Schwester hat ständig Sex nebenan?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich bin Zen-Buddhist und äußere mich mal dazu:

Zen und Selbst

Ich habe das Gefühl, du bist sehr selbstbezogen - es geht um deine Ruhe, deine innere Ausgeglichenheit und deine Konflikte.

Das ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, dass die buddhistische Praxis ja in der Regel auf die Selbsterlösung ausgerichtet ist,

Mir selbst ist das erst klar geworden, dass ich auf einem ziemlichen spirituellen Ego-Trip war, als ein Zen-Lehrer bei einem öffentlichen Vortrag den Satz fallen ließ "Zen heißt: Nicht für uns selbst"

Diese Aussage traf mich, weil ich bemerkte, mit welch selbstbezogener Geisteshaltung ich geübt hatte und ich sah an den Reaktionen anderer Menschen, dass auch sie sich teils davon getroffen fühlten.

Tatsächlich ist Zen ja Teil des Mahayana-Buddhismus dessen Ideal der Bodhisattva ist - ein Wesen, dass selbst nach dem Erwachen auf den endgültigen Eingang ins Nirvana verzichtet, sondern freiwillig im Kreislauf der Wiedergeburten bleibt, um allen Wesen zum Erwachen zu verhelfen.

Angesichts dieses Hintergrunds ist klar, dass Zen nichts ist, das wir üben, um besser mit Stress klar zu kommen, leistungsfähiger zu werden, oder überhaupt auf irgendeine weise zu optimieren und "besser" zu weden.

Wir üben uns zum Wohle aller Wesen im Zazen, ohne dabei jedoch ein Ziel zu haben - auch nicht die Errettung anderer. Es geht jedenfalls nicht um unser kleines Selbst, sondern nur um das Sitzen.

Zen und Sex

Sex ist etwas absolut natürliches und notwendiges, denn andernfalls wären wir als Spezies längst ausgestorben.

Im Bezug auf Spiritualität für die Sexualität häufig abgelehnt - sie sei zu sehr auf Sinnesbefriedigung ausgerichtet und würde nur animalische Instinkte ausleben.

Das ist aber nach der Lehre des Buddha überhaupt kein Problem. Genau so wenig wie andere angenehme Dinge ein Hindernis darstellen

Problematisch ist nur, die Anhaftung an solche angenehmen Dinge. Wenn man sie überbetont und das Gefühl hat, sie zum persönlichen Glück zu benötigen, wird die Anhaftung zum Problem.

In diesem Fall haben möglicherweise drei Menschen ein Problem mit der Anhaftung an Sexualität. Da wären natürlich deine Schwester und ihr Partner.

Sollte dich nicht nur der Geräuschpegel stören - was verständlich ist - sondern alleine bereits die Tatsache, dass sie Sex haben, dann hast du möglicherweise Probleme mit deiner Einstellung zur Sexualität.

Nach der Lehre des Zen ist Sexualität kein Gegensatz zur Spiritualität und auch nichts Unreines, das verworfen werden soll.

Der berühmte Meister Ikkyu wurde sogar für seine Liebesgedichte an eine Prostituierte und Verse über die Rotlichtbezirke bekannt.

Was ist zu tun?

Wenn es also die Lautstärke ist, die dich auch bei anderen Tätigkeiten stört, dann sprich das Thema doch mal an - ob sie nicht mal bei ihm in der Bude Sex haben könnten. Dich würde der Lärm einfach stören.

Andererseits ist während das Zazen, das Geräusch des Stöhnens beim Sex auch nichts anderes, als das Rauschen des Baches im Tal - eine reine Wahrnehmung, die nicht bewertet, sondern als das belassen wird, was sie ist.

Vielleicht helfen dir diese Worte ja etwas. :-)


anon93 
Fragesteller
 20.02.2016, 20:10

Hey danke für die lange Antwort. Mir ist klar, dass ein Buddha alles beinhaltet, das ist. Ich will auch nur damit klarkommen, meine Bewertung fallen lassen, da ich leider sehr daran anhafte. Ich möchte eine Zen Einrichtung aufsuchen, da mein Leben zu kompliziert ist um einen klaren Kopf zu bekommen. Einen Alltag an dem man nicht gezwungen ist, komplizierte Aufgaben zu lösen, stelle ich mir befreiend vor. Ich bin selbstloser als früher, jedoch ist diese Selbstlosigkeit leider nicht authentisch sondern konzeptionell, da ich schwer Vertrauen aufbaue. Als ich depressiv war, hat mir Meditation geholfen, zu erkennen, wie naiv ich war.

LG :)

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Enzylexikon  20.02.2016, 21:02
@anon93

Keine Ursache, ich helfe gerne wenn ich kann. Vielen Dank, dass du meine Kritik nicht negativ aufgefasst hast.

Hast du schon einen Plan, in welchem Zentrum oder Kloster du es mal probieren willst? Das ist mit solch einem geregelten Tagesplan ja nun auch nicht jedermanns Sache. :-)

Und vielen Dank für den Stern.

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anon93 
Fragesteller
 21.02.2016, 04:20
@Enzylexikon

Nein, weiß ich noch nicht. Was kannst du mir vorschlagen? Mir geht es darum, diszipliniert zu leben und einfach weniger zu brauchen/wollen, mir aber keine Sorgen ums Überleben machen zu müssen. Das Gefühl das ich bei der Sache hab, ist rein intuitiv und schon lange da. Mir ist klar, dass Gedanken nicht zur Lösung führen, aber dass es eine Lösung gibt. Die Logik des Dharma kann ich nicht widerlegen, und ich bin bei Dingen die Religion genannt werden sehr skeptisch, ich könnte keinen Glauben praktizieren, aus dem geistigen Alter bin ich raus.

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Enzylexikon  21.02.2016, 14:14
@anon93

Ich denke, die meisten buddhistischen Zentren werden einen nicht "für lau" dort leben lassen, sondern eine Form von Unkostenbeitrag für Kost und Logis verlangen.

Da ich zur Soto-Zen-Tradition gehöre, kann ich nur Tipps in dieser Richtung geben, allerdings gibt es sicher auch Angebote der Rinzai-Zen-Linie in Deutschland.

In Deutschland lehrt unter anderem der japanische Mönch Fumon Shoju Nakagawa.  Er betreibt das Zen-Zentrum Eisenbuch bei München, das in Japan als "Daihi Shobozan Kosho Fumonji" offiziell als Kloster anerkannt ist.

Dort gibt es zumindest begrenzt die Möglichkeit ein "Kloster auf Zeit" zu erleben:

http://www.eisenbuch.de/kloster/offenes-kloster/

In welchem Rahmen und unter welchen Bedingungen dort längerfristige Aufenthalte möglich sind, könnte man sicher erfragen.

Das Zen-Zentrum Schönböken in Schleswig-Holstein ist als "Mokushozan Jakkoji" in Japan offiziell anerkannt. Der Leiter Ludger Tenryu Tenbreul ist dort ebenfalls registriert.

Dort werden eigentlich hauptsächlich Sesshin angeboten, also eine Art strenger Meditationsklausuren, die jedoch zeitlich begrenzt sind

http://www.zen-vereinigung.de/

Auch hier könnte eine Nachfrage über einen dauerhaften Aufenthalt möglicherweise sinnvoll sein.

Falls das alles nichts bringen sollte, könntest du dich an des Europa-Büro der Soto-Zen Shumucho, des japanischen Dachverbands wenden

http://www.sotozen.eu/index.html

Wenn du bereit bist, dich für eine Probezeit zu verpflichten, körperliche Arbeit zu leisten und zumindest einigermaßen brauchbares Japanisch zu lernen, gäbe es sogar in Japan ein sinnvolles Ziel für dich - den Antaiji

http://antaiji.org/de/practice/residency/

Zitat:

Antaiji sucht nach ernsthaften Zen-Praktizierenden, die einen
langfristigen Aufenthalt in einem japanischen Kloster anstreben und einen positiven Beitrag zum Gemeinschaftsleben leisten wollen

Der Antaiji wird vom deutschen Abt Muho geleitet und ist im Vergleich zu anderen japanischen Klöstern eine echte Besonderheit.

Die Gemeinschaft dort versorgt sich zum großen Teil selbst, indem sie Landwirtschaft betreibt. Zudem ist sie abgeschieden und insbesondere während der Wintermonate besteht praktisch kein Kontakt zur Außenwelt.

Dort liegt der Schwerpunkt auf Zazen (Sitzmeditation) und Samu (Arbeit). Die ganzen aufwändigen Zeremonien, die in anderen Klöstern stattfinden, fallen hier praktisch weg, man konzentriert sich ganz auf die Meditation.

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anon93 
Fragesteller
 21.02.2016, 17:27
@Enzylexikon

Ok danke für die Info, Eisenbuch hatte ich mir mal angeschaut. Ich komme darauf zurück wenn es soweit ist. LG und danke für die Mühe!

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Nimm die Dinge, die du nicht ändern kannst, einfach so hin und lerne damit zu leben. 

Ist das sinngemäß nicht teil der Zen Philosophie? 


Enzylexikon  19.02.2016, 14:50

Das ist richtig. :-)

Es geht im Zen darum, die Bewertung der Dinge fallen zu lassen und nicht nach individuellen Ansichten und Konzepten zu unterscheiden.

Der Anblick eines Vogels, der Duft des Essens, das Wummern des Bettes bei heftigem Sex - das sind alles lediglich Wahrnehmungen unserer Sinne. Es gibt keinen Grund, sie überzubewerten.

Zen bedeutet, die "Hand des Geistes" zu öffnen, die sich an Bewertungen und Interpretationen klammert und dann alles in seinem ursprünglichen Zustand, frei von Urteilen zu belassen.

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Ja, such mal ne zeitlang ein Zen-Kloster auf, nur so kannst du herausfinden, ob dir so was wirklich liegt.

Warum möchtest du deinen Trieben nicht folgen? Was hindert dich daran? Macht doch Spaß...


anon93 
Fragesteller
 18.02.2016, 23:51

Hey, nett von dir zu schreiben. Ich hab viele Versuche hinter mir. Als ich 18 war bin ich auf Dates gegangen und hab mein Glück probiert, was auch einmal funktionierte. Ich bin der Überzeugung, dass auf eine gute Phase eine Schlechte folgt, dabei musst du mir nicht zustimmen. Ich merke nur, wie es mir besser geht, wenn ich ein paar Tage keine Konfrontation mit dem Thema hab. Es gab auch eine Zeit in der ich gewisse Filme schaute, das hat mir ebenfalls zugesetzt und wurde besser, als ich damit aufhörte

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