Warum ist Putins Armee so elend erfolglos?
Das war doch mal eine militärische "Weltmacht"?
8 Antworten
Das hat zahlreiche Gründe. Aber offenbar war Russland nach 1990 keine Weltmacht mehr. Wir dachten Russland hätte die zweitbeste Armee in der Welt. Heute wissen wir sie haben die zweitbeste Armee in der Ukraine.
Ich gebe mal ein paar Stichpunkte (nicht erschöpfend) darüber warum die russische Armee so schlecht ist:
- Russische Soldaten haben miserable Moral aus unterschiedlichsten Gründen: Soldaten werden extrem schlecht behandelt, es gibt viele Berichte darüber, dass Offiziere ihre Rekruten prostituieren, die Soldaten werden von der Mafia (die Teil des russischen Systems sind) ausgeraubt. In Friedenszeiten verliert die russische Armee durchschnittlich 28 Soldaten durch Selbstmord (und "Selbstmord") pro Monat.
- Korruption zerfrisst die russische Armee: Daran sieht man warum es wichtig ist transparente Prozesse, unabhängige Kontrollen und eine freie Presse als externe Kontrollinstanz zu haben. Russische Kommandeure haben seit... schon immer... das Geld das ihnen zur Instandhaltung ihres Materials gegeben wurde hinterzogen. Auf dem Papier standen dort intakte und gut gewartete Einheiten. In Wirklichkeit hatten viele Einheiten nicht mal genug Treibstoff. Das Russische MoF hat Bilder vom Angriff der Elite-Fallschirmjäger auf Hostomel veröffentlicht. Ein US-Veteran sah sich diese Bilder an und ihm fiel zum Beispiel auf, dass niemand von den Elite-Soldaten Optics auf ihren Gewehren hatten. Er berichtete, dass im Irak-Krieg 2003 jeder einzelne US-Soldat optics hatte, aber eine Elite-Einheit der Russen hatte es nicht? Der Grund ist der, dass so eine optic 500 $ bei E-bay bringt.
- Diktaturen haben keine guten Armeen: Denn die könnten ja einen Putsch machen und die Herrscher absetzen. Moderne Soldaten und Offiziere müssen kreativ denken, unabhängig und selbstbewusst sein. Eine Diktatur kann sich aber nicht leisten zehntausende Männer zu bewaffnen die kreativ, unabhängig und selbstbewusst sind. Schon allein deshalb ist das Militär von Diktaturen nie so gut wie das von Demokratien.
- Russland hat ein veraltetes Führungssystem: Moderne Armeen arbeiten mit Auftragsbasierten Befehlen. Das stereotype Bild einer Armee: "Rücken sie dort vor, greifen sie dort an." ist nicht zeitgemäß. Deutschland hat dieses System spätestens 1870 abgeschafft und spätestens nach dem zweiten Weltkrieg haben alle westlichen Armeen dies übernommen. Moderne Befehle geben einen Auftrag vor: "Gehen sie dort hin und nehmen sie diese Position ein wenn möglich." und wie sie es machen können die NCOs dann vor Ort entscheiden. Sie können auch entscheiden, dass dies nicht möglich oder nötig ist. Die Russen können das nicht. Wenn der Befehl lautet Position X anzugreifen, dann machen sie das, auch wenn sie dafür in den Tod marschieren. Das führt mich zum nächsten Punkt:
- Russland hat kein modernes NCO-Korps: Die Non Commissioned Officers. Das Unteroffizierskorps. Das ist in westlichen Armeen extrem wichtig. Sie sind das Bindeglied zwischen Soldaten und der Führung. Sie sind verantwortlich für gute Moral, für Einhaltung des Kriegsrechts und so weiter. Im Westen haben sie ein hohes Ansehen und sind extrem gut ausgebildet und bezahlt. Eine der wichtigsten Reformen der ukrainischen Armee nach 2014 war der Aufbau eines modernen NCO-Korps. Die Russen behandeln ihre NCOs wie den letzten Dreck. Die russischen NCOs behandeln wiederum ihre Soldaten wie Dreck und werden von ihren Soldaten gehasst. Dazu sind sie extrem korrupt.
- Politik mischt sich ins Militär ein: In der Ukraine sieht man, dass die Politiker Politik machen und das Militär den Krieg führt. Krieg ist eine Sache für Spezialisten. In Russland gibt die Führung militärische Ziele vor. Die gesamte Planung des Krieges war von russischer Seite chaotisch und kaum nachvollziehbar. Die Eroberung Mariupols ist ein politisches Ziel, genau wie die aktuelle Donbas-Offensive. Westliche Militärs sehen, dass Russland bereits verloren hat. Die russischen Militärs müssen es auch sehen, doch ihre Politik lässt sie nicht. Auch das ist ein typisches Problem von Diktaturen. Auch daran ist Hitler gescheitert. Diktatoren überschätzen sich selbst und denken, dass sie alles können und besser wissen.
- Russland kann keine Combines Arms Operations: Wichtig im modernen Krieg ist der kombinierte Einsatz verschiedener Waffen: Panzer müssen von Infanterie beschützt werden, Artillerie muss die Infanterie schützen, Flugzeuge müssen Ziele beschießen- das sind alles hoch komplexe Aufgaben. Russland hat in Syrien gekämpft und daraus die völlig falschen Schlüsse gezogen. Dort waren combined arms operations nicht nötig. Ein Wohngebiet mit Phosphor zu bombardieren war simpel- so lange der Feind keine Luftabwehrraketen hat.
- Russische Ausrüstung ist Mist: Die allermeisten russischen Panzer und Flugzeuge sind aus Sovietbeständen und das neuere Zeug beruht direkt auf den alten Entwürfen. Die neuesten russischen Panzer hat man bisher kaum oder gar nicht auf dem Schlachtfeld gesehen. T90-Panzer wurden kaum gesehen und noch keiner der neuen T14-Armata-Panzer ist irgendwo auf dem ukrainischen Schlachtfeld aufgetaucht. Offensichtlich hat Russland diese nur für den Export gebaut oder hält sie zurück. Wir wissen nicht genau wie viele sie davon haben, aber es sind höchstens ein paar Dutzend. Schon klar, dass sie die nicht opfern wollen. Dazu ist ihr Gerät für die Bedingungen des kalten Krieges konzipiert. Ihre APCs zum Beispiel sind amphibisch und extrem unergonomisch. Warum? Weil sie für einen Atomkrieg gebaut wurden. Sie sollten Truppen in ein von Atomschlägen zerstörtes Gebiet bringen. Darum sind sie gut vor Strahlung geschützt und amphibisch aber so unbequem, dass Soldaten lieber auf ihrem gepanzerten Transporter sitzen als darin.
- Es ist in Russland gute Tradition nur Gutes zu berichten: Wer einen schlechten (aber ehrlichen) Bericht nach oben schreibt kriegt Ärger. Also sind alle Berichte immer tadellos. Und als Putin die Zahlen, Berichte und Statistiken ansah, sah er eine gut geölte und funktionierende Armee. Jedoch gaben die Berichte nicht die Realität wieder.
Fast alle dieser Probleme sind nicht über Nacht zu lösen sondern nur durch eine jahrelange konsequente Modernisierung der Armee. Deshalb ist die russische Armee so erbärmlich und wird in diesem Krieg auch nicht besser werden.
Ich las am Anfang des Krieges, so in den ersten paar Wochen, einen interessanten Thread über die russische Logistik und warum sie versagt.
Die Schlussfolgerung des Threads war, dass die Russen wenn die ihre Verluste so weitergehen, bis Ende Mai nicht mehr genug Trucks hätten um ihre Front vernünftig zu versorgen.
Hier der Link zu dem betreffenden Tweet:
https://twitter.com/trenttelenko/status/1505370328549179392
Und gestern lies der ukrainische Geheimdienst verlauten, dass die Russen keine Trucks mehr an die Front schicken.
Die russische Armee ist disfunktional. Sie funktioniert nicht.
Die Befehlsketten gründen auf Schickane. Funktioniert die nicht mehr, zerbricht die Führungskette und die Untergebenen verselbständigen sich aus Frustration mit Masakern und kriminellen Taten, wenn sie keinen Erfolg haben.
Ich glaube, dass wenn Kritik überall unterdrückt wird, nicht die Besten an die Spitze kommen. Das ist ein Problem, mit dem schon die Sowjetsarmee zu tun hatte (aufgrund der Säuberungen). Wenn nicht die Guten an der Spitze sind, kann nichts Gutes passieren. Der Wodka und abergläubisch verstanden Religion trösten darüber hinweg.
Die besteht ja zum Großteil aus 18-20jährigen Rekruten.
Die wussten ja anfangs gar nicht, dass Krieg ist.
Da ist einiges im Argen in der russischen Armee, insbesondere aber fehlt es an der notwendigen Kampfmoral - ein Punkt, den offenbar die ukrainische Armee macht.
Gleichwohl scheint der Donbas wohl über kurz oder lang verloren.
Ausgezeichnet zusammengefasst. Es bliebe noch anzumerken, dass bereits ein dutzend russische Generäle gefallen sind, weil sie mit an vorderster Front kämpfen mussten. Die Rekruten mussten wohl "motiviert" werden.
Außerdem hörte man, dass der Nachschub extrem schlecht organisiert ist. Weder Treibstoff, Munition und - ganz wichtig - keine Verpflegung.