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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo,

Ein anderer User hat geschrieben, dass der Mensch

...seit mindestens 10000 Jahren Weidewirtschaft...

betreibt. Das stimmt, und diese Jahrtausende waren in Mitteleuropa davon geprägt, die Weidetiere gegen den Wolf zu verteidigen.

Es ist einfach so: wenn ich in ein natürliches System massiv eingreife, in diesem Fall den Urwald auf großer Fläche rode, um Ackerbau und Viehhaltung zu betreiben, dann hat das Auswirkungen an verschiedensten Stellen, wir sehen das gerade auch in anderen Teilen der Welt. Will ich das System danach einigermaßen stabil halten, dann geht das nur mit weitern massiven Eingriffen.

Im Falle des Wolfes heißt das: plötzlich stehen ihm ganz neue Beutetiere zur Verfügung, die auf hohe Erträge an Wolle, Fleisch, Milch,... gezüchtet sind und dafür ihre gute Flucht- und Verteidigungsfähigkeit ein Stück weit verloren haben. Das ist nun keine Frage von Einzelgängern oder Rudeln, sicher kann der Wolf im Rudel auch wehrhaftere Beute überwältigen, aber, warum sollte er, wenn er nicht muss? In der Natur hat derjenige einen Vorteil, der das notwendige Ziel, Nahrungsbeschaffung, mit weniger Aufwand erreicht. Es hat also nie anders funktioniert, Elektrozäune gab es vor zehntausend Jahren noch nicht (und sie können heute auch nicht überall eingesetzt werden!) und auch noch keine Feuerwaffen. Trotzdem hat man sich dem Wolf mit den damaligen Möglichkeiten vom Hals gehalten und das bis in die Neuzeit fortgesetzt. Beispielsweise sind die mittelalterlichen Archive voll von Klagen der Bauern, dass der Adel (der damals alleine dieses Privileg genoss) nicht genügend jagte und so das Schalenwild die Felder verwüstete und die Wölfe die Herden rissen. Vor gut 150 Jahren (nein, nicht erst vor 50!) hat man ihn dann bei uns komplett ausgerottet. Der Verlust einer großen einheimischen Tierart, und das ist der Wolf, ist natürlich etwas Furchtbares. Ich meine, die in den Jahrtausenden zuvor gemachten Erfahrungen der Menschen hatten zu tiefe Spuren hinterlassen, zu mächtige Gefühle gegenüber dem Wolf entstehen lassen als dass sie das damals realisiert hätten.

Heute ist der Wolf zurückgekehrt, und das freut mich, er ist ein Teil unserer heimischen Natur. Natürlich gibt es Konflikte, aber wir haben die Chance, es besser zu machen. Schutzmaßnahmen wie Zäune, Schutzhunde sind wichtig und müssen den Tierhaltern (finanziell) möglich gemacht werden. Aber sie sind gar nicht überall praktikabel. Ich lebe auch in einer Wolfregion und erlebe, wie extensive Weidehalter gerade auch darüber nachdenken, aufzugeben. Ich bin überzeugt, wir müssen den Wolf im Bestand regulieren wie andere Wildtiere auch. Kein Mensch will Reh, Hirsch, Wildschwein ausrotten, aber in einer vom Mensch extrem veränderten Landschaft müssen ihre Bestände auf einem verträglichen Maß gehalten werden. Beim Wolf ist es genauso: nicht wieder ausrotten, aber regulieren müssen wir ihn.

Im Moment erleben wir den Wolf als extrem scheues Wildtier, der die Begegnung mit dem Menschen meidet. Das ist bei einem intelligenten, sozial lebenden Säugetier, das bis vor "nur" 150 Jahren regelrecht bekämpft wurde auch kein Wunder: bei solchen Tieren gibt es wie bei uns tradierte, weitergegebene Verhaltensweisen, etwa, dass Menschen Wölfe jagen und töten können, also gefährlich und zu meiden sind. Aber das sind Traditionen, die nicht in Stein gemeißelt sind. Wenn die zurückgekehrten Wölfe einige Jahre oder Jahrzehnte die Erfahrung machen, dass die Menschen leckere Tiere halten, diese aber nur mit unzureichenden Mitteln (hier bei uns haben einzelne Wölfe schon gelernt, "wolfssichere" Zäune zu überwinden!) schützen und selbst nur mit den Armen fuchteln können, wenn man sie angreift...

Wir müssen mit diesem faszinierenden Wildtier zu einem Miteinander kommen, aber das funktioniert nur, wenn wir ihnen klar machen, dass bestimmte Bereiche für sie tabu sind.


Huhn617 
Fragesteller
 01.05.2024, 12:03

Danke dir!
Deine Antwort ist mal wieder die beste!

Ich seh das genauso!
Danke dir!

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Pomophilus  01.05.2024, 20:39

🌟Und jetzt vielen Dank an dich!

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Der Mensch betreibt seit mindestens 10000 Jahren Weidewirtschaft. 9950 Jahre davon war auch in Mitteleuropa der Wolf allgegenwärtig. Die Menschheit hatte gelernt, ihre Weidetiere effektiv zu schützen. Nur 50 Jahre ohne Wolf haben gereicht, alles wieder zu vergessen.

Für Jahrtausende war es üblich, dass die meisten Einwohner jedes Dorfs eine jeweils sehr geringe Anzahl Schafe oder Ziegen besaßen. Diese Tiere wurden in einer großen Herde zusammengefasst und von einem Hirten betreut. Jeder, der Tiere in der Herde hatte, trug seinen Teil zur Bezahlung des Hirten bei. Heute glauben vor allem Nebenerwerbs- und Hobbyhalter, es ginge ohne Herdenschutz und in ungeschützten Kleingruppen. Geht aber nicht. Ging noch nie. Dem Wolf die Schuld an den Folgen völliger Ignoranz gegenüber den Lehren aus tausenden Jahren Weidetierhaltung zu geben, ist mehr als nur dumm.

Dazu kommt noch eine weitere Dummheit: Wolfshasser drängen darauf, die Wolfsbestände gering zu halten. Sie bringen die Wölfe dadurch in eine ungünstige Lage und verursachen den eigentlich vermeidbaren Verlust von Weidetieren. Starke Rudel sind frei in der Beutewahl, sie können sogar Wildschweine erlegen und sind dadurch ganzjährig fähig, sich ihrem Instinkt entsprechend weit entfernt von Menschen und Nutztieren aufzuhalten. Kleine Rudel oder Einzeltiere sind auf einfachere Beute angewiesen und haben entgegen ihrer natürlichen Instinkte keine andere Wahl, als sich Menschen und ihren Nutztieren zu nähern.


Huhn617 
Fragesteller
 30.04.2024, 17:15

Nein.

Der Wolf wurde schon immer bejagt.
Aber jetzt heißt es von Leuten in Großstädten: „Der Arme Wolf“

Nein. Der Wolf sollte bejagt werden. In den Alpen arbeite ich als Hirte. Du bist aber nunmal nicht die vollen 24 Stunden beim Vieh.

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eieiei2  30.04.2024, 18:33
@Huhn617

Doch. Trotz Bejagung war der Wolf allgegenwärtig. Immer, bis auf die letzten 50 Jahre.

Bejagung ist bei der heutigen Population kontraproduktiv, weil sie die Bildung starker Rudel verhindert und zu noch mehr Einzeltieren führt, die auf leichte Beute angewiesen sind.

Wenn die Herde nicht ununterbrochen geschützt wird, ist es einfach ein Haltungsfehler der den Wolfsangriff ermöglicht. Früher wurden Herden 24/7 geschützt und jeder wusste, dass das normal und unvermeidlich ist. Da müssen wir wieder hin.

Von politischer Seite muss auf eine Veränderung der Marktsituation hingearbeitet werden, um den Herdenschutz wieder finanzierbar zu machen. Wir haben heute ein äußerst ungesundes Missverhältnis aus minimalen Gewinnen auf Erzeugerseite, geringfügig weniger schlechten Gewinnen auf Verarbeiterseite und gewaltiger Gewinnabschöpfung im Handel. Das wird auf Dauer zum Kollaps führen, wenn nicht wirksam gegengesteuert wird.

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Huhn617 
Fragesteller
 30.04.2024, 18:36
@eieiei2

Das stimmt nicht. Bei uns kommen ebenso Starke Rudel zum Vieh (du hast natürlich trotzdem Recht mit den Einzeltieren).

Aber wer hat Zeit die Herde 24/7 zu schützen?
Das bekommen nicht mal Wanderhirten hin.

Meine Lösung wäre der Abschuss von Einzelnen Wölfen (nach vermehrtem Vieh riss) und bei Wölfen mit Verhaltensstörungen.

Die kommenden Jahre werden uns zeigen was richtig und was falsch ist.

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eieiei2  30.04.2024, 21:09
@Huhn617

Wer keine Zeit hat sich um sein Vieh zu kümmern, dem gehört keins. 10000 Jahre lang wurden Herden 24/7 geschützt. Unter Bedingungen die sehr sehr viel herausfordernder waren als heute. Es war immer NORMAL, Herden ununterbrochen zu schützen. Jetzt plötzlich soll es nicht mehr normal sein. Das ist lächerlich.

Es verschwinden immer wieder Wölfe spurlos, unauffindbar trotz des mit großem Aufwand betriebenen Monitorings. Illegal geschossen und verscharrt. Gleichzeitig gelingt es regelmäßig, Wölfe binnen weniger Tage zu finden, die angeblich oder tatsächlich Weidetiere getötet haben. Der Beweis, dass Monitoring funktioniert und spurlos verschwundene Tiere tot sind. So lange das illegale Töten nicht vollständig aufhört bin ich radikal und ohne die geringste Kompromissbereitschaft gegen JEDE Legalisierung der Wolfsjagd.

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BerndBauer3  01.05.2024, 05:36
@eieiei2

Man hat die Herden immer bewacht, unter Bedingungen, die viel herausfordernder waren?

Das kann sein. Aber die Zeiten sind anders. Damals gab es auch keine Heizungen, kein fließendes Wasser, keine Autos, Flugzeuge, kaum medizinische Versorgung. Darauf wollen wir ja auch nicht freiwillig verzichten.

Vor 100 Jahren lebten nur ein viertel der heutigen Bevölkerung auf der Erde.

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Huhn617 
Fragesteller
 01.05.2024, 09:11
@eieiei2

Du warst auch früher nicht 24/7 beim Vieh. Ich stamm aus einer Familie die schon immer Landwirte/Hirten hervorbringt.
Du kannst 24/7 nicht beim Vieh sein.
Ich selbst Schlafe immer wieder im Sommer mit den Schafen auf der Alm.
Aber das ändert nichts.
Der Wolf wird Vieh reißen. Ob als Großes Rudel oder als einzel Tiere.

Der Wolf wurde ebenso immer bejagt.

Nur jetzt dürfen wohl auch Leute aus Berlin entscheiden, was wo passiert.

Und das ist schwachsinn.

Ich verlang keinen Maßenabschuss.
Aber Reißende Wölfe? Ist das zuviel?

Wenn ich mich recht entsinne, ist bei einem naheliegendem Schäfer, der davor im Jahr 9% Verlust hatte, die Verlustzahl auf 12-13% gestiegen.

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Cool, ein Wolf. Würde ich gern mal in der Natur sehen und fotografieren. Die Nutztiere interessieren mich wenig. Gibt doch soweit ich weiss sogar Entschädigung. Das denk ich.


NoLies  30.04.2024, 16:05

Klar, Bauer lässt extra seine Schafe reißen, gibt ja so toll Entschädigung. Das ist sehr lineares Denken. Dass das Schaf weitaus mehr lebendig eingebracht hätte, als irgendeine Einmalige Entschädigung scheint dir nicht bewusst zu sein.

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