Wie würden Sie es deuten: Die Leistungen von XY waren in jeder Hinsicht stets voll zufriedenstellend und erfüllten jederzeit die hohe Anforderungen?

5 Antworten

In Anbetracht der Tatsache, dass "versteckte Formulierungen" in Zeugnissen längst verboten sind und damit ihre Existenz eher ein urbaner Mythos ist, würde ich es gelassener sehen.

Schon seinerzeit (70'er bis 90'er, die Hoch-Zeiten dieses Mythos) konnte sich NIEMAND darauf verlassen, dass eine Formulierung wie z.B. "zufriedenstellend" auch tatsächlich diesen nicht ausgesprochenen Vorwurf eines "und kein bisschen mehr" meinte. Deutlicher waren dann schon so Wortwahlen wie: "er war redlich bemüht" und selbst dort, darf es noch immer sein, dass sich 90% davon nicht mal annähernd so negativ ausdrücken wollten.

Die "gestaksten und verklausulierten" Formulierungen ist eher etwas für Sprachwissenschaftler und Deutsch-Wort-Akrobaten und selbst hier nie garantiert, dass es der gleiche Nenner wäre, auf dem man verklausuliert.

Wohl gar keine Frage: suche dir eines dieser tausenden Interpretationsbücher und achte darauf, dass dein "zufriedenstellend" darin möglichst schlecht interpretiert wird und schon könntest du gute Karten haben eine Nachbesserung einzufordern - nötigen Falles auch einzuklagen.

Aber ob es dass dann auch wert wird?! Na, ich weiß nicht.

Eigentlich geht es um den Gesamttext und der gemeinsame Nenner, den man allen Formulierungen entnehmen kann. Ich für meinen Teil lese in deinem Beispiel erst mal nichts anderes, als dass der letzte Arbeitgeber bekommen hat, was er erwarten durfte und das ist Heutzutage schon eine ganze Menge mehr, als manch anderer vorweisen kann - also ein Punkt der deutlich für dich spricht.
Klar, entscheiden musst du selber. Genauso, wie du damit leben und arbeiten musst. Aber wer dir aufgrund vermeintlich, versteckter Texte eine Chance verwehrt, sollte sich auch für dich disqualifiziert haben. Davon abgesehen, dass ich (als Personal-Entscheider) nichts negatives daran entdecken kann - außer einem neuen Opfer, dass dieser Unterstellungswut irgendwelcher Deutschlehrer und Sprachforscher mit seiner Unsicherheit zum Opfer wurde (und mehr war das in meinen Augen nie gewesen).

Mit einer bissl wachen Art, einem freundlichen Gegenübertreten und einem bestimmten Auftreten, dass auch zeigt, dass du anpacken willst, kannst du sowieso den Faden fest in deiner Hand halten - egal welches Buch zu diesem Thema dein Gegenüber gelesen haben mag und woran er sich dann stören würde.
Dir viel Erfolg und alles Gute ...


arb3it 
Fragesteller
 02.10.2015, 11:56

Hallo freuter und vielen Dank für Deine tolle Antwort. Ja, ich verstehe, man sollte sich nicht da so tief reinwickeln und am wichtigsten wird dann, so wie Du es beschreibst, wie ich dann mich im Bewerbungsgesprächen zeige usw..Ich wusste ehrlich über diese "Geheimsprache" bis vorgestern gar nicht, in dem Land, wo ich meinen letzten Job hatte, da gibt’s sowas gar nicht. Nach 10 Jahren Job in Deutschland habe ich dann das Arbeitszeugnis bekommen. Nach meiner Analyse und Gesamteindruck kam raus, dass ich eine gute, aber auch nicht die beste Mitarbeiterin war. OK, damit kann ich leben. Nur ich wollte solche "zweideutige" Sätze meiden. Aber wenn Du als Experte sagst, der Satz ist völlig in Ordnung, dann werde ich es so lassen und meinem Chef mein OK geben, es kann so raus. Danke schön und noch einen wunderschönen Tag :)

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freuter  02.10.2015, 12:51
@arb3it

Um das nochmal deutlich zu machen: ich persönlich, halte es für überwertet und mein Rat an dich war den Aufwand abzuwägen. Solltest du ein gutes Verhältnis haben und dein alter Boss quasi nur auf das Go, oder konstruktive Wünsche warten - dann nutze die Chance und erkläre ihm, dass man in Deutschland sich am "zufriedenstellen" stoßen könnte. Ein ...

"Wir waren in diesen X Jahren stets mit der Leistung und dem Engagement unserer Mitarbeiterin zufrieden."

... klingt schon "verbindlicher" und wozu riskieren, dass es jemand anders sehen könnte als "der Reuter", wenn doch schon ein weiterer Kommentar zumindest darüber stolperte.

Ich halte diese Verklausulierungen für einen brandgefährlichen Irrglauben und habe selber schon viel zu oft erlebt, dass dies dann gar nicht so gemeint waren - glaubhaft.

Ich würde deswegen keinen Ärger vom Zaun brechen. Ich würde deswegen nicht mal meinen "sauberen Abgang" riskieren. Aber das wäre dann eben meine Entscheidung und die eher vor dem Hintergrund drohender Auseinandersetzungen oder gerichtlicher Klärung. Letztere wären es mir nicht wert.

Doch wie gesagt: wenn es problemlos möglich ist, dann verschaffe dir durchaus einen "glatteren, risikoloseren Text" an dem niemand stolpern kann. Schließlich sind wir alle nur Menschen und der nächste Personalchef muss nur wenige Stunden vorher eine seiner Entscheidungen bereut haben (und das kennen wir alle - Moment der Unsicherheit, des größeren Misstrauens als sonst) und schon strauchelt auch er an einem solchen "Stolperstein".

... und wenn man die (sorglos, klaglos) vermeiden kann - just do it. Mein Abraten bezog sich auf problematischere Fälle.

Letzten Endes wirst DU damit leben müssen und genau deswegen meinte ich eher ein Abwägen des Aufwandes, als ein grundsätzliches abraten.
Verzeihung. Aber ich hielt das dann doch für zu wichtig,
um es nicht doch noch mal klar zu stellen.

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arb3it 
Fragesteller
 02.10.2015, 13:12
@freuter

Vielen Dank für die Ergänzungen. Tatsächlich wartet mein Ex-Chef auf ein GO und ja, wäre wirklich gut, wenn ich es nutzen würde. Ich habe das ganze Zeugnis ohne Tätigkeitsbeschreigung reinkopiert. So kannst Du Dir vielleicht einen besseren gesamt Bild machen. Vielen Dank für Deine wertvolle Meinung.

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Der Satz für sich genommen (abgesehen davon, dass es "hohen" heißen muss) deutet auf eine "gute" Beurteilung hin, in Schulnoten also eine "2".

Allerdings kann man einen einzelnen, aus dem Zusammenhang gerissenen Satz nicht beurteilen. Wenn du also halbwegs seriöse Antworten haben willst, solltest du das Zeugnis vollständig (aber anonymisiert) hier einstellen.


arb3it 
Fragesteller
 02.10.2015, 13:04

Vielen Dank Mario für die schnelle Antwort, werde ich machen, das anonymisierte AZ wird sofort hier erscheinen.

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Gut (Note 2)•Ihre Leistungen waren „sehr gut“ oder „stets gut“•Sie haben „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ oder „zu unserer vollsten Zufriedenheit gearbeitet“, aber halt nicht stets.•Ihr Chef ist mit Ihren Leistungen „voll und ganz zufrieden"


arb3it 
Fragesteller
 02.10.2015, 11:57

Vielen Dank für die tollen Tipps! Einen schönen sonnigen Tag noch :)

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Das ist eine 2-3 in Schulnoten, Knackpunkt sind "zufriedenstellend" und "hohe" Anforderungen

"stets voll zufriedenstellend" ist aber eine gute bis sehr gute Beurteilung.


arb3it 
Fragesteller
 02.10.2015, 11:30

Vielen Dank für die schnelle Antwort Felix! OK, dann soll ich es einfach so lassen? Weil überall lese ich immer über "stets voll zufrieden" und kaum finde ich etwas über zufriedenstellend. Deutsch ist nicht meine Muttersprache und ich erkenne deswegen diese winzige Unterschiede nicht :(

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