Wie schaffen Gene, schafft die DNA es, komplexe (Hirn-)Strukturen zu übertragen?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Man muss klar sagen, dass wir das Zusammenspiel von Genen, Nervenzellen und Verhalten noch nicht vollständig erklären können, wir kennen aber die grundlegenden Prinzipien.

Klar ist , dass Gene nicht direkt das Verhalten steuern und auch nicht im Detail die Verschaltung von einzelnen Nervenzellen festlegen. Gene sind lediglich die Bauanleitungen für die Proteine, die in diesen Prozessen eine Rolle spielen. Bei ihrem Wachstum während der Embryonalentwicklung orientieren sich Nervenzellen an attraktiven bzw. repulsiven Signalstoffen, die von anderen Zellen abgegeben werden, dadurch wird letztendlich bestimmt, zwischen welchen Nervenzellen sich Synapsen bilden.

Neuronale Schaltkreise bestehen aus afferenten Neuronen, die Informationen von Sinnesrezeptoren ins Nervensystem tragen, und efferenten Neuronen, die die Aktivität von Drüsen oder Muskeln steuern. Ein einfacher Reflex kann bereits durch einen Schaltkreis aus zwei Neuronen ausgelöst werden, komplexere Verhaltensweisen benötigen noch Netzwerke aus zwischengeschalteten Neuronen, um viele Informationen integrieren zu können und z.B. verschiedene Muskeln koordiniert zu bewegen.

Spinnen orientieren sich beim Bau ihrer Netze nicht optisch und haben auch kein geistiges Abbild des fertigen Netzes, sondern führen in mehreren Phasen bestimmte stereotype Bewegungen immer wieder aus, wobei sie ihren eigenen Körper als Abstandsmesser verwenden.

Das Verhalten beeinflusst nicht die Gene, sondern andersherum. Gene verändern sich zufällig, was letztendlich Auswirkungen auf das Verhalten hat. Je nachdem, ob das veränderte Verhalten vorteilhaft oder nachteilig ist, können Individuen ihr Erbgut besser oder schlechter verbreiten. Um die Evolution von Spinnennetzen nachzuvollziehen, braucht man einen vergleichenden Ansatz, denn die ursprünglichen Vertreter bauen keine Radnetze, sondern viel einfachere und weniger regelmäßige Strukturen aus ihren Spinnfäden.

Dazu sind - mal genau genommen - immense Fähigkeiten vonnöten, das Zurechtfinden im Raum, die richtigen Ansatzpunkte für das Netz finden usw.

Nö, eigentlich muss die Spinne kein Genie sein, um ein Netz zu konstruieren. Ja, sie muss gut sehen können. Kann sie auch, schließlich hat sie acht Augen. Aber sie muss weder Ahnung von Geometrie, noch von Statik haben. Sie folgt einfach einem Programm, das sich evolutionär bewährt hat. Und das auch in immer gleicher Weise.

Muss es nicht auch so sein, dass - vereinfacht dargestellt - eine Spinne mit ihrem bisherigen Wissen (ok, ungerne auch Instinkt genannt) dazu lernen kann, indem sie - wie auch immer erworben (auch zufällig) - etwas besser macht als ihre Vorfahren?

Natürlich ist das möglich, in einem begrenzten Umfang sind alle Tiere lernfähig. Nicht nature or nurture, sondern nature and nurture muss es daher folgerichtig heißen. Der Mensch ist da keine Ausnahme. Auch jedes menschliche Verhalten ist teils genetisch programmiert (instinktgesteuert), teils durch die Umwelt bedingt (erlernt). Mal überwiegt das eine, mal das andere, aber keine Tierart ist nur instinktgesteuert oder völlig frei von Instinkten.

Und wird dieses neue Wissen sich nicht irgendwie auf die Gene für die Nachkommenschaft übertragen?

Nein. Gelerntes Wissen ist ja nicht in den Genen eingeprägt. Ja, Gene verändern sich, auch Verhaltensgene. Das passiert aber zufällig und nicht gezielt durch Lernen. Gelerntes Wissen kann ausschließlich kulturell weitergegeben werden, durch Nachahmung oder durch Lehren. Es gibt dafür im Tierreich viele Beispiele. Bei Schimpansen werden z. B. Werkzeuggebrauch und -herstellung kulturell tradiert. Bei Buckelwalen werden die Paarungsgesänge erlernt und von Generation zu Generation weiter gegeben. Auch Wirbellose sind lernfähig - Bienen können z. B. mit dem Schwänzeltanz wichtige Informationen übermitteln, z. B. wo es gute Nektarquellen gibt.

Spinnen sind aber keine sozialen Tiere. Sie sind Einzelgänger und zwar von Beginn an. Es gibt niemanden, von dem sie etwas nachahmen könnten oder dem sie etwas beibringen können. Alles, was Spinnen im Lauf ihres Lebens lernen, beruht daher auf eigenen Erfahrungen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
CatsEyes 
Fragesteller
 05.10.2022, 18:46

<<< Spinnen sind aber keine sozialen Tiere. Sie sind Einzelgänger und zwar von Beginn an. Es gibt niemanden, von dem sie etwas nachahmen könnten oder dem sie etwas beibringen können. Alles, was Spinnen im Lauf ihres Lebens lernen, beruht daher auf eigenen Erfahrungen. >>> Wie können sie Erfahrung haben von etwas, was sie nie selber getan haben!? So gesehen muss jede Spinne neu lernen, wie sie ihr Netz baut? Und trotzdem kommt immer Ähnliches dabei heraus...

<<< Sie folgt einfach einem Programm, das sich evolutionär bewährt hat. Und das auch in immer gleicher Weise. >>> Und wer hat das Programm "geschrieben", wie kommt sie zu dem "script", zu den dazu nötigen Verknüpfungen in ihrem "Hirn", ihren Nervengeflechten? Diese Frage bleibt hier leider unbeantwortet, scheint auch derzeit nicht zu beantworten sein.

Bei allem Respekt vor Deinem Wissen, Deiner an sich guten Antwort, ist sie m. E. nicht konsequent und nicht zu Ende gedacht. Aber ich habe auch sonst nirgends was gefunden zu der Frage, insofern... ;--)

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Darwinist  06.10.2022, 07:43
@CatsEyes
Wie können sie Erfahrung haben von etwas, was sie nie selber getan haben!?

Weil das weitgehend Instinktverhalten ist, also angeboren. So wie du auch weißt wie man atmet, wenn du auf die Welt kommst.

Und wer hat das Programm "geschrieben"

Niemand.

wie kommt sie zu dem "script", zu den dazu nötigen Verknüpfungen in ihrem "Hirn", ihren Nervengeflechten?

Durch Evolution, also schrittweise Veränderung.

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CatsEyes 
Fragesteller
 06.10.2022, 11:02
@Darwinist

<<< Weil das weitgehend Instinktverhalten ist, also angeboren. So wie du auch weißt wie man atmet, wenn du auf die Welt kommst. >>>

Ok, aber wie funktioniert der "Mechanismus", dass per Gene, DNA immer wieder auch dieselben Nervenverknüpfungen "gebaut" werden? Was ja Bestandteil meiner Frage war.

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CatsEyes 
Fragesteller
 06.10.2022, 11:16
@Darwinist

<<< So wie du auch weißt wie man atmet, wenn du auf die Welt kommst. >>>

Das bedarf doch aber auch einer komplexen Nervenstruktur, wie immer das "in mich" gekommen ist...

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Darwinist  06.10.2022, 11:21
@CatsEyes

Gar nicht. Die DNA ist keine Bauanleitung für ein Lebewesen. Die DNA ist eher mit einem Computerprogramm vergleichbar, das eine Reihe allgemeiner Anweisungen gibt. Die Zellen halten sich an diese Regeln und formen dabei durch Selbstorganisation den fertigen Organismus. Das ist wirklich kein Hexenwerk und hat bei dir und mir ja auch funktioniert, schließlich entstanden wir aus einer einzigen Zelle.

Ein Beispiel für Selbstorganisation: Bist du mit der Proteinbiosynthese einigermaßen vertraut? In der Proteinbiosynthese wird die in der DNA gespeicherte Information zunächst auf eine mRNA umgeschrieben (transkribiert) und dann am Ribosom in die Aminosäurensequenz des zu bildenden Proteins übersetzt (translatiert). Wichtig zu wissen: die DNA codiert nur die Aminosäurensequenz, also die Reihenfolge der aufeinander folgenden Aminosäuren des späteren Proteins. Die DNA enthält keine weitere Information darüber, wie das fertige Protein aussehen soll. Alles, was die DNA codiert, ist also eine lineare Kette aneinandergereihter Aminosäuren. Ein Protein ist aber eine räumliche Struktur. Die Kette muss sich an genau den richtigen Stellen verbiegen und falten, damit aus ihr ein funktionsfähiges Protein wird. Nun kommt der Clou: niemand sagt der Kette, wie sie sich falten muss (die DNA enthält diese Info wie gesagt gar nicht), sie tut es von ganz allein aufgrund der zwischen den Aminosäuren wechselwirkenden Kräfte (z. B. Wasserstoffbrücken, Schwefelbrücken, die van der Waals-Kräfte oder polare Ladungen).

Selbst unbelebte Materie bildet komplexe Strukturen allein durch Selbstorganisation. Eiskristalle sind immer sechseckig, sie bilden sich trotzdem von allein, ohne dass das Wasser "weiß", dass es sechseckige Kristalle bilden muss.

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CatsEyes 
Fragesteller
 06.10.2022, 11:25
@Darwinist

<<< Selbst unbelebte Materie bildet komplexe Strukturen allein durch Selbstorganisation. >>> Das reicht aber bei Weitem nicht an die Komplexität eines Nervengeflechtes heran... und die Selbstorganisation von Eiskristallen etwa ist physikalisch erklärbar, man kann es auch gut simulieren.

Aber bei Nervengeflechten, die zu "angeborenen Fähigkeiten" führen, ist das doch völlig anders, da gibt es keinerlei Hinweise, Erklärungen im Detail. Darauf zielt meine Frage u. A. ab, nach meiner Kenntnis kann man dies noch nicht erklären - oder?

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Darwinist  06.10.2022, 13:06
@CatsEyes
Aber bei Nervengeflechten, die zu "angeborenen Fähigkeiten" führen, ist das doch völlig anders, da gibt es keinerlei Hinweise, Erklärungen im Detail.

Doch, selbstverständlich gibt es Erklärungen dazu. Auch hier ist es das gleiche Prinzip wie bei den Eiskristallen. Es ist Selbstorganisation, wie am Beispiel der Proteibfaltung beschrieben.

Es gibt dazu auch etliche Computersimulationen mit "virtuellen" Zellen, die belegen, dass Selbstorganisation sehr wohl komplexe biologische Strukturen hervorbringt.

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CatsEyes 
Fragesteller
 06.10.2022, 14:16
@Darwinist

Das belegt, dokumentiert zu sehen würde mich sehr erfreuen! Vor Allem, wie das bei "großen Zellhaufen", insbesondere Nervenzellen samt deren Verbindungen funktioniert.

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Darwinist  06.10.2022, 14:30
@CatsEyes

Schau dir z. B. einmal ein paar Paper zu Caenorhabdites elegans an. Aufgrund der Zellkonstanz und der vergleichsweise geringen Zellzahl weiß man über die Entwicklung jeder einzelnen Zelle genauestens Bescheid.

Einige Ergebnisse zu Computersimulationen findet man in den beiden Büchern "Die Schöpfungslüge" sowie "Atheismus für Anfänger" von Richard Dawkins. Letzteres ist für Jugendliche geschrieben und deshalb besonders leicht verständlich, geht dafür aber weniger in die Tiefe.

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CatsEyes 
Fragesteller
 06.10.2022, 15:07
@Darwinist

Jugendlich - hihi - nun, ich schon seit 60 Jahren jugendlich! ;--) Werd's mir mal anschauen.

Ich weiß ja, meine Frage ist "etwas" autosuggestiv, aber dennoch eine Frage.

<<< weiß man über die Entwicklung jeder einzelnen Zelle genauestens Bescheid. >>> auch, was Verbindungen wie Synapsen usw. angeht?

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