Warum werden Lehrer so unterschätzt?

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Hi,

ich studiere momentan auf Lehramt und selbst von seinen Kommilitonen, die das Fach einzeln studieren, kriegt man oft zu hören du studierst ja nur Lehramt, das ist ja total einfach. Die sehen eben nur, dass man die Hälfte des Faches macht, aber nicht, dass man ebenso Praktika, ein zweites Fach sowie Erziehungswissenschaften dazu studiert und stempeln das Studium als einfach ab. Allerdings würden viele von denen vermutlich nicht mal eine Woche in meinem Studium überleben...

Und bei Schülern ist es ganz genauso. Die sehen nur, dass man vorne steht und ein bisschen redet, dass die ganzen Schulferien für die Lehrer ja auch frei sein müssen. Sie sehen nur das Resultat - nämlich, dass du da vorn stehst und den Schülern ein bisschen was von deinem Fachwissen erzählst.

Schüler haben oftmals noch nicht das Gefühl dafür, wie viel Arbeit hinter diesem Ergebnis steckt. Auch viele Erwachsene wissen das nicht und stempeln Lehrer deshalb als faule Menschen ab, die es ja so leicht haben im Berufsleben und dafür noch gut entlohnt werden. Folgende Dinge sehen sie allerdings nicht:

  • Lehrer haben nie wirklich Feierabend und nehmen ihre Arbeit mit nach Hause
  • Konzeption der Unterrichtsstunde, die oftmals ewig dauert (gerade am Anfang)
  • Telefonate mit Eltern, Kollegen etc.
  • Korrektur jeglicher Lernstandserhebungen (und man hat ja nicht nur eine Klasse, sondern gern auch mal fünf oder sechs)
  • Fachkonferenzen, Zeugniskonferenzen etc, die oftmals in den Ferien liegen
  • weiteres Organisatorisches, gerade, wenn man bspw. Fachbereitsleiter oder Oberstufenkoordinator ist
  • in der Abizeit Konzeption, Durchführung und Auswertung von Abiprüfungen
  • Fortbildungen
  • oft psychologische Stütze für Schüler mit Problemen
  • etc.

Lehrer haben also auch in den Ferien oftmals viel zu tun, nur haben viele schlichtweg keine Ahnung von diesem Beruf und so ist es leichter, Klischees und Vorurteile durch die Welt zu posaunen. Dies zeugt aber meines Erachtens von einer mangelnden Kompetenz differenzierter Betrachtung und wenn mir gegenüber solche Kommentare gebracht werden, führe ich das Gespräch gar nicht weiter. Denn solche Leute sind in der Regel unbelehrbar. Diese Menschen würden im Ref wahrscheinlich nach zwei, drei Tagen aufgeben.

Allgemein kann man also sagen: Lehrer werden so unterschätzt, weil

a) sich Leute dadurch wichtig machen wollen, da sie dadurch indirekt aussagen, dass sie es so viel schwerer hätten

b) nur das Ergebnis, aber nicht der Prozess zu diesem betrachtet wird

c) das Vermögen fehlt, Dinge differenziert zu betrachten und es einfacher ist, Klischees nachzuplaudern, als sich selbst mal mit dem Berufsbild und seinen Aufgaben zu befassen.

LG

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

AlexausBue  26.03.2019, 16:14

Schön, dass Du die unbekannten Facetten des Lehrerberufes beschreibst. Ich stimme Dir igrößtenteils zu, aber hierzu muss ich Stellung nehmen:

Lehrer haben nie wirklich Feierabend und nehmen ihre Arbeit mit nach Hause

Denkst Du, NUR Lehrer nehmen ihre Arbeit mit nach Hause? Das gibt es auch in anderen Berufen

Konzeption der Unterrichtsstunde, die oftmals ewig dauert (gerade am Anfang)

Wer Lehrer wird, sollte ja eben diese Basics mitbringen. Ein Taxifahrer, der sich im Berufsverkehr überfordert fehlt ist auch fehl am Platz. Konzeption einer Unterrichtsstunde ist Bestandteil des Lehrerjobs und sollte 1. Spaß machen und 2. eine harmlose Sache sein.

Und das Argument "gerade am Anfang": JEDER Beruf ist am Anfang anstrengend, nicht nur der des Lehrers.

Telefonate mit Eltern, Kollegen etc.

Auch in anderen Berufen wird telefoniert.

Korrektur jeglicher Lernstandserhebungen (und man hat ja nicht nur eine Klasse, sondern gern auch mal fünf oder sechs)

Und das ist wieder die Jobbeschreibung! Das ist der Lehrerberuf!

Fachkonferenzen, Zeugniskonferenzen etc,

Auch andere Berufe haben Seminare, Konferenzen, Weiterbildungen, Meetings...

die oftmals in den Ferien liegen

..und die ja zusammengerechnet 3 ganze Monate im Jahr sind. Also dafür noch zusätzliche Freizeitkompensation zu geben wäre nun wirklich zu viel

weiteres Organisatorisches, gerade, wenn man bspw. Fachbereitsleiter oder Oberstufenkoordinator ist

Niemand wird gezwungen, Karriere zu machen. Wer es tut, bekommt mehr Geld, verbessert seinen Lebenslauf und sollte bereit sein, dafür auch etwas zu tun.

in der Abizeit Konzeption, Durchführung und Auswertung von Abiprüfungen

Das ist wieder Teil des Lehrerjobs. Steht in der Stellenbeschreibung.

Fortbildungen

Wie oben geschrieben, gibt es in sehr vielen Berufen Fortbildungen

oft psychologische Stütze für Schüler mit Problemen

Dazu wird kein Lehrer gezwungen. Wer das nicht will kann den Raum wortlos verlassen.

Allgemein kann man also sagen: Lehrer werden so unterschätzt, weil
a) sich Leute dadurch wichtig machen wollen, da sie dadurch indirekt aussagen, dass sie es so viel schwerer hätten

Und Du behauptest hier, dass es Lehrer schwer haben.

b) nur das Ergebnis, aber nicht der Prozess zu diesem betrachtet wird

Das ist bei jedem Beruf exakt das Gleiche!

Oder interssiert es Dich

  • wie viele Menschen vor deinem Briefträger, den Brief in der Hand hatten?
  • wie viele Menschen an der Herstellung deines Essens beteiligt sind?
  • wie lange der Busfahrer gelernt hat und welche Weiterbildungen er macht?
  • was Dein Arzt an Papierkram erledigt, nachdem Du die Praxis verlässt?
c) das Vermögen fehlt, Dinge differenziert zu betrachten und es einfacher ist, Klischees nachzuplaudern, als sich selbst mal mit dem Berufsbild und seinen Aufgaben zu befassen.

Man muss sich nicht mit jedem Berufsbild befassen (herrje, das machst Du doch auch nicht), aber es gibt objektive Fakten und es gibt sicherlich sehr viel anstrengendere und belastendere Berufe, als den des Lehrers. Und umgekehrt.

Fazit:

  1. Du beschreibst hier das allgemeine Berufsleben und nicht explizit das Lehrerleben. Was macht den Lehrerberuf so einzigartig und welche Belastung tritt nur bei Lehrern auf? Das fehlt hier.
  2. So sehr wie einige hier Lehrer verteidigen frage ich mich, woher das kommt? Woher kommt das Bedürfnis sich daür so sehr zu rechtfertigen?
  3. Du schreibst, Du studierst auf Lehramt, gleichzeitig zählst Du hier negative Seiten des Berufs auf. Von jemandem der seinen Beruf aus Überzeugung gewählt hat und mit Leidenschaft ausübt würde ich erwarten dass er schreibt: "XYZ zu sein ist total cool und macht extrem viel Spaß, manchmal ist es anstrengend, aber meistens ist es super! Ich will nichts anderes sein"
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DieChemikerin  26.03.2019, 16:40
@AlexausBue

Danke für deine sehr ausführliche und richtige Stellungnahme, die ich komplett respektiere!

Zu einer Sache möchte ich nur noch etwas schreiben:

Von jemandem der seinen Beruf aus Überzeugung gewählt hat und mit Leidenschaft ausübt würde ich erwarten dass er schreibt: "XYZ zu sein ist total cool und macht extrem viel Spaß, manchmal ist es anstrengend, aber meistens ist es super! Ich will nichts anderes sein"

Nur, weil ich mich für den Lehrerberuf begeistern kann, heißt das nicht direkt, dass ich alle Facetten dieses Berufes gutheißen muss und kein schlechtes Wort daran lassen kann. Natürlich herrscht die allgemeine Auffassung, dass Leute, die für ein Fach oder einen Beruf brennen, alles in einem anderen Licht betrachten können. Da kann ich dir fast uneingeschränkt zustimmen. Dennoch kannst du nicht in diese Leute hineingucken, die vielleicht - auch wenn sie sich nach außen hin für den Beruf begeistern können - verzweifelt sind und mal alles etwas negativer betrachten. Ich merke das nicht nur an mir, sondern auch an Kommilitonen. Gerade in Latein und Chemie braucht man Begeisterung, weil man sonst untergeht und vermutlich schnell abbricht. Trotzdem haben wir Phasen, in denen wir verzweifelt sind und uns hinterfragen. DAS ist absolut menschlich! Menschlicher, als die ganze Zeit mit der Einstellung alles ist so toll, auch wenn es mal anstrengend ist durch die Gegend zu rennen. Das ist mE realitätsfern.

Natürlich ist der Beruf (egal welcher!), den man sich ausgesucht hat, meist schön und ich will nichts anderes sein. Das geht vielen Leuten, die ich kenne, genauso. Und es wär natürlich toll, wenn ich immer mit dieser Einstellung durch den Beruf gehen könnte. Aber es gibt in jedem Beruf Facetten, die unschön sind. Und die ich nicht nur mag, weil ich für den Beruf brenne.

Für den Beruf brennen heißt mMn, nicht alles gutzuheißen nach dem Motto zwar manchmal anstrengend, sonst perfekt (auch, wenn es die perfekte Geisteseinstellung wäre, die vieles vereinfacht!), sondern, zu lernen, die negativen Aspekte zu akzeptieren, das Beste daraus zu machen und trotzdem jeden Tag gern zur Arbeit zu gehen. Am Ende dieses Prozesses steht dein Ausspruch, aber die Meinung, diese Einstellung müsste immer herrschen, nur aufgrund von Überzeugung und Leidenschaft, kann ich so nicht unterschreiben. Sie vereinfacht den Umgang mit negativen Dingen, das heißt trotzdem nicht, dass ich die für mich zum Teil negativen Aspekte des Jobs trotzdem nicht als solche betrachten kann. Wobei natürlich auch wieder die Frage ist, weshalb du davon ausgehst, dass ich die Aspekte, die ich aufzähle, direkt als negative Aspekte des Jobs ansehe - dazu habe ich so nichts geschrieben (bzw meine Meinung ggü. den Aspekten nicht dargelegt).

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Ich bin eine Schülerin und denke nicht, dass es Lehrer einfach haben. Jedoch stimmt das mit den Ferien, Lehrer haben wie Schüler doppelt so viele Ferien wie Erwachsene mit anderen Berufen Urlaub. Natürlich müssen Lehrer auch in den Ferien z.B Arbeiten korregieren, aber ich denke sie haben trotzdem noch mehr Ferien als abdere Urlaub.


LankaDivore  20.03.2019, 21:35

Nein, wenn du nicht gerade Sport und Kunstlehrerin bist nicht.

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Ich denke, bei jedem Beruf ist es so, dass er zu jemandem passen sollte. Jeder Beruf ist nicht für jeden gemacht.

Wenn man einen Beruf hat, der einem nicht gefällt, dann ist das nicht nur für Lehrer unangenehm.

Also sollte man einen Beruf wählen, der einem Spaß macht. Wenn man keinen Spaß hat Lehrer zu sein, sollte man was anderes machen.

Wenn man sich den Beruf des Lehrers ausgesucht hat, weiß man vorher worauf man sich einlässt. Man sollte wissen, dass Teenager kompliziert sein können und einiges von einem abverlangen.

Man sollte als Lehrer Spaß daran haben mit jungen Schülern zusammen zu sein und ihnen etwas beizubringen.

Und wenn das so ist, bleibt unterm Strich dennoch eine höhere Menge an Freizeit als bei anderen Berufen. Die Schulferienzeit ist in der Regel doppelt so lange, wie die durchschnittlichen Urlaubstage in Angestelltenberufen.

Und ganz ehrlich, das Argument mit "den Unterricht vorbereiten zu müssen" beansprucht ja nicht 2 Monate pro Jahr und 4 Stunden pro Tag. Nach 10-15 Jahren Berufserfahrung kennt jeder Deutschlehrer alle Bücher In- und Auswendig, jeder Mathelehrer kann im Schlaf integrieren, jeder Französischlehrer kann Sartre beim Sport zitieren und jeder Biologielehrer kennt jeder Körperzelle einzeln. Da muss nichts mehr vorbereitet werden.

Versteh mich nicht falsch, ich habe großen Respekt vor Lehrern und könnte den Beruf nie ausüben, aber mit einigen Jahren Routine ist es ein Beruf der nun mal mehr Freizeit lässt als viele andere Berufe. Und wenn man Spaß daran hat, hat man ein schönes Leben (und wird im Alter auch noch fürstlich entlohnt).

Natürlich ist es nicht der einfachste Beruf der Welt, aber hier ein paar dumme Vorurteile als "öffentliche Meinung" hinzustellen, trägt doch nur zum Ruf der Prinzessin auf der Erbse bei.

Ich kenne zahlreiche Lehrer und weiß, dass man sich den Job durchaus so einrichten kann, wie du es beschreibst:

Unterrichte Sport und Mathematik am Kleinstadt-Gymnasium, und du hast kaum Problemschüler, nur ein Fach, in dem Arbeiten geschrieben werden (den Sport-LK überlässt du natürlich anderen, genau wie AGs oder Ausflüge und Klassenfahrten) und Mathe-Arbeiten sind einfacher und schneller erstellt und korrigiert als in anderen Fächern...

Ferien sind Ferien, und die beruflichen Fortbildungen kannst du so auswählen, dass du sie auch noch für den Tennisverein nutzen kannst, dem du deine Freizeit widmest...

Und selbstverständlich gibt es auch die andere Seite:

Grundschullehrer in sozialen Brennpunkten, die nicht nur jedes Jahr neue Lehrpläne bekommen, sondern "nebenbei" noch als Sozialarbeiter, Elternansprechpartner, Kriseninterventionsteam, Teilhabe-Organisator, Inklusions-Beauftragter, Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrer und Kulturdolmetscher tätig werden müssen. Pausenaufsicht und Teilnahme an Ausflügen nicht zu vergessen.

Hauptschullehrer, die versuchen, jeden einzelnen Schüler davor zu bewahren, sein Leben wegzuwerfen.

Vertrauenslehrer, die die Sorgen und Nöte ihrer Schüler mit nach Hause nehmen.

Rektoren, die den ganzen Betrieb "organisieren", mit Budgets und Verpflichtungen jonglieren, einspringen, wo immer es nötig ist.

Tatsache ist aber auch, dass sich viele Leute in anderen Jobs wünschen würden, ihre Arbeitszeit (nachmittags, am Wochenende, während der Ferien) so "frei" organisieren zu können, eine so sichere Position wie (verbeamtete!!) Lehrer zu haben und so fantastische Altersbezüge.

Nur weil der Beruf von vielen unterschätzt wird, sollte man ihm seine Vorteile nicht pauschal absprechen...


DieChemikerin  20.03.2019, 15:50

Sport- und Mathelehrer wird man nicht mal eben so. Nur als kleine Randbemerkung...

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AlexausBue  26.03.2019, 16:20

Sehr gut geschrieben und merkwürdigerweise kaum bewertet.

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Wegen den angeblichen Ferien, angeblich ist man ja auch immer ab mittags daheim und hat dann frei, und Unterricht planen muss man ja eh nur einmal und macht dasselbe dann immer wieder....

Das sind zumindest solche Sachen, die ich mir als Referendarin anhören darf, wenn ich bloß auch nur den Ansatz eines "Ich-bin-müde-Jammerns" von mir gebe..(bei manchen Leuten reicht auch ein Seufzen).

Das ich momentan fast täglich noch bis 19-20 Uhr am Arbeiten bin, will dann aber auch keiner wissen. Dann bekomme ich den tollen Satz zu hören :"Dann machst du was falsch, andere Lehrer machen das ja auch nicht" Wohlgemerkt kommt sowas natürlich immer von Leuten fernab jeglicher sozialer Berufe.

Ich Habs für mich aufgegeben....


Arethusa1 
Fragesteller
 19.03.2019, 22:48

Ich finds schade. Der Beruf verdient mehr Achtung.

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DODOsBACK  20.03.2019, 15:26

Was mir schon in meiner Schulzeit auffiel: die "Vollblutlehrer", die viel Zeit, Mühe und Engagement investiert haben, waren meist ziemlich zufrieden mit ihrem Job und fühlten sich keineswegs "unterschätzt". Diejenigen, die "nur" Dienst nach Vorschrift gemacht haben, waren dagegen ständig am Jammern.

Ich finde es toll, dass du dich so engagierst. Als Referendarin stehst du gerade ganz am Anfang, da muss man in jedem "verantwortungsvollen" Job noch sehr viel lernen und sich erarbeiten. Es wird weniger/ einfacher, höchstwahrscheinlich auch in deinem Beruf!

Versuche, ein bisschen mehr Selbstvertrauen aufzubauen und dich nicht gleich persönlich angegriffen zu fühlen, wenn andere nicht in dein "Ich-bin--müde-Jammern" mit einstimmen wollen. Keiner mag "Jammerlappen", vielleicht liegt es eher daran als an deinem Beruf...

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