstruktivistischen These vom Tod des Autors und der Geburt des Lesers, denn der Leser bindet ja sein Wissen über den Autoren in den Verstehens- und Interpretationsprozess mit ein.

Lass uns ein Werk mit einer Pizza vergleichen. Stell Dir vor, eine Salami-Pizza steht auf dem Tisch. Du kannst sie sehen, anfassen und fühlen, riechen, aber erst, wenn Du reinbeißt, weißt Du, was das Charakteristische an einer Pizza ist, nämlich der umwerfende Geschmack. Meiner Ansicht nach entfaltet sich die Schönheit eines Kunstwerkes erst dann im vollen Ausmaße, wenn man es in den Kontext der Zeit setzt.

Das kann durchaus sinnvoll sein, und zwar dann, wenn du den Sinn des Textes erfassen willst. Dann musst du die historische Situation kennen und wohl auch die persönlichen Lebensumstände des Autors. Wenn man überhaupt den Versuch macht, die Autorenintention zu erkennen, braucht man meistens diese Angaben. Wenn man weiß, dass der Autor, als er das Gedicht schrieb, verliebt oder von schwerer Krankheit gezeichnet war, ist das hilfreich. Wenn es sich um ein "überzeitliches Werk" handelt, erschließt sich die Bedeutung des Textes immer iweder neu, jede Zeit muss sie für sich erarbeiten.

Hallo, ein Literaturwissenschaftler hier. Es gibt in der Lit.wiss. den Begriff vom "Tod des Autors" und der "Geburt des Lesers". Darunter versteht man die Idee, dass die Interpretation eines Textes nicht falsch sein kann, weil der Sinn, den ein Leser in einem Text entdeckt, nunmal auch da ist. Es ist sinnlos, einen Text in Hinblick auf den Autoren zu interpretieren. Texte haben nicht immer nur "die eine" Bedeutung - wenn dem so wäre, müsste der Autor ja kein ganzes Buch schreiben, sondern könnte einfach sagen, was er sagen will. Wenn du als Leser eine Geschichte auf bestimmte Weise interpretierst, und dein Freund macht das auf eine andere Weise, dann hat keiner von euch beiden Recht oder Unrecht - es sind lediglich zwei gleichwertige Interpretationen von mündigen Lesern, die sich eben nicht auf die vorgebliche AUTORität irgendeines Autoren verlassen. Niemand kann sagen, was Shakespeare mit seinen Werken sagen wollte! Und du kannst seine Stücke und Gedichte lesen und interpretieren, ohne zu wissen, wer er ist. Aber umgekehrt kannst du nicht seine Werke interpretieren, wenn du nur weißt, wer Shakespeare ist, aber seine Werke nicht kennst.

War das verständlich, oder zu wirr?

Sicherlich kann es nicht schaden die Biographie zu kennen. Häufig versteckt sich in verschiedenen Werken eine Systemkritik der damaligen Zeit. Ohne Kentnisse der Biographie des Schriftstellers, kommt man eventuell nicht so in Tiefe des Werkes. Oftmals verarbeiten die Autoren auch biographisches und die Protagonisten sind eine Art Spiegelbild des Autors selbst.

Geschichtliche Hintergründe sind relevanter.


MissMarple12 
Fragesteller
 13.02.2014, 20:20

OK. Aber warum? Was soll es den bezwecken?

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drHansVader  13.02.2014, 20:28
@MissMarple12

Man weiss wodurch der Autor Beeinflusst worden ist, welches Ideologisches Denken hinter dem Text ist, welche gedanklichen Voraussetzungen der Autor hatte.

Ein Mensch der selber in den Krieg gegangen ist beschreibt den Krieg anders, als jemand der Krieg nur aus den Nachrichten kennt.

Die Folgerungen des Autors werden so eher verständlich und nachvollziehbar.

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