Warum machen Protestanten eigentlich kein Kreuzzeichen?

23 Antworten

Erst mal ne Unterscheidung

Als ich mal meinte, der Pfarrer hätte sich in einem (lutherischen) Gottesdienst "bekreuzigt", wurde ich belehrt, dass er sich nicht bekreuzigt hat, sondern ein Kreuzzeichen gemacht hat.

Ich bin mir nicht sicher, wie viele der Leute, die bisher geantwortet haben, diesen Unterschied kennen, und ob du ihn kennst.

Bekreuzigen

Eine kreuzförmige Handbewegung (Berühren beider Brustwarzen, Stirn und Bauchnabel), die von Katholiken oft gemacht wird, um sich vor dem Bösen zu schützen (ist das eigentlich gut katholisch, oder ein nicht wirklich katholischer Aberglaube?). So was wird aus evangelischer Sicht als magisch angesehen, und entsprechend vermieden. Und ja: ich weiß, dass Luther auch eine abergläubische Seite hatte (u.a. glaubte er allen Ernstes, dass der Teufel durch Fürze vertrieben werden könnte), aber Luther ist aus evangelischer Sicht eben nicht unfehlbar.

Es wird auch nicht dadurch besser, dass es im Buddhismus eine Bewegung gibt, die äußerlich betrachtet dem ähnelt: da werden (z.T. symbolisch) alle Körperöffnungen berührt: Linke und rechte Brustwarze (oder wars umgekehrt?), Augen, (Ohren angedeutet durch Spreizen der Finger), Nase, Mund, und schließlich der Bauchnabel als Symbol für die Körperöffnungen, die ein anständiger Mensch besser nicht öffentlich berührt ;)

Kreuzzeichen

Ein Zeichen, das zuweilen benutzt wird, um eine Segnung zu bekräftigen: der Segnende malt mit der Hand ein Kreuz in die Luft. Wird von den meisten evangelischen Christen nicht so verstanden, dass der zum Segnen nötig ist, und viele protestantische Kirchen lassen den Pfarrer auch lieber Haltungen einnehmen, die in der Bibel bezeugt sind: "Handauflegen" oder erhobene Hände. Aber es gibt eben evangelische Kirchen (z.B. die hannoversche Landeskirche), bei denen das Kreuzzeichen am Ende des Gottesdienst üblich ist

Ergänzungen und Korrekturen (falls nötig) willkommen.

Hallo,

Ich mache es deshalb nicht, weil ich nicht an den gekreuzigten Jesus glaube, sondern weil ich dem auferstandenen Jesus Christus glaube, der für mich als Hohepriester am Himmlischen Heiligtum vor Gott Seinen Dienst tut, bis Er wiederkommt und uns Glaubenden, d.h. Ihm unser Leben Anvertrauenden, zu sich auf die Neue Erde holen wird. Diese Zuversicht haben Katholiken, die den Lehren der RKK mehr Vertrauen als dem Wort Gottes, definitiv nicht...

Ganz herzliche Grüße,

Moritz


han1610  24.03.2013, 14:57

Und doch sagen sie das selbe in ihrem Glaubensbekenntnis zwinker. Beim Bekreuzigen geht es übrigens nicht zentral um das Kreuz, sondern um den dreieinigen Gott. Im Christentum steht das Kreuz trotzdem im Mittelpunkt. Die Macht des christlichen Gottes zeigt sich nicht in der Auferstehung, sondern hauptsächlich im Kreuz. Ein Folterinstrument der damals herrschenden menschlichen Macht benutzt er, um ein neues Reich aus Liebe und Demut zu errichten. Er dreht die Gesetze um: Sein Tod bringt Leben, seine Niederlage bringt Sieg, seine Verurteilung bringt Erlösung. Ohne das Kreuz geht im christlichen Glauben gar nichts. Ohne das Kreuz könntest Du an der Neuen Erde gar keinen Anteil haben.

  1. Korinther 1,18
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GottLiebtSie  24.03.2013, 20:07
@han1610

Hallo han1610,

ich sehe, Du befaßt Dich intensiv mit dem Glauben und nimmst nicht alles einfach so hin, wie es von vorne erzählt wird, richtig? Gut so!

Nun möchte ich auf Deine Anmerkungen eingehen:

"Und doch sagen sie das selbe in ihrem Glaubensbekenntnis."

Oha. Wo sage oder schreibe ich solches?

"Beim Bekreuzigen geht es übrigens nicht zentral um das Kreuz, sondern um den dreieinigen Gott."

Das Bekreuzigen stellt eine Symbolhandlung dar, man nimmt damit symbolisch sein eigenes Kreuz auf sich. Doch Jesus sagt: "Nehmt auf euch mein Joch, denn meine Last ist leicht." Was bedeutet das? Vielleicht soviel: Gebt Eure Lasten, die durch Euer eigenes Versündigen, sprich Euer eigenes - bewußtes oder unbewußtes - Ablehnen Gottes als Euren Vater, entstanden sind, an mich ab.

"Im Christentum steht das Kreuz trotzdem im Mittelpunkt."

Wäre dem so, würde dann nicht 'das' Christentum beim Kreuz stehenbleiben, und zwar geistlich, und es käme niemand auf die Neue Erde? Doch Jesus ist einen Schritt weitergegangen und hat den Status, die Ebene des Folterinstruments bereits verlassen. Deshalb ist die Auferstehung Jesu wichtiger als die Kreuzigung. Wir als wahre Christen verharren nicht beim gekreuzigten Jesus, sondern wir lassen uns durch den auferstandenen Christus erlösen! Den Christus, der für uns den Dienst als Hoherpriester am Himmlischen Heiligtum versieht!

"seine Niederlage bringt Sieg"

Seine "Niederlage" sieht nur für diejenigen wie eine solche aus, die dabei verharren. Dabei sagt Paulus in 1. Korinther 15,54-57, : "Wenn aber dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen in Sieg! Tod, wo ist dein Stachel? Totenreich, wo ist dein Sieg? Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft der Sünde aber ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus! (1. Korinther 15:54-57 SCH51)". Im ganzen Kapitel 15 betont Paulus die Wichtigkeit der Auferstehung!

"seine Verurteilung bringt Erlösung."

Seine Verurteilung bringt uns keinerlei Erlösung, sondern Seine Auferstehung! Seine Verurteilung ist ohne Seine Auferstehung nichts wert.

"Ohne das Kreuz geht im christlichen Glauben gar nichts."

Das Kreuz ist nur Mittel zum Zweck - es hätte auch jedes andere Marter- und Hinrichtungsinstrument sein können. Nur: Gott hat das Kreuz als klares und eindeutiges Symbol verwendet, damit einige Aspekte im Leben Jesu klar und eindeutig zugeordnet werden können, und zwar zeitgeschichtlich und geographisch. Denn das Kreuz wurde nur von den Römern und in einem sehr kurzen Zeitabschnitt und nur in einem sehr kleinen geographischen Bereich eingesetzt, so daß wir als Nicht-Zeitzeugen dennoch eindeutige Hinweise auf die Plausibilität der Todesumstände Jesu haben.

"Ohne das Kreuz könntest Du an der Neuen Erde gar keinen Anteil haben." Nun, dafür müßten wir noch tiefer in die Materie einsteigen.

Ganz herzliche Grüße,

Moritz

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han1610  25.03.2013, 08:35
@GottLiebtSie

Hallo Moritz, nix für ungut, aber alles ist gut, Du musst nicht extra tiefer in die Materie einsteigen... Ich wollte nur ein bisschen gegensteuern weil mir auffällt, dass in unseren Kreisen sehr einseitig auf den Sieg eingegangen wird, und dass wir es oft versäumen, Jesus eben auch als den sanftmütigen und von Herzen demütigen zu sehen. Ich finde es eben theologisch schwierig, die Auferstehung größer als die Kreuzigung zu sehen. Beides gehört natürlich zusammen. Aber ist mit Recht zum Symbol des Christentums geworden. Du bist natürlich hinterher schlauer, weil Du die Niederlage jetzt im Nachhinein als Sieg sehen kannst, aber die Unmittelbare Erfahrung ist, dass Jesus sich eben (für uns) ganz nach unten begibt und alles verliert, um uns zu retten.

Wenn ich den Begriff "Kreuz" benutze, meine ich den theologischen, natürlich nicht das Kreuz selber. Das meint ja wohl keiner. Kreuz = Erlösung. Ohne Erlösung geht gar nix.

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GottLiebtSie  25.03.2013, 13:26
@han1610

Hallo,

Nun, ist die Erlösung nicht erst gänzlich erfüllt durch die Auferstehung Christi? Dass Jesus Christus am Kreuz für uns Sein Leben gab - und zwar nicht das irdische, sondern Sein Leben mit Gott, das ist der Geistliche Tod, den wir Sünder eigentlich sterben müßten (was wir auch in der Taufe durch bewußtes Untertauchen des gesamten Körpers symbolisch zum Ausdruck bringen) - ist sicherlich wichtig, doch ist es nicht wenigstens einen Tick wichtiger, daß Jesus Christus uns durch Seinen Martyriumstod den Weg (wieder) freigemacht hat zum himmlischen Thron?

Ganz herzliche Grüße,

Moritz

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Warum sollten wir? Dieses ganze Klimbim ist eben die katholische Art...

Martin Luther sagte noch das es gut ist, jeden Morgen und jeden Abend, das Kreuzzeichen zu machen und dabei zu sprechen "Des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes"

Es war den Protestanten aber zunehmend wichtiger sich in ihrem Erscheinen und in der Theologie von den Katholiken abzugrenzen, deshalb war es bald verpönt das Kreuzzeichen zu machen.

LG Klaus.

Ich bin selbst Protestantin und nicht nur das, ich bin diplomierte Theologin. Ich selbst bekreuzige mich bei verschiedenen Gelegenheiten, bei den Einsetzungsworten, beim Segen, wenn ich zum Gebet in der Bank verharre. Es hat sich in den protestantischen Kirchen nicht durchgesetzt. Aber selbst Luther schreibt vor dem Morgen- und dem Abendsegen: "dann segne dich mit dem Zeichen des Kreuzes". In viellen Gemeinden, besonders in der katholischen Diaspora ist es durchaus üblich. Mein Musiklehrer kam aus dem tiefsten Bayern und er bekreuzigt sich bis heute. Es ist den Protestanten freigestellt, ob sie sich bekreuzigen. Die meisten tun es, um sich daran zu erinnern, dass sie getauft sind.