Generell kann der Begriff "Kapitalismuskritik" sehr breit verstanden werden, da das vor allem auch eine Frage der "Definition" von Kapitalismus ist. Verfechter der sogenannten "sozialen Marktwirtschaft" würden was von einem reinen Kapitalismus und einer Synthese zwischen diesem und dem Sozialismus erzählen. Die einzige konsequente Kritik am Kapitalismus, die dann zwar umfassend ist, dafür aber auch den Kern der Sache trifft, findet man in der marxistischen Literatur. Natürlich sage ich das alles hier als Marxist und dann kann man mir meinetwegen zu Recht Voreingenommenheit zuschreiben. Deshalb richtet sich meine Antwort auch vor allem an diejenigen, die sich an die marxistische Perspektive herantrauen.

Wer das tut und den Marxismus/Sozialismus wirklich verstehen will, kommt um philosophische und - damit einhergehend - wissenschaftliche/epistemologische Kontroversen nicht herum. Der Punkt von Marx (und Lenin, Engels und jedem anderen Kommunisten, der die Kohärenz seiner Ideologie wahrgenommen hat) ist, dass man eine Kritik am Kapitalismus nicht von einer, wie Marx selber es formuliert, "rücksichtslosen Kritik alles Bestehenden" trennen kann. In anderen Worten, Kapitalismuskritik spielt sich nicht rein auf ökonomischer oder auch politischer Ebene ab, sie erfordert eine Kritik der bestehenden Gesellschaft im weitesten Sinne - d.h. einschließlich ihrer Moral, ihrer Kultur, ihrer ideologischen Standpunkte (d.h. ihres Bewusstseins) etc. pp. Deshalb greifen Sozialisten beispielsweise auch das Konzept der Familie an, deshalb ist der (dialektische) Materialismus ein essentieller Bestandteil des Marxismus, deshalb beteiligen Marxisten sich auch an Kontroversen in der (Natur-)Wissenschaft usw.

Aus dem Grund würde ich nicht empfehlen, mit Marx' Hauptwerk, dem Kapital, zu beginnen. Nicht nur, dass die Lektüre an sich schon ziemlich schwierig und komplex ist und beim ersten Lesen viele Missverständnisse nicht ungewöhnlich sind; allein deswegen sollte man erstmal mit anderen ökonomischen Abhandlungen von Marx beginnen. Vor allem aber wird das Verständnis vom Kapital für immer unvollständig bleiben, wenn man es nicht im Kontext seiner essentiellen (philosophischen, ideologischen etc.) Grundlagen begreift. Es gibt heute sehr, sehr viele Erläuterungen der und Abhandlungen zur marxistischen Wirtschaftswissenschaft. Aber wer Marx' Kritik der politischen Ökonomie auf rein empirischer Ebene angeht, kann es genauso gut sein lassen. Entweder will man den Sozialismus in seinem gesamten Umfang, in seiner Relation zu allen Aspekten der menschlichen Praxis begreifen oder man wird ihn nie begreifen. Was dazwischen gibt es nicht.

Es sollte deswegen nachvollziehbar sein, dass, wenn ich hier jetzt einige Einstiegslektüren empfehle, die ich für geeignet halte, man hier nicht nur Kritik an der Kapitalakkumulation oder der Konsumgesellschaft findet, sondern auch und vor allem welche, die ich jedem nahelegen würde, der sich generell mit dem Marxismus und nicht "nur" explizit mit Kapitalismuskritik beschäftigen will.

Als allgemeinen Einstieg sollte man das Kommunistische Manifest und Engels' Anti-Dühring + sein "Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" gelesen haben, um die "Basics" des Marxismus zu verstehen. Dazu auch "Staat und Revolution" und "Materialismus und Empiriokritizismus" von Lenin. Eine gute Einführung in die marxistische Ökonomie ist denke ich Marx' "Lohn, Preis, Profit" und Peter Deckers Vortrag: 

https://youtube.com/watch?v=jVVNVwcWlic

Übrigens ist der Kanal vom GegenStandpunkt generell sehr zu empfehlen.

...zur Antwort

Ich zitiere mal aus den Antworten, die ich früher mal gegeben habe:

Die Lohnarbeiter produzieren Waren, dessen Wert insgesamt größer ist als der Wert ihrer Arbeitskraft (ihr Lohn). Das liegt ganz einfach daran, dass das Unternehmen nicht nur seine Arbeiter bezahlen, sondern auch zum Beispiel Gewinn machen und Zinsen, Miete etc. zahlen muss. Dieser produzierte Mehrwert soll durch den Verkauf dieser Waren in Form von Geld zurückfließen, welches der Kapitalist (das Unternehmen) dann als Kapital einsetzt, um die Produktion zu erweitern [...]

https://www.gutefrage.net/frage/hey-kann-mir-jemand-sagen-was-mit-dem-begriff-akkumulation-bzw-ueberakkumulation-gemeint-ist?foundIn=list-answers-by-user#answer-200633329

Schon der kapitalistische Produktionsprozess an sich funktioniert nur so, dass Lohnarbeiter mehr Wert produzieren, als sie ausgezahlt bekommen. Diese Mehrwertproduktion ist das, was Marx als (kapitalistische) Ausbeutung bezeichnete. Die ist also auch in westlichen Ländern ziemlich üblich und hängt gar nicht vom Gehalt ab - denn dass die Unternehmen neben ihrer Pflicht, den Lohn auszuzahlen, auch Gewinn machen, verzinste Kredite tilgen und Miete zahlen müssen, lernt man mehr oder meist weniger direkt in jedem BWL-Kurs. Um dafür aufkommen zu können, setzt man sich als Unternehmer natürlich nicht selbst an die Produktionsmittel, sondern entwickelt Strategien, wie man möglichst viel Umsatz erreicht, sprich die von den Lohnarbeitern gefertigten Waren am besten verkauft - das heißt, wenn man derartige Aufgaben nicht schon an eine Marketingabteilung abgegeben hat.

https://www.gutefrage.net/frage/ist-der-kapitalismus-auf-ausbeutung-aufgebaut?foundIn=list-answers-by-user#answer-199055769

Kurz formuliert: Die Lohnarbeiter produzieren eine Menge von Waren, die insgesamt einen bestimmten Wert x haben. Dafür erhalten sie ihren Lohn, der jedoch meist deutlich, aber wohl zwangsläufig immer unter dem Wert x liegt.

Man sollte dazu sagen, dass das nicht einfach der Gewinn und auch nicht die Differenz zwischen Umsatz und Lohn ist. Auch, wenn die Waren gar nicht auf dem Markt verkauft wurden, fand notwendigerweise eine Mehrwertproduktion statt, die sich nur nicht in Geld umgewandelt hat. Mehrwertproduktion ist also im kapitalistischen Produktionsprozess allgegenwärtig und überhaupt ihr Fundament (es gibt heute Ausnahmen, die sich gerade entwickeln, die aber auch nicht wesentlich besser sind - aber das ist ein vollkommen anderes Thema, was ich hier nicht anschneiden will).

Und was man unbedingt hinzufügen sollte, ist, dass der Mehrwert nach Marx rein gar nichts mit der Mehrwertsteuer zu tun hat. Das haben hier einige Leute verwechselt.

...zur Antwort

Mit Akkumulation (=Anhäufung) ist hier wahrscheinlich die Kapitalakkumulation gemeint, die sich gemäß Marx durch die Mehrwertproduktion ergibt: Die Lohnarbeiter produzieren Waren, dessen Wert insgesamt größer ist als der Wert ihrer Arbeitskraft (ihr Lohn). Das liegt ganz einfach daran, dass das Unternehmen nicht nur seine Arbeiter bezahlen, sondern auch zum Beispiel Gewinn machen und Zinsen, Miete etc. zahlen muss. Dieser produzierte Mehrwert soll durch den Verkauf dieser Waren in Form von Geld zurückfließen, welches der Kapitalist (das Unternehmen) dann als Kapital einsetzt, um die Produktion zu erweitern, z.B. durch neue Produktionsmittel oder durch den Erwerb weiterer Arbeitskraft. Überakkumulation bedeutet in dem Fall dann, dass zu viel Kapital angehäuft (und folglich auch eingesetzt) wird, sodass es zu einer Überproduktion kommt: Es existiert ein zu großes Angebot an Waren, für das es eine zu geringe Nachfrage gibt - die Waren werden nicht verkauft, das Unternehmen macht keinen Gewinn, es kommt zur Krise. Ob Marx den Begriff "Überakkumulation" wirklich verwendet hat, weiß ich nicht, er hat aber auf jeden Fall diese Art von Krisen analysiert.

...zur Antwort
Weitere Inhalte können nur Nutzer sehen, die bei uns eingeloggt sind.