Wie erklärt man die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung bei einer Spule im Wechselstromkreis richtig?

5 Antworten

Stelle dir die Spule wie ein Schwungrad vor, die Induktivität ist die Masse. Der Strom ist die Geschwindigkeit und das Drehmoment die Spannung.

Durch die Trägheit möchte das Schwungrad seine aktuelle Geschwindigkeit behalten, genauso möchte die Spule auch ihren Stromfluss behalten. Die Energie dafür liegt im Magnetfeld.

Im Grunde will mir die Formel vermitteln, dass hier der Strom kausal für die Spannung über der Spule verantwortlich ist, was in meinen Augen auch mehr Sinn macht.

Nicht der Strom an sich ist kausal für die Spannung, sondern die Änderung des Stromes - sie erzeugt die Induktionsspannung. Ansonsten stimme ich deiner ersten Erklärung zu.

Die zweite Erklärung ist von rein qualitativer Natur und sieht die Induktionsspannung kausal für den Strom durch die Spule, viele sagen ja auch "der Strom läuft der Spannung voraus". Es läge ja daran, dass eine Spule grundsätzlich träge sein und erst später Strom fließen kann, wenn Spannung da ist.

Deine zweite Erklärung bezieht sich auf einen anderen Betrachtungspunkt: Nämlich die Spannungen. In einem Stromkreis, wo die Spannung gegeben ist und du eine Spule (z.B. mit Reihenwiderstand) hast, geht es nun darum, den Strom zu berechnen. Durch das Spulen-Verhalten entsteht dabei eine Differenzialgleichung. Die Lösung ist dann das beobachtbare Verhalten.

Auch kann man doch nicht auf den Strom verzichten, denn es ist ja der Strom, der durch das sich aufbauende Magnetfeld gedrosselt wird und damit den Strom sozusagen verzögert.

Genau das ist Teil der Differenzialgleichung. Das ist bei einer Anordnung aus Gleichspannung, Spule und Widerstand gut zu sehen:

  Lösung der Differenzialgleichung ergibt:




kmkcl  03.02.2024, 14:01

PS:Natürlich ist: UL=-L*di/dt
Für eine Anordnung ohne Widerstand gilt:

U0 = UL = -L * di/dt

Aus dem Lösen der (vereinfahten) Differenzial-Gleichung kannst du den Strom in Abhängigkeit der Spannung bestimmen.

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paprikaw22  03.02.2024, 14:17
@kmkcl

Mit dem Minus bin ich nicht einverstanden: Wenn man die Zählpfeile von U0 und UL in die selbe Richtung zeigen lässt, z.B. von oben nach unten, dann gillt der Zusammenhang mit dem Minus nur, wenn man den Strom von unten nach oben positiv zählt. Kann man machen, ist aber eher unüblich für einen Verbraucher. Die Gleichung wäre dann aber

i(t) = -U0/R*(1-exp(...))

Was du in deiner Atwort geschrieben hast ist komplett OK - da braucht man kein Minus.

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LG H.

 - (Physik, Spule, Wechselstrom)

Letztlich sind es die Maxwell-Gleichungen, die das Verhalten von Spulen, Kondensatoren etc. bestimmen. (Widerstände spielen insofern eine Sonderrolle, als sie dem elektromagnetischen Feld Energie entnehmen und in Wärme umwandeln, ein Vorgang, der außerhalb der Elektrodynamik liegt.)

Die Maxwell-Gleichungen kann man so verstehen, dass die Änderung eines magnetischen Feldes ein elektrisches Feld verursacht und die Änderung eines elektrischen Feldes ein magnetisches Feld verursacht. Auf die Spule übertragen bedeutet dies, dass erst beide Kausalitäten zusammen den Effekt korrekt beschreiben.

Man kann die Maxwell-Gleichungen auch so umformen, dass sowohl das elektrische als auch das magnetische Feld von einem 4er-Feld (elektrisches Potential zusammen mit einem "Vektor-Potential") überhaupt erst erzeugt werden. Dieses 4er-Feld hat seine eigenen Bewegungsgleichungen; damit kann man die scheinbare Kausalität zwischen elektrischem und magnetischem Feld damit erklären, dass beide von demselben Grundphänomen erzeugt werden.

Letztlich beschreibt die Physik aber Zusammenhänge, und irgendwelche Kausaltiäten sind - vom Standpunkt der Physik - rein philosophische Spekulationen. (Vielleicht mit Ausnahme von Relativitätstheorie und Thermodynamik, wo es Vorwärts- und Rückwärtsrichtungen der Zeit gibt, die nicht durch eine Art von "Drehung" ineinander überführt werden können.)

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium, Hobby, gebe Nachhilfe

Die Veränderung des Stromes bewirkt ein sich veränderndes Magnetfeld in der Spule und so wird eine Spannung induziert.

Von Experte PWolff bestätigt

Die Perspektive kannst du dir aussuchen.

Denk dir als mechanischen Vergleich die Beziehung zwischen F und v bei einer beschleunigten Bewegung:



Ist es nun die Geschwindigkeitsänderung der Masse die eine Kraft bewirkt, oder die Kraft, die eine Geschwindigkeit entstehen lässt? Das ist haargenau das Selbe:

  • Einmal beobachtest du eine Kraft (Wirkung), weil du die Masse beschleunigen magst (Ursache),
  • im anderen Fall erfährt die Masse eine Geschwindigkeitsänderung (Wirkung) weil du mit einer Kraft (ursächlich) auf sie drückst.

Letztendlich zählt der Zusammenhang - was hier Ursache und Wirkung ist, ist nebensächlich.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium der Physik und Meteorologie