"Es gibt keine faulen Menschen, nur überforderte" - Findet ihr das ist richtig?

Das Ergebnis basiert auf 42 Abstimmungen

Nein, das ist nicht so 86%
Ja, das ist so 14%

15 Antworten

Ja, das ist so

Es kommt auf die Definition von "faul" an.

Ich vermute, wenn alles stimmt, alle Faktoren, und man sich sinnvoll betätigen kann und dafür Stolz, Freude, Anerkennung bekommt, würde man das machen.

"Faul" ist immer so eine Bewertung von außen.

Warum warst du denn "faul"? Selbst, wenn du jetzt "keine Lust" sagst, warum hattest du keine Lust? Hätte etwas passieren können - Motivation, Situation verändert, bessere Ernährung, mehr Schlaf, größere Freude bei der Arbeit, bessere Organisation - dass du mehr Lust gehabt hättest?

Natürlich kann Faulheit auch (selbst) anerzogen worden sein, also man rutscht in die Routine der Faulheit. Sich dann wieder aufzuraffen, ist doppelt schwierig! Man muss sich zu etwas aufraffen, täglich, mehrfach täglich, das andere auf Autopilot machen. Die haben es also leichter.

In mein Abijahrbuch schrieb jemand, er habe sich alle drei Jahre Oberstufe TÄGLICH aufraffen müssen, um in die Schule zu kommen. Täglich hat der überlegt, ob er morgens aufsteht oder nicht. Ob er zur Schule kommt oder nicht. Ob er sich heute für den Schulweg und die Schularbeit, für jede einzelne Stunde - er hätte auch einzelne Stunden schwänzen können - aufraffen konnte.

Die meisten anderen sind einfach morgens aufgestanden, haben nicht darüber nachgedacht, sich gewaschen, haben gefrühstückt, ihre Tasche gepackt, sind losgegangen und haben dann den gesamten Schultag in der Schule mitgemacht. Die haben also extrem viel Energie gespart im Vergleich zu ihm!

Wenn man aus dieser Routine gerutscht ist, ist alles, was man dann bewusst entscheiden muss - stelle ich mir den Wecker, stehe ich auf, dusche ich, frühstücke ich, gehe ich wirklich los, bleibe ich zur ersten Stunde, beteilige ich mich, bleibe ich auch zur zweiten Stunde etc., mache ich Hausaufgaben, stelle ich mir wieder den Wecker - viel, viel schwieriger, als wenn man das automatisch macht und gar nicht darüber nachdenkt.

Insofern könnte man sagen, dass keiner "freiwillig" faul ist, sondern die Bedingungen nicht (mehr) optimal sind, man sich falsche Routinen angewöhnt hat.

Wenn ich dir heute sage, du sollst bitte bis Ende des Jahres täglich 5 Seiten Fachbuch Geschichte der Philosophie lesen und auswendig lernen, würdest du sagen "oh, das schaffe ich nicht! Dafür habe ich kein Interesse und keine Zeit in meinem Tagesplan und schon gar nicht täglich!" Hättest du dir das als freiwillige Challenge schon vor 2 Jahren angewöhnt, wäre es für dich überhaupt kein Problem. Du wärest also nicht "faul", wenn du das nicht machen würdest, dir würde nur die Motivation, Routine und Energie dafür fehlen.

Warum gibt es denn so viele Blogs/ Videos zu Themen wie Aufräumen, Selbstdisziplin, Lernen, Organisation, Hausarbeit, Sport usw.? Weil viele es nicht schaffen, das in ihre Routinen so einzubauen, dass es relativ problemlos klappt. Die sind nicht faul, denen fehlen nur Aspekte zur effizienten neuen Routinenetablierung.

Und wer aus einer Routine sehr lange draußen ist oder sie nie hatte, dem fällt es doppelt und dreifach schwer, sie überhaupt wieder zu etablieren. Das nennen wir dann oft "faul". Meist nennen die Menschen es faul, die über diese Sachen gar nicht mehr nachdenken, weil sie fest in ihrer Routine verankert sind.


tomkaller  26.01.2023, 15:52

... meine Kritik, ich bin ein Mensch und keine Maschine.

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"Es gibt keine faulen Menschen, nur überforderte" - Findet ihr das ist richtig?

Da es eine generalisierende Aussage ist, ist sie alleine deswegen schon falsch. Es gibt Menschen, auf die die Aussage zutrifft, und andere, auf die sie nicht zutrifft.

Generell wird bei uns im leistungsorientierten Deutschland aber viel zu schnell mit dem Begriff "Faulheit" um sich geworfen. Bei uns gilt häufig die Idee: "Alles ist machbar, wenn man sich nur anstrengt!" Aber das ist inhaltlich nun mal einfach falsch. Menschen haben unterschiedliche Belastungsgrenzen. Wenn diese chronisch überschritten wird, dann werden die Menschen psychisch und/oder körperlich krank. Allerdings haben Personen, die sehr belastbar und leistungsfähig sind, große Probleme damit zu verstehen und anzuerkennen, dass es auch Personen gibt, die eben weniger belastbar und leistungsfähig sind, selbst wenn diese selber gerne mehr leisten wollen würden und sich anstrengen.

Ein gewisses Maß an "Faulheit" im Sinne von Erholung und Entspannung, als Ausgleich zu Arbeit, Verantwortung und Verpflichtung, ist sogar gesund und empfehlenswert!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich mag es wissenschaftlich fundiert. 📋
Ja, das ist so

In den allermeisten Fällen ist diese Aussage korrekt. Denn man darf nicht vergessen: Der Mensch ist nicht darauf programmiert, "faul" zu sein. Hätten unsere frühen, frühen Vorfahren faul rumgehockt, wären wir heute nicht hier. Dann hätte sich die menschliche Spezies nicht behaupten können.

Man kann also durchaus davon ausgehen, dass "Faulheit" nichts Natürliches ist und es daher Gründe für diese gibt, welche sehrwohl an einer Überforderung liegen können. Mir persönlich geht diese Behauptung auf den Senkel, denn es ignoriert eben, dass Faulheit - wie bereits angesprochen - nichts Natürliches ist. Es ist nicht hilfreich.

Das Problem ist auch, dass solche Wertungen häufig von Außenstehenden kommen. Aber diese können meist nicht wissen, wie sehr es eine Person wirklich versucht. Jeder hat eigene Grenzen, nicht jeder hat die gleiche Menge an physischer und mentaler Kraft.

Bevor man mit solchen Worten um sich schmeißt, sollte man erstmal herausfinden, woran es wirklich liegt. "Ich will nichts machen" ist, finde ich, auch keine Faulheit. Das ist eher Demotivation - die auch durch Verschiedenes ausgelöst werden kann -, Frustration, Angst, Selbstzweifel etc.

Außerdem kann die Aussage, man wäre ja nur faul, ableistisch sein. Hier mehr dazu: https://ko-fi.com/post/Laziness-is-an-Ableist-Construct-C0C26JFY3

https://fortitudeandflow.com/you-cant-be-lazy-laziness-does-not-exist/

Man sollte auch nicht ignorieren, dass es Menschen gibt, die Schwierigkeiten mit exekutiven Funktionen haben, was für Außenstehende leicht als "Faulheit" abzustempeln wäre.

Also ja, ich denke, die Aussage ist sehr oft korrekt, hat einen wahren Kern.

Weder noch, würde ich sagen.

Denn es gibt Menschen, die könnten zwar etwas mit relativ wenig Aufwand aber sie liegen lieber auf dem Sofa und lassen sich berieseln.

Andere arbeiten wie wild, mit zu hohen Zielen, was niemandem was bringt, denn Schuster bleib bei deinen Leisten.

Wer das beherzigt, dieses alte Sprichwort, wird nicht über- aber auch nicht unterfordert, sondern bleibt am Ball, der ihm auch Spass macht und somit easy zum Meister wird.

Es ist also eher die Frage, was liegt mir von Natur aus, was kapiere ich auf die Schnelle, weil ich einfach eine Anleitung bekam, wo ich selbst anstand, bei der Umsetzung. Dann geht das wie von alleine.

Man kann aber nicht sagen, ein Schüler ist faul, wenn er schlechte Noten schreibt. Er hat es nur nicht kapiert und lernte vielleicht mehr, als jemand dem es nur so in den Schoss fällt.

Dafür könnte derjenige mit den schlechten Noten, total andere Dinge. Ich glaube, da wird in Deutschland mehr, als in anderen Ländern, zu sehr viel Gewicht drauf gelegt, und dabei gehen Leute psychisch kaputt daran, was nicht sein müsste.

Ist nur so eine Beobachtung aus dem nahen Ausland, wie ihr euch da eure Kinder fertig macht, statt zu sehen, welche Potentiale in ihnen stecken, die es eben auch braucht und sie sich darin wohler fühlen würden.

Nein, das ist nicht so

Ich finde Faulheit ist vor allem erlernt. Wenn man sieht welchen Bewegungs- und Aktivitätsdrang kleine Kinder haben...

Das kann man denen aber leicht abgewöhnen, durch mangelnde Angebote, Verbote sowie extreme Vorsicht und ein sehr bequemes Umfeld.

Eine lang erlernte Faulheit kann aber bestimmt Erscheinungen von körperlicher Überforderung hervor rufen.


Liebello  26.01.2023, 16:04
Wenn man sieht welchen Bewegungs- und Aktivitätsdrang kleine Kinder haben...

die körperliche Energie, die Offenheit und die Neugierde sind alterstypisch und gehen dann im laufe der Entwicklung zurück

Kinder müssen viel lernen: sprechen, laufen, Feinmotorik, interagieren und deswegen hat die Natur es so eingerichtet, dass sie viel Energie zur Verfügung haben, damit das funktioniert

allerdings ist es korrekt, dass wir in unserer Gesellschaft viel sitzen und uns zu wenig bewegen

zudem werden Freude an Bewegung, Neugier und Offenheit an den Schulen nicht unbedingt gefördert, sondern es geht hauptsächlich um das Abliefern von Leistung

es geht also oft um Druck, den viele als unangenehm empfinden, und nicht um Lebensfreude und Motivation, weswegen es dann zu Frust, Genervtheit und Unwillen bzw. "Faulheit" kommen kann

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