Sonatensatzform - woran erkennt man wann was beginnt?

1 Antwort

Du möchtest eine einfache Antwort. Deshalb gilt meine Antwort nur für die Sätze (als „Sätze“ bezeichnet man einzelne in sich abgeschlossene Musikstücke als Teil eines größeren Werks), die streng nach der Regel gebaut sind. Außerdem muß beachtet werden, daß die Regel erst nachträglich aufgestellt wurde, als die ganzen Werke der Wiener Klassik und manche Werke der Romantik längst komponiert waren.

Meine Antwort gilt nicht für Solokonzerte (Klavier-, Violin oder Cellokonzerte), aber für die betreffenden Sätze aus Sonaten für Klavier allein oder für Klavier + ein anderes Instrument, Klaviertrios, Klavierquartette- und -quintette, Sinfonien u.s.w.

Sie gilt nur für Werke in Dur.

Für die Sonatenhauptsatzform gilt:

Der 1. Teil wird in der Regel wiederholt und endet also beim (ersten) Wiederholungszeichen: Dieser Teil heißt Exposition, weil in diesem Teil die Themen (also sozusagen die wichtigen Melodien) dieses Satzes vorgestellt werden.

Anschließend suchen wir den 3. Teil: Er beginnt wieder wie die Exposition. Er heißt Reprise, weil hier die Themen der Exposition wiederkehren.

Der 2. Teil ist somit der Abschnitt zwischen dem Ende der Exposition und dem Beginn der Reprise. Er heißt Durchführung, weil in diesem Teil Elemente aus der Exposition durch verschiedene Tonarten hindurchgeführt werden.

Jetzt suchen wir noch die Unterteilungen innerhalb der Exposition und der Reprise. Dazu vergleichen wir die Exposition und die Reprise: Der Abschnitt, der quasi gleich ist (eventuell mit kleinen Abweichungen), auf jeden Fall in der gleichen Tonart steht, bildet das sogenannte 1. Thema (auch Hauptthema genannt).

Der Teil, der in der Reprise genau eine Quint höher (oder eine Quart tiefer) steht als in der Exposition, bildet das 2. Thema (auch Seitenthema genannt).

Oft (aber nicht immer) wird in einem Satz auch noch der Abschnitt wiederholt, der aus Durchführung + Reprise besteht.

Die Durchführung ist oft so gebaut, daß kurze Abschnitte aus der Exposition (meist einzelne Motive aus dem 1. Thema, also sozusagen kleine Schnipsel) aneinandergereiht werden, aber immer wieder in neuen Tonarten, bis zu Beginn der Reprise die Anfangstonart wiederkehrt: Dadurch entsteht meist eine besondere musikalische Dramatik, sozusagen ein Kampf der Elemente.
Bei Mozart kommt es stattdessen öfter mal vor (weil er besonders viel Fantasie hatte), daß er sich anstelle einer schulgerechten Durchführung ein oder mehrere neue Themen einfallen lassen hat, die bisher noch nicht in diesem Satz vorgekommen sind.

Die 2 Themen der Exposition und damit auch der Reprise weisen oftmals einen verschiedenen Charakter auf: Das 1. Thema ist eher energisch, kraftvoll, rhythmisch, das 2. Thema dagegen weich, gesanglich, lyrisch. Auch durch diesen Gegensatz entsteht Dramatik.

In der Romantik kann es vorkommen, daß dieses Verhältnis genau umgekehrt ist, oder daß der Kontrast zwischen beiden Themen nicht besonders groß ist, oder daß sogar noch ein 3. Thema auftaucht (z. B. bei Bruckner).

Bei Haydn kann es vorkommen, daß das 1. und 2. Thema aus dem ähnlichen musikalischen Material gebildet ist und somit keinen so großen Gegensatz aufweist.
Bei Beethoven findet man am ehesten eine Übereinstimmung mit diesen Regeln.

Oft ist das Stück noch nicht zu Ende, wenn die Reprise zuende ist: Dann hängt der Komponist noch einen Extrateil an, der nichts großartige Neues mehr bringt, sondern entweder virtuose Passagen, oder auch nochmal Elemente aus dem bisherigen Verlauf des Stücks. Diesen abschließenden Extrateil nennt man die Coda. Ihn erkennt man daran, daß er nur nach dem Ende der Reprise kommt, nicht aber nach dem Ende der Exposition (und vor dem Beginn der Durchführung).

Außerdem:
Es gibt natürlich immer mal noch feinere Differenzierungen, die Dich wahrscheinlich nicht so interessieren müssen:

Manchmal ist das 1. Thema oder das 2. Thema nicht einheitlich aufgebaut, sondern aus verschiedenen Elementen, sodaß man dann eher von einer 1. Themengruppe und einer 2. Themengruppe spricht: Das Tonartverhältnis bleibt aber gleich wie oben beschrieben.

Innerhalb der Exposition bzw. der Reprise differenziert man oft noch genauer: Oftmals findet man zwischen 1. und 2. Thema einen Teil, den man Überleitung nennt. Dieser Teil ist oftmals in der Exposition länger oder kürzer als in der Reprise; das hat dann seinen Grund darin, daß in der Exposition während der Überleitung die Musik von der Grundtonart (Tonika) zur Quinttonart (Dominante) fortschreitet, während sie in der Reprise die ganze Zeit in der Tonika bleibt; je nach Tonartverhältnis benötigt der Komponist dafür eben manchmal mehr oder weniger Zeit.

Nach dem Ende des 2. Themas findet man in der Exposition oftmals noch ein paar abschließende Takte, die so ähnlich am Ende der Reprise wiederkehren: Diese nennt man Schlußgruppe.

Alles, was ich ab „außerdem“ geschrieben habe, ist erstens nicht so leicht zu erkennen, und zweitens oftmals Ermessenssache (das heißt: Die Meinungen können auseinandergehen). Deshalb kann ich dafür keine so klaren Regeln angeben.

Du merkst:
Meine Antwort ist so aufgebaut, daß ich nach ein paar einleitenden Anmerkungen und Einschränkungen vom Einfacheren zum Schwierigeren fortgeschritten bin. Du kannst somit selbst entscheiden, bis zu welchem Punkt Dir meine Antwort noch weiterhilft, und ab wo sie zu kompliziert wird.