Unterschied zwischen integralem und demokratischem Nationalismus

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Die Begriffe können als Idealtypen verwendet werden, wobei in der Realität zum Teil schleichende Übergänge auftreten.

Erklärungsansätze für eine Unterscheidung enthält ein Buch zum Thema Nationalimus:

Otto Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland : 1770 - 1990 ; Original-Ausgabe, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. München : Beck, 1996 (Beck'sche Reihe ; 494). ISBN 3-406-34086-5

demokratischer Nationalismus

Im Konzept einer modernen Nation ist das Programm einer umfassenden Demokatisierung enthalten. Die Nation, verstanden als Staatsbürgernation, wird zum zentralen politischen Verfassungsbegriff. Als die Gesamtheit der Staatsbürger ist die Nation der Souverän, legt die politische Herrschaft fest und kontrolliert sie. Die gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger an den Institutionen und Projekten des Staates ist leitendes Prinzip (vgl. S. 16 – 17).

Das Modell enthält in seinem normativen Kern folgende Elemente:

1) Die Nation umfaßt alle Bewohner des nationalen Territoriums; denn alle haben den gleichen Anspruch auf Menschen- und Bürgerrechte.

2) Alle Mitglieder der Nation sind berechtigt und sollen befähigt sein, an deren politischer Kultur teilzuhaben und die Solidarität der Nation zu erfahren; dazu beizutragen, sind alle gleichermaßen verpflichtet.

3) Eine Nation hat das Recht auf politische Selbstverwaltung innerhalb ihres Territoriums; das Prinzip der Volkssouveränität soll die Norm der Staaten sein.

4) Alle Völker haben ein gleiches Recht auf Existenz, auf Nationsbildung und aud Selbstbestimmung innerhalb ihres Siedlungsgebietes.

integraler Nationalismus

S. 205 zu einem Programm des „inneren Reichsausbaus“, mit dem in Deutschland erstmals nach 1871 der organisierte Nationalismus in einer Gestalt auftrat, wie er sich in Frankreich bald als nationalisme intégral bezeichnete (nach S. 212 – 213 prägte den Begriff „integraler Nationalismus“ Charles Maurras, der Führer der Action française, einer Sammlungsbewegung gegen die Ideale und Institutionen von „1789“: antiliberal, antiparlamentarisch, monarchistisch und auch judenfeindlich) : „eine kämpferische antimodernistische Sammlungsbewegung von rechts, die eine qualitativ andere Nation im Visier hatte, eine Nation, die nicht mehr auf Menschenrechte und Gleichberechtigung gegründet sein sollte, sondern auf ein elitär verstandenes Volkstum. Die Feinde der Nation befanden sich für diesen Nationalismus vor allem innerhalb der nationalen Grenzen. Obwohl er zu einer nationalen Sammlungsbewegung aufrief, spaltete er mit seinem Aktionismus die Nation; denn an der Stellung zu ihm schieden sich die Geister. Die nationale Argumentation wurde zu einer ideologischen Waffe der innenpolitischen Auseinandersetzung, ‚deutsche Nation‘ und ‚deutsches Volkstum‘ zu Kampfbegriffen einer neuen Parteienbildung.“

Der integrale Nationalismus ist eine im politischen Spektrum rechts stehende Weltanschaung/Ideologie, vertritt eine Weltanschauung eines umfassenden Kampfes, versucht eine das Individuum vereinnahmende Mobilisierung, lebt von Frontstellungen, will Aufklärung, Pazifismus und parlamentarische Demokratie überwinden. Eine Behauptung eines nationalen „Wesens“ ist verbunden mit einer Neigung dazu, statt einer Gleichheit des Menschlichen das Besondere des Völkischen zum sozialen Richtwert zu erheben. Das Ideal ist ein autoritärer Staat, getragen von einer selbstvergessenen Bereitschaft zu sozialer Disziplinierung, zur Unterordnung unter einen Führer (vgl. insgesamt S. 281 – 282)

Hans-Peter Ullmann, Politik im Deutschen Kaiserreich : 1871 – 1918. 2., durchgesehene Auflage. München : Oldenbourg, 2005 (Enzyklopädie deutscher Geschichte ; Band 52), S. 32 zu einem integralen Nationalismus: „Er setzte die Nation absolut, suchte das Individuum auf sie als einzigen Wert zu verpflichten. Sich gegen innere und äußere Feinde zu wenden, gehörte zu den grundlegenden Mechanismen des Nationalsimus, die ihm integrative Kraft verliehen. Doch änderte sich jetzt das Mischungsverhältnis, nahmen die aggressiven Komponenten zu. Nach außen gewendet mündete der Reichsnationalismus der siebziger Jahre in den Imperialismus. Ihn trieb nicht zuletzt die Vorstellung an, die Nation müsse sich im Kampf der Weltmächte behaupten, selbst Weltmacht werden. […]. Gegen die vermeintliche Bedrohung von außen forderte der Nationalismus die innere Geschlossenheit der Nation […].“