Wie erklärt die Evolutionsforschung fehlende Übergangsformen zwischen den Arten?

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Wie erklärt die Evolutionsforschung fehlende Übergangsformen zwischen den Arten?

Zunächst einmal stimmt es ja nicht, dass Übergangsformen, sog. Brückenorganismen, fehlen. Zumindest nicht vollständig. Es gibt zahlreiche solcher Brückenorganismen. Sowohl als "lebende Fossilien" wie z. B. die Kloakentiere (Monotremata), die einerseits ursprüngliche (plesiomorphe) Merkmale der "Reptilien"-Vorfahren, wie etwa eine Kloake, die Tatsache, dass sie Eier legen und der Bau des Schultergürtels, mit abgeleiteten (apomorphen) Merkmalen der Säuger, wie etwa Milchdrüsen, Fell und ein sekundäres Kiefergelenk, vereinen.

Außerdem gibt es auch viele fossile Brückenorganismen. Das bekannteste von ihnen, der Urvogel Archaeopteryx lithographica, wurde sogar bereits wenige Jahre nach Erscheinen der Erstveröffentlichung von Darwins On the Origin of Species (1859) im Jahr 1961 beschrieben und veranlasste Thomas Henry Huxley 1868 zu der Annahme, dass die modernen Vögel von zweibeinigen Dinosauriern abstammen - eine Theorie, die knapp 100 Jahre später durch die Entdeckung der Dinosaurierart Deinonychus wiederentdeckt wurde und heute allgemeiner Konsens ist. Auch die Evolution der Landwirbeltiere (Tetrapoda), die sich aus im Wasser lebenden fischartigen Vorfahren entwickelten, ist fossil gut dokumentiert (z. B. durch Tiktaalik oder den Fischlurch Ichthyostega). Zu den wahrscheinlich vollständigsten paläontologischen Stufenreihen gehört die Evolution der Pferde (die man allerdings nicht als eine tatsächliche Reihe, sondern, wie alle Entwicklungslinien, als sich verzweigenden Busch interpretieren muss), v. a. aber unsere eigene Stammesgeschichte, deren vergangene 7 Mio. Jahre nahezu lückenlos durch zahlreiche Brückenformen belegt ist. So gut, dass die eindeutige Zuordnung mancher Fossilien zu einer ganz bestimmten Chronospezies nicht möglich ist ("Ist das jetzt schon ein archaischer Homo sapiens oder noch ein Homo erectus?")

Dass Brückenformen fehlen, stimmt also nicht generell. Richtig ist aber, dass der Fossilienbericht sehr lückenhaft ist und für viele Evolutionslinien fossile Brückengormen fehlen. Während wir über unsere eigene Evolutionsgeschichte (s. o.) sehr viel wissen, haben wir z. B. schon über die Evolution unserer nächsten Verwandten, der Schimpansen (Pan) keine Ahnung, weil es keine Fossilien aus ihrer Stammesgeschichte gibt. Das heißt nicht, dass es diese Zwischenformen nicht gab. Es gab sie sehr wohl, nur blieben sie leider nicht fossil erhalten.

Die Bedingungen dafür, dass ein Organismus als Fossil erhalten bleibt, sind nur selten gegeben. Zum einen muss es etwas geben, das überhaupt erhalten bleiben kann, etwa ein Gehäuse aus Kalk, ein Knochenskelett oder einen Chitinpanzer. Organismen, die ausschließlich aus weichem Gewebe bestehen bleiben daher viel seltener fossil erhalten. Auch die Größe spielt eine Rolle. Große Organismen werden eher zu einem Fossil als kleine. Das wird an den Dinosauriern deutlich: obwohl viele Dinosaurier eher klein waren, werden besonders häufig sehr große Formen gefunden. Auch das Klima spielt eine Rolle. Im feucht-heißen Klima der tropischen Regenwälder ist die Aktuvität der Destruenten stark beschleunigt, die Verwesung setzt sifort ein und ist rasch abgeschlossen, sodass all die Würmer, Käfer, Pilze und Fäulnisbakterien nichts übrig lassen, was als Fossil erhalten bleiben könnte. Genau aus diesem Grund gibt es keine fossilen Schimpansenfunde, denn Schimpansen haben den tropischen Regenwald nie verlassen. Unsere Vorfahren wanderten kurz nach der Trennung von ihrem gemeinsamen Vorfahren mit den Schimpansen nach Ostafrika in die Savanne aus. Dort sind die klimatischen Bedingungen für die Erhaltung von Fossilien aufgrund der Trockenheit viel besser. Und schließlich muss ein Organismus auch sehr rasch von Sedimenten bedeckt werden, um fossil erhalten zu bleiben. Viele Fossilien stammen deshalb aus Bereichen, wo es früher einmal einen Fluss oder See gab oder eine Meereskûste. Nur so konnten die Organismen vor der Verwesung geschützt werden und schließlich mineralisieren.

In den meisten Fällen sind diese Bedingungen nicht gegeben. 99.9 % aller Lebewesen, die je gelebt haben, sind deshalb nicht zu einem Fossil geworden. Die Fossilisation ist ein so selten vorkommender Prozess, dass statistisch gesehen von den aktuell 8 Mrd. Menschen auf der Erde kein einziger auch nur teilweise einmal als Fossil erhalten bleiben wird.

Oderer sollen sich die Arten sprunghaft verändert haben?

Die generelle graduelle Entwicklung der Arten (Gradualismus) ist heute unstrittig. Die Geschwindigkeit, mit der sich Arten verändern, ist jedoch nicht immer konstant, sondern kann variieren. Allgemein akzeptiert ist heute die Ansicht eines punctuated equilibrium. Lange Phasen, in denen sich die Arten kaum verändern (Stasis) und sich quasi in einem Gleichgewichtszustand befinden, werden punktuell von Phasen unterbrochen, in denen sich die Arten sehr schnell und beinahe sprunghaft verändern und in neue Arten aufspalten. Die innerartliche Anpassung erfolgt also nur langsam, solange die Umweltbedingungen stabil sind. Morphologisch ändert sich eine Art über die Zeit deshalb nur wenig. Die ältesten Fossilien anatomisch moderner Menschen (rund 315 000 Jahre alt) etwa unterscheiden sich von Skeletten heute lebender Menschen praktisch nicht. Die Kladogenese, also die Aufspaltung einer Art in zwei neue Arten, hingegen vollzieht sich sehr schnell und scheinbar sprunghaft (aber eben nicht wirklich von einer Generation auf die andere (Saltationismus), sondern immer noch graduell, nur eben mit viel höherer Geschwindigkeit), hervorgerufen durch rasche Veränderungen der Umweltbedingungen und/oder durch die abrupte Isolation von Populationen, die vorher eine Population bildeten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Arten verändern sich nicht sprunghaft. Wohl aber gibt es schnellere und langsamere Entwicklungen.
Manche Arten sehen heute noch ihnren Vorfahnren von hunderten millionen Jahren ähnlich. Ihr Ledensraum hat sich auch nicht drastisch verändert und sie sind gut angepasst.
Auf der anderen Seite können Änderungen der Lebensweise einen ganzen Rattenschwanz an evolutionären Anpassungen nach sich ziehen. Als die Fische erstmals länger an Land bleiben konnten als ein paar Stunden in Gezeitentümpeln, ergaben sich ganz neue Selektionsbedigungen.

Außerdem ist die Bildung von Fossilien ein absoluter Ausnahmefall, 99,99.. % aller Lebewesen verwesen einfach spurlos. Zudem wandern Tiere auch, die Kontinente ebenso, und ganze Tiergruppen leben sehr lange nur auf einem Kontinent, oder in noch kleineren Räumen. Kamele haben sich z.B. in Nordamerika entwicklet, sind aber dort ausgestorben. Vorher sind sie aber nach Asien und Südamerika gewandert und haben sich dort weiterentwicklet. Ohne die Funde in Nordamerkia könnten man annehmen, dass die Kamele auch dem Nichts auftauchten.

Natürlich werden immer Lücken bleiben, um die zu füllen gibt es einfach zu wenige Fossilien. Aber keine dieser Lücken ist so riesig, dass man eine spunghafte Evolution annehmen müsste.

Die Selektion funktioniert nicht nur verändernd, sondern auch stabilisierend, je nach Situation. Ich erkläre das einmal einem stark vereinfachten Beispiel.

Sagen wir ein Tier ist so um die 30 cm groß. Es gibt in diesem modellhaften Beispiel ansonsten noch 2 Arten von Raubtieren, eines dass eine Hauptbeutespektrum von etwa 15-20 cm hat und ein Großes, das ein Beutespektrum von 40-70 cm hat. Dann werden Individuen die deutlich kleiner sind als 30 cm öfter auch einmal vom kleinen Beutegreifer erlegt und große landen auf dem Speiseplan des großen Räubers. Hier wirkt die Selektion daher stabilisierend: Die durchschnittlich großen haben einen Überlebensvorteil.

Dass ein Tier extrem viel kleiner ist als seine Artgenossen ist auch extrem selten. Sollte es in dem Fall also weniger als halb so groß sein wie normal, wird es auch der kleine Beutegreifer ignorieren (<15 cm). Wenn wir jetzt ein männliches und ein weibliches Mini-Tier haben: Wupps, hier scheint es einen Sprung gegeben zu haben. Plötzlich haben wir eine massive Änderung.

Deswegen gibt es Zeiten, an denen sich evolutionär fast nichts tut and andere Zeiten, in denen es scheinbar einen Sprung in der Evolution gab.

Um so stärker die Änderung ist um eine neue passende ökologische Nische zu erreichen (oder wenn es halt mehrere Änderungen geben muss) um so seltener wird das passieren. Aber um so mehr eine Änderung vom Schnitt eine Verschlechterung der Lebensumstände darstellt, umso weniger reichen kleine Änderungen für gute Lebensumstände.

Dieses Beispiel ist natürlich stark vereinfacht und idealisiert. Aber es erklärt glaube ich ganz anschaulich die sagenannten Evolutionssprünge.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Mutationen passieren nicht langsam, Gen für Gen, sondern sehr schnell. Es werden immer große genetische Pakete geändert. Erweist sich die Mutation als Vorteilhaft, setzt sie sich durch.

Die Forsching hat darüber noch keine endgültigen Erkenntnisse.

Bewiesen ist aber die "unnormale" Entwicklung vor der Geburt. Im Allgemeine als Missgeburten bezeichnet. Diese haben in der Regel nicht die Voraussetzungen, lange oder überhaupt zu überleben. Deshalb können sie sich auch nicht fortpflanzen. Aber es gibt sie! Warum die so anders sind ist vielleicht die Antwort auf deine Frage. Ist es ausgeschlossen, dass bestimmte Mutationen sprunghaft eben auch einen "unnormalen" aber lebensfähigen Organismus "erzeugen"?* Der dann aber einen Vorteil gegenüber bestehenden Organismen aufweist, sich besser an Bedingungen anpassen kann und diese neue Kompetenz weitervererbt.

*Ich bin kein Fachmann, denke nur nach!