Abiturtext Latein 2024 Bayern: Wie schätzt ihr meine Übersetzung ein?

2 Antworten

Paß auf, ich bin kein Lateiner, ich lese nur ganz gerne einmal etwas. Deshalb nimm alles, was ich sage, mit einem guten Körnchen Salz.

Nunc ipse te consule fehlt in der Übersetzung: Nun stell dir selbst die Frage.

bist du ans höchste menschliche Gut angelangt komisch formuliert, warum an+Akkusativ?

Aber du, der du hoffst, das du inmitten von Schätzen dorthin kommen wirst, irrst. — kein gutes Deutsch. Gemeint ist ja wohl: Du irrst, wenn Du hoffst, daß Du umgeben von Reichtum dieses Ziel (=die Weisheit) erreichen wirst.

von woher sie einer dauerhaftigen und großen Freude hinterherhetzen — das ist ir­gend­wie unverständlich. Gemeint ist doch: Sie wissen nicht, aus welcher Quelle (unde) sie diese Freude beziehen können (consequī heißt hier also soviel wie ‘erreichen’, nicht ‘hinterherhetzen’). Im Folgesatz geben die ganzen ex-Ausdrücke Quellen an, aus de­nen die Leute vergeblich versuchen, zur wahren Lebensfreude zu kommen, und das ist bei Dir ungefähr richtig wiedergegeben, wenn auch nicht schönem Deutsch.

Warum hast Du ambitio mit ‘Protzerei’ übersetzt? Gemeint ist doch beruflicher Ehr­geiz, also Karrieresucht und die Lust daran, viele abhängige Klienten zu haben.

ex studiorum liberalium vana ostentatione et nihil sanantibus litterisein anderer aus nutzloser Schriftstellerei heraus, und wertlosen Wissenschaften — ich denke, das trifft es im wesentlichen: ‘aus dem leeren Vortäuschen von kultivierten Beschäftigungen und aus Schreiberei, die nichts heilen kann (also zu nichts gut ist)’

All jene betrügen die trügerischen und kurzweiligen Vergnügungen (omnes istos ist Akk.Obj.) — wenn Du richtig erkannt hast, was Objekt ist, dann stell es doch nach hinten: Die Vergnügungen betrügen alle diese Leute, sonst ist der Satz kaum zu lesen, weil man den Akkusativ am Satzanfang unweigerlich als Nominativ interpretiert und dann am Satzende verwundert innehält.

qui magna sollicitudine partus est — ich glaube, daß partus hier ‘erreicht’ bedeutet. Den öffentlichen Beifall (favor) erreicht man also nur um den Preis von sollicitudine ‘inne­rer Unruhe, Dauerstess, Verlust des inneren Gleichgewichts’.

Jetzt der schwierige Teil: Hoc ergo cogita, hunc sapientiae esse effectum: gaudii aequalitatemBesinne also, dass dieser (der Weise) von der Weisheit hervorgebracht worden ist: Die gemäßigte Freude. Ich glaube, da bist Du fehlgegangen; effectum ist als Substantiv zu verstehen: Das Hervorgebrachte, das daraus Folgende, die Wirkung. Mein Vorschlag: Verstehe also, daß das die Wirkung der (echten) Weis­heit ist: Freu­den (Pl) gleich­för­mi­ger und gemäßigter Art. Ich sehe aequalitatem als einen adver­bi­alen Akkusativ, aber wirklich glücklich bin ich mit dieser Interpretation nicht.

Deine Interpretation ist offenbar daß hunc ein Subjektsakkusativ eines AcI ist. Die Vor­aussetzung dafür ist, daß man efficĕre mit einem Genitiv konstruieren kann (her­vor­ge­bracht werden von irgendetwas), und da bin ich mir nicht sicher (wenn Du diese Ver­wen­dung mit Textstellen belegen kannst, dann gut für Dich). Inhaltlich ergibt es aller­dings deutlich weniger Sinn, die Weisheit müßte dazu ja irgendwie personifiziert sein, und davon sehe ich in dieser Textstelle sonst keine Spur.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik
DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 14:58

Vielen Dank für die ausführlichen Kommentare zu meiner Übersetzung! Als erstes aber eine persönliche Anmerkung: Der Kommentar liest sich serwohl so, als hätte ihn jemand geschrieben, der wirklich Ahnung hat, was er oder sie da schreibt.

Oh, ja, den ipse te consule Satz hab ich hier vergessen (nicht im Abi, zum Glück). Da hab ich wohl zu schnell getippt.

Zum unde-Satz: So, wie du es formulierst, klingt es auch sinnvoll - ich habe es so interpretiert: Diese Leute, die danach aufgelistet werden, merken gar nicht, dass sie ebendiese erstrebte Freude aus diesen Dingen heraus erstreben - die Dinge waren für mich der Ausgangspunkt, das, was unde zuvor in der indirekten Frage gemeint hat, soweit sind wir uns wohl einig. Mein Gedanke ist nur der gewesen, dass diese Menschen gar nicht begreifen, dass sie durch diese ja indirekt als nicht sinnvoll charakterisierten Beschäftigungen etc. auch versuchen,einer Freude nachzujagen und nicht nur einfach ratlos sind, wie sie sie erreichen können. Sie wissen gar nicht, dass sie an diesem Ausgangspunkt sind. Deine Interpretation geht eher in die Richtung, dass sie diesen Ausgangspunkt kennen und diese Freude also aktiv erstreben - nur auf falsche Weise, vom falschen Ausgangspunkt aus. Das hört sich für mich echt sinnvoll an. Ich hab damit aber ein Problem, wobei ich mich da als Schüler wahrscheinlich nicht gut genug auskenne: Den Konjunktiv frisst mir die indirekte Rede, die braucht einen Konjunktiv, ich kann also schonmal keine wie auch immer geartete Konjunktivfunktion als Auslöser für eine Übersetzung mit dem Können angeben. Ich müsste rechtfertigen, dass ich hier ein solches Können einfach reininterpretiere, da der Sinn, den ich in deiner Übersetzung sehe, für mich ohne zumindest teilweise dahinschwindet. Ich weiß, dass wir Deutsche mit diesen ganzen Können etc. eher großzügig sind, aber ich persönlich täte mich hier schwer, eines einzufügen. Die Frage, die sich mir auch stellt: Würde ein römischer Autor das, was du übersetzt hast, nicht eher mit Irrealis ausdrücken? Denn es ist ja für ihn ein Fakt, dass sie diese Freude aus diesen Quellen heraus nicht erreichen können, die Personen, die er aber meint, sich gleichzeitig der wahren Quellen nicht bewusst sind. Dann würde aber eventuell statt Konjunktiv Präsens Konjunktiv Imperfekt stehen, weil es ja irreal ist, dass sie die Freude erreichen. Aber mit dieser Behauptung, dieser ganzen These lehne ich mich natürlich sehr weit aus dem Fenster, das sind wahrscheinlich unbegründete Zweifel.

Oh, ja, der schwirige Satz ist der nächste... da sind wir uns definitiv einig ;) Zunächst, weil ich glaube, das ich das vergessen habe: Ich habe sapientiae nicht als Genitiv aufgefasst. Ich habe eher so gedacht: Üblicherweise werden ja die ,,Täter´´ z.B. bei Gerundivkonstruktion im Dativus Auctoris angegeben, ich hab mal irgendwo gelesen, dass diese Kasusfunktion auch bei anderen Passivkonstruktionen möglich ist - und dazu gehört ja dieser mit einem PPP gebildete Infinitiv Perfekt passiv, wenn man ihn eben als solchen sieht, eindeutig. Sagen wir mal, man lässt den Satz ohne den folgenden stehen, dann dürfte der Satz soweit korrekt sein, oder?

Nun der nächste Satz: Wie du schon sagst, glücklich ist keiner von uns mit keiner der Möglichkeiten. Meine Interpretation ist so: Füllt man von mir reininterpretierte Ellipsen auf (es gibt im text ja genug davon), schreibt sich das ganze so: Cogita ergo, hunc sapientiae esse effectum: gaudii (Gen. Sg) aequalitatem sapientiae esse affectam. Übersetzt sich so: Ersinne dich also, dass dieser (Weise) von der Weisheit (ergänze eventuell: selbst) hervorgebracht worden ist: Die gemäßigte Freude (die Angabe gefiel mir eigtl. nicht, aber ok) ist von der Weisheit hervorgebracht worden - oder freier: Den Doppelpunkt z.B. mit weil übersetzen. Ergibt für mich den Sinn, dass ja der Weise nur durch die richtigen Beschäftigungen zum Weisen wird - also auch nur, wenn er diese Freude, diese richtige beschäftigung erreicht, und weil die Weisheit das Wissen um diese Freude und Beschäftigung hervorbringt, bringt sie damit auch den Weisen hervor. An deinem Vorschlag sticht mir eins außerdem ins Auge: Du siehst gaudii als Plural - was für mich dadurch unwahrscheinlich ist, dass Seneca im ganzen Textabschnitt durchgehend Singularformen für dieses Wort verwendet. Und sogar wenn ich die Angabe unsinnig finde, muss man ihr zugestehen , dass anscheinend nicht intendiert war, gaudii als Plural erscheinen zu lassen.

Es ist also wirklich so, dass der Doppelpunkt mit den darauffolgenden zwei Wörtern das Problem darstellt. Ich würde jetzt am liebsten sagen, dass ich ja eigentlich nichts falsch übersetzt habe... es ergibt halt nur begrenzten Sinn bzw. lehne ich mich mit meiner Interpretation (die ich zum Glück auch so hingeschrieben habe) recht aus dem Fenster.

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DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 15:48
@DingDongclock

Zu den anderen Anmerkungen, die zu den zwei Textstellen waren mir am wichtigsten.

pervenisti ad humani boni summum: Warum? Was gefällt dir an der ÜS nicht? Angelangen an etwas? Ist für mich okay? Du bist angelangt ans höchste m. Gut. Ja, angelangen am h. m. G. hört sich besser an. Aber ich wollte ein wenig das ad m. Akkusativ erhalten, das andere hört sich für mich so sehr nach einem Ort an, der schon erreicht ist, das wäre ja dann eher im Ablativ und ohne ad.

 Sed erras, qui inter divitias te illuc venturum esse speras. Id est, gaudium inter sollicitudines quaeris: Ja, mir gefiele hier deine Übersetzung mit einem Konditionalsatz auch besser - aber das ist mir im Abitur etwas zu frei, wenn an einer wörtlichen Übersetzung der einzige Haken ist, dass es etwas ungewöhnlich klingt, nehme ich das lieber auf mich. Das falls hört sich eher an ,als würde man da irgendwo einen Konjunktiv sehen, der einen nebensinn bewirkt - wobei wir im Unterricht nie einen konditionalen Nebensinn besprochen hätten, keine Ahnung, ob es das gibt.

Omnes istos oblectamenta decipiunt: Inzwischen bin ich nichtmal mehr sicher, ob ich es so herum geschrieben habe. Ich habe aber sowohl Objekt als auch Subjekt gekennzeichnet, weil es halt wirklich möglich ist, es ,,falsch herum´´ zu lesen, das dürfte keine Schwierigkeit bereiten.

qui magna sollicitudine partus est: Ich hab gerade scharf nachgedacht und bin mir echt nicht mehr sicher, wie ich es übersetzt habe, ich musste ja für die Frage hier den ganzen Text nochmal so innerlich durchgehen, da hab ich sicher manchmal ein anderes Wort benutzt, am ehesten glaub ich sogar, dass ich im Abitur selber ,,erwerben´´ als ÜS verwendet habe. Wäre das für dich auch treffend?

Ambitio hab ich mit Protzerei übersetzt, weil für mich die Begriffe eine Auflistung verschiedener Beschäftigungen und Dinge sind, m.M.n. müssen die nicht unbedingt zusammengehören, es kann genauso (eventuell sogar private) Protzerei und eine öffentlich zur Schau gestellte Menge an Klienten in einer Person vereint sein. Das ist ja kein Widerspruch, das wäre eher problematisch, wenn ich die Protzerei als Wortbedeutung erfunden hätte - ich hab sie aber im Stowasser nachgeschlagen.

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indiachinacook  04.05.2024, 16:22
@DingDongclock

Ich habe jetzt noch ausführlich darüber nachgedacht und auch in einer englischen Übersetzung (Loeb von 1925) nachgesehen.

Zunächst muß ich sagen, daß ich Dein Argument mit dem Konj. Präsens consequantur gut nachvollziehen kann. So wie ich den Satz verstehe, kann ich ihn im Deutschen nur mit einem Modalverb wiedergeben (können im Sinn von es kann morgen regnen), und der Präsenskonjunkiv kommt mir weniger dazu geeignet vor, am ehesten als dubitativus oder so etwas ähnliches.

Daß sapientiae Dat sein könnte, ist mir gar nicht in den Sinn gekommen. Allerdings würde ich dann vor allem an einen possessivus denken ‘der Weisheit kommt diese Wirkung zu, sie besitzt als Wirkung die folgende’. Wie Du siehst, kannst Du mich nicht davon überzeugen, effectum esse als Perfeksinfinitiv zu lesen, das kommt mir einfach abwegig vor, wenn efficĕre nicht mit dem Genitiv oder Dativ zusammengeht.

Aber bei gaudii will ich meinen Vorschlag Nom Pl zurückziehen, weil ich inzwi­schen wir­klich glaube, den Satz verstanden zu haben: Die Folge, von der im AcI geredet wird, ist nämlich nicht die Freude, sondern die Gleichförmigkeit der Freude — aequali­tatem steht im Akkusativ, weil wir den AcI nie verlassen haben: ‘Bedenke also, daß die Folge (Akk) der Weisheit diese ist: Die Gleichförmigkeit (Akk) der Freude.’ Als Folge (effectum) der Weisheit tritt also folgendes ein: Man erlebt die Freude auf gleichförmige Art, ohne Aufs und Abs oder andere emotionale Exzesse. Das kommt mir sehr stoisch und daher passend vor.

Zuletzt noch ein kleiner korinthenkackerischer Einwand: serenus im letzten Satz vielleicht eher ‘ruhig’ als ‘heiter’.

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indiachinacook  04.05.2024, 16:50
@DingDongclock

Ich glaube, wir sind uns einig, daß das aller verhältnismäßige Kleinigkeiten sind.

  • Meiner Meinung nach kommt man an einem Ort an, nicht an einen. Sonst habe ich keine Einwände.
  • Ich habe zugegebenermaßen keine Ahnung von Abiturregeln (ich habe ja keines abgelegt, und schon gar nicht in Bayern oder in diesem Jahrtausend). Auf der einen Seite kommt es mir unsinnig vor, sklavisches Festhalten an den lateinischen Satzstrukturen einzufordern, auf der anderen Seite sehe ich gut ein, warum die Lehrer das fordern, sonst würde ja jeder frei daherassoziieren.
  • Erworben, erlangt, erreicht kommt mir alles gut für partus vor.
  • Du hast recht, ambitio kann auch Protzerei bedeuten; das habe ich entweder nie gewußt oder mittlerweile vergessen. Ich glaube allerdings trotzdem, daß Ehrgeiz hier auch paßt. Daß man in DE im Lateinunterricht auch den Stowasser verwendet, habe ich übrigens auch nicht gewußt, das ja scheint ein österreichischer Exportschlager zu sein.
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DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 16:58
@indiachinacook

Na das hoffe ich doch, dass das alles Kleinigkeiten sind. Und nein, Abiturregeln musst du nicht können, das ist ein rießiger Irrsinn... kein Mensch darf bis es die ,,hochoffiziellen´´ Ergebnisse gibt ein Wort drüber reden, ein ganzer Trakt des Schulhauses ist drei Wochen lang gesperrt, blablabla... als wäre das alles so wichtig. Aber die Regeln für Latein sind tatsächlich auch nicht so streng (erst letztens kam z.B. ein KMS, in dem stand, dass zukünftig das Passiv immer aktivisch übersetzt werden dürfe, das zu akzeptieren oder abzulehnen liege demnach im Ermessen der Lehrkraft selbst.

Ja, der Stowasser dürfte österreichisch sein. Wir sind tatsächlich aber auch ziemlich grenznahe, von uns aus kommt man in 20 Minuten nach Österreich. Aber ich glaube, dass in ganz Bayern so ziemlich nur dieses Wörterbuch verwendet wird.

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DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 17:04
@indiachinacook

Vielen Dank, dass du dir diese Mühe gemacht hast! Ja, ich hab die Loeb-ÜS auch gelesen, auf die hatte ich mich mit ,,englische ÜS´´ auch bezogen. Da lese ich eigtl. immer nach, wenn ich wo was überprüfen will, weil ich als Schüler schlicht nicht die vielen Bücher mit dt. Übersetzungen hab.

Ich bin froh, wenn du das mit dem consequantur nachvollziehen kannst, da hab ich momentan echt an mir gezweifelt (bei dem Satz war ich während des Abiturs auch eigentlich sicher, weshalb ich etwas verwundert war)

Deine Idee (das ist wohl auch bei Loeb so gemeint, wenn ich es nochmal so durchlese), dass man da den ACI nie verlässt, ist nachvollziehbar - und macht inhaltlich auch echt Sinn. Im Nachhinein ist man natürlich klüger ;) Für mich wird der Satz dann aber nicht weniger seltsam: Wieso setze ich bei deiner (und Loebs) ÜS. dann das hunc (das ja an diesem Teil des Satzes eigtl. noch undefiniert ist, das Bezugswort steht ja erst danach => ist das so üblich?) ganz nach vorne an den ACI, nicht das effectum, warum setze ich überhaupt ein hunc und setze nicht effectum nach vorne und an die Stelle des effectum aequilitatem? Jetzt würde ich ja wirklich gerne Seneca dazu befragen, was er jetzt gemeint hatte🙃

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indiachinacook  04.05.2024, 17:11
@DingDongclock

Naja, hic steht immer vor seinem Bezugswort, und sogar im Deutschen kann man es ein schönes Stück vor seinem Bezugswort plazieren: Diese sind nämlich die Effekte …

So gut verstehe ich Latein auch wieder nicht, daß ich mich über die Grenzen der rhetorischen Freiheiten verbreitern könnte. Aber insgesamt kommt mir das im Nachhinein nicht sonderlich abartig formuliert vor.

Ein Schüler, der den Loeb zuhause stehen hat? Respekt. Ich habe ihn mir erst heute aus dem Internet heruntergeladen.

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DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 17:16
@indiachinacook

Also für mich klingt das mit dem hunc so seltsam, aber ich kann nachvollziehen, was du meinst, ich glaube, da habe ich mich entweder vertan oder falsch ausgedrückt. Nein, kein Schüler, der den Loeb daheim hat - aber die Loeb-ÜS sind ja online frei zugänglich ;) Und die wenigen ÜS, die ich wirklich daheim stehen habe, sind Geschenke einer wirklich sehr netten Lateinlehrerin, die sie mir Geschenkt hat, weil sie keinen Platz mehr hatte... aber leider ist da keine Seneca-Üs dabei.

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DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 17:20
@DingDongclock

Korrektur: Ich weiß, wo ich falsch abgebogen bin mit hunc: ich habe gerade an qui, quae, quod gedacht... da steht das Bezugswort immer davor.

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indiachinacook  04.05.2024, 17:22
@DingDongclock

Ach, der Loeb ist auch so eine kastrierte Ausgabe bei der man dauernd geteast wird und dann erst nichts sieht. Sowas besorge ich mir lieber als PDF.

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DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 17:25
@indiachinacook

Also ich kann alles unbegrenzt lesen ohne irgendwelche Einschränkungen oder Limits... aber nur am Notebook von Windows. Aber das reicht mir für mich

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DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 20:44
@indiachinacook

Das werde ich mir mal in Ruhe durchlesen... mich interessiert es wirklich. Und jetzt erst recht ;) ich hatte es anders in Erinnerung, aber da habe ich mich geirrt, ich hab im Stowasser dazu ein Beispiel gefunden, das mich widerlegt. Wobei ich auch insgesamt nicht behaupten will, dass meine Übersetzung fehlerfrei ist.

Ich weiß, dass ich es genau wissen will, und ich hoffe auch echt, dass ich nichts Richtiges bestreite... ich lasse mich da auf jede Kritik ein. Und auch wenn meine Lösung hier nicht für mich entscheidend bewertet wird, liegt mir ja doch was daran, dass sie wirklich grammatikalisch widerlegt wird, damit ich danach nicht das Gefühl habe, ich hätte eine passable Lösung gegen eine bessere eingetauscht, ohne dass meine eigene dabei wirklich widerlegt ist.

Ich weiß, das mit dem dativus auctoris ist meinerseits eine abgefahrene Idee - aber ich bin in einem Punkt nicht deiner Meinung, weshalb es mir nicht so einfach erscheint, meine Lösung wirklich grammatikalisch zu widerlegen, ohne dabei auf die darauf folgenden Wörter zurückzugreifen.

Zur Erklärung: Für mich ist und bleibt bei sapientiae der dativus auctoris deshalb eine (nicht die einzige und im Nachhinein vielleicht auch nicht erste) Möglichkeit, weil diese Kasusfunktion a/ab mit Ablativ bei Passivkonstruktionen serwohl ersetzen kann, ohne dass das Verb dafür ansonsten mit Dativ stehen können müsste. Das scheint mir auch nicht nur eine Eigenheit eines Autors zu sein, wofür sich Belegstellen mit transitiven Verben wie capere, audire etc. bei Cicero, Livius, Sallust... finden lassen (vgl. originale Textausschnitte z.B. Dativ, Objektsdativ, Dativus possessivus, Dativus commodi, Dativus incommodi (Dativ der beteiligten Person oder Sache), Dativus auctoris, Dativus finalis, intransitive Verba, Dativ des Ziels, Dativ des Ausrufes, Dativus ethicus, Dativus iudicantis (Dativus respectus, Dativus relationis), Dativus sympatheticus (Dativus dynamicus (latein-grammatik.at) und Latein-Imperium.de - Dritter Kasus - Dativ (die erste Seite finde ich persönlich immer super hilfreich)).

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indiachinacook  04.05.2024, 21:26
@DingDongclock
Hoc ergo cogita, hunc sapientiae esse effectum

Ich kann mich wirklich nicht erinnern, jemals vom dativus auctoris jenseits des Ge­run­divs ge­hört zu haben. Auf der von Dir verlinkten Seite steht „zur Bezeichnung der han­deln­den Person, zu deren Nutzen oder Schaden etwas geschieht“, und das erinnert mich an den dativus commodi. Viele der Beispiele, die dort angegeben sind, pas­sen auch in dieses Schema: Als zum Nutzen von Tarquinius ein Schwie­ger­­sohn gesucht wurde (wer sucht, steht nicht da, vermutlich läßt er ja andere suchen, so wie Caesar eine Brücke baut bzw. bauen läßt).

Auf jeden Fall scheint diese Verwendung nur für Personen funktionieren, und sapientia ist keine. In Deiner Interpretation würde ja die Weisheit etwas bewirken (stimmt) und zwar zu ihrem eigenen Nutzen (stimmt nicht).

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indiachinacook  04.05.2024, 17:00

Ich werfe da noch eine englische Übersetzung hinein: The Loeb Classical Library, mit englischer Übersetzung von Richard M. Gummere, 1925.

I shall now show you how you may know that you are not wise. The wise man is joyful, happy and calm, unshaken; he lives on a plane with the gods. Now go, question yourself; if you are never downcast, if your mind is not harassed by any apprehension, through anticipation of what is to come, if day and night your soul keeps on its even and unswerving course, upright and content with itself, then you have attained to the greatest good that mortals can possess.
If, however, you seek pleasures of all kinds in all directions, you must know that you are as far short of wisdom as you are short of joy. Joy is the goal which you desire to reach, but you are wandering from the path, if you expect to reach your goal while you are in the midst of riches and official titles, — in other words, if you seek joy in the midst of cares. These objects for which you strive so eagerly, as if they would give you happiness and pleasure, are merely causes of grief.
All men of this stamp, I maintain, are pressing on in pursuit of joy, but they do not know where they may obtain a joy that is both great and enduring. One person seeks it in feasting and self-indulgence anothcr, in canvassing for honours and in being surrounded by a throng of clients; another, in his mistress; another in idle display of culture and in Iliterature that has no power to heal; all these men are led astray by delights which are deceptive and short-lived — like drunkenness for example, which pays for a single hour of hilarious madness by a sickness of many days, or like applause and the popularity of enthusiastic approval which are gained, and atoned for, at the cost of great mental disquietude.
Reflect, therefore, on this, that the effect of wisdom is a joy that is unbroken and continuous. wisdom is -a joy that is unbroken and continuous. The mind of the wise man is like the ultra-lunar firmament; eternal calm pervades that region.

Da sind natürlich ein paar Passagen drin, die in Deinem Text fehlen.

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DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 17:06
@indiachinacook

Ja, das ist die ÜS, die ich auch gelesen hatte. Mit deinem Kommentar dazu wird sie noch klarer (ich hatte seit Jahren kein Englisch mehr... sonst hätte ich Latein oder Spanisch abwählen müssen)

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zu deiner schwierigen Stelle:

Hoc ergo cogita, hunc sapientiae esse effectum: gaudii aequalitatem.

Übersetzt heißt diese Stelle folgendermaßen:

Daher (ergo) bedenke (cogita) dies (hoc), das (hunc) ist (esse) das Ergebnis (effectum) der Weisheit (sapientiae), das Gleichmaß/die Gleichmäßigkeit (aequalitatem) der Freude (gaudii).

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Mein Vorschlag für diese Übersetzung lautet:

Nun werde ich erklären, wie du erkennen kannst, dass du nicht weise bist. Weise ist jener voll Freude, heiter und friedlich, unerschütterlich; mit den Göttern lebt er gleichberechtigt. Nun frage dich selbst: wenn du niemals traurig bist, keine Hoffnung deine Seele durch die Erwartung von Zukünftigem beunruhigt, hast du das höchste menschliche Gut erreicht? Aber wenn du Genüsse erstrebst, wisse, soviel fehlt dir von der Weisheit wie von der Freude. Aber du irrst, der du hoffst, dass du zwischen Reichtümern dorthin kommen wirst. Das heißt, du suchst Freude inmitten von Sorgen. Diese da, die du so erstrebst, als ob sie Freude und Genuss verleihen, sind Gründe/Ursachen der Schmerzen. Alle, sage ich, streben zur Freude. Aber sie wissen nicht, woher/worin sie dauerhafte und große Freude erreichen. Dieser sucht (seine) Freude aus/in Gelagen und Ausschweifung, jener durch Ehrgeiz und der Menge Abhängiger, dieser bei einer Geliebten, ein anderer durch die prahlerische Zurschaustellung edler Wissenschaften und durch nichts (ver)bessernde Briefe; all jene täuschen trügerische und kurze Vergnügungen, wie Trunkenheit, sowie Beifall, der durch große Unruhe erzeugt worden ist. Daher bedenke dies, dass dies das Ergebnis der Weisheit ist: eine Gleichförmigkeit/ein Gleichmaß der Freude. So beschaffen ist die Seele des Weisen, wie die Welt über dem Mond, dort ist es immer heiter.

__________________________________

und zu der Angabe: "gemäßigte Freude": die wörtliche Übersetzung: Gleichmaß der Freude -> wird zu ("gleich")mäßiger = gemäßigter Freude, bei der es kein Auf und Ab gibt. Du hättest die Angabe also nehmen können, ohne dir groß Gedanken zu machen.

DingDongclock 
Fragesteller
 04.05.2024, 19:19

Vielen Dank, ja, ich bin inzwischen auch soweit, dass es mir einleuchtet, dass ich den Satz mit meiner ÜS etwas ,,vergewaltigt´´, sorry, schlechter Scherz, ich weiß, hab... Die vorhin schon vorgeschlagene ÜS ,,Bedenke also, daß die Folge (Akk) der Weisheit diese ist: Die Gleichförmigkeit (Akk) der Freude.´´ gefällt mir grammatikalisch auch recht gut und scheint die einzige zu sein, bei der Grammatik und Inhalt zusammenpassen. Bei deiner ÜS wirkt es aber irgendwie so, als stünde nach dem Cogita ein Doppelpunkt (kein ACI), ist inhaltlich treffend, aber wie gesagt, die vorherige ÜS scheint wirklich die beste zu sein.

Aber wie gesagt: Vielen Dank

und natürlich beste Grüße

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