Pygmalion (Ovids Metamorphosen) Übersetzung: Singular totz Plural?

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simulacra und vota (Ovid, Metamorphosen 10, 281 und 288) sind poetischer Plural. Das dichterische Kunstmittel kann den Zweck haben, durch die Pluralform etwas größer wirken zu lassen. Dem Sinn nach handelt es sich um einen Singular.

Die Grundbedeutung von votum ist „Gelübde“. Ein Weihgeschenk kann es als das Gelobte bedeuten. Unter anderem kann es auch etwas wie „Wunsch“, „Verlangen“ bedeuten. Das Substantiv hängt mit dem Verb vovere („geloben“) zusammen, das, weil ein Gelöbnis mit einem Wunsch verbunden ist, auch „wünschen“, „anwünschen“  bedeuten kann.

Das Possessivpronomen sua kann der Form nach bei Ovid, Metamorphosen 10, 288 Ablativ Singular Femininum (mit Bezug auf manu) oder Akkusativ Plural Neutrum (mit Bezug auf vota) sein. Dass die Berührung mit seiner eigenen Hand geschieht, ist allerdings ohnehin klar. Der Bezug von sua auf vota ist richtig, wie sich aus der Metrik (das Versmaß ist ein Hexameter) ergibt. Im Ablativ Singular Femininum ist das -a ein langer Vokal, im Akkusativ Plural Neutrum ein kurzer Vokal. In das Versmaß passt an der Stelle nur eine kurze Silbe, keine lange (mit ihr würde eine Silbe zuviel dastehen). visa est ist eine Perfektform vom Verb videri („gesehen werden“, „sichtbar werden“, „offenbar werden“, „sich zeigen“, „erscheinen“, „scheinen“). Das Partizip Perfekt Passiv visa ist Femininum, weil es einen Bezug auf puellae gibt. visa tepere est: „Sie schien warm zu sein.“ In einer deutschen Übersetzung kann (muss nicht) „ihm“ hinzugefügt werden, weil sie ihm (Pygmalion) warm zu sein scheint. Es gibt den Ausdruck „mir scheint“. Bei den Verben „sich zeigen“, „erscheinen“, „scheinen“ kommt in der deutschen Sprache eine gewisse Neigung vor, auch anzugeben, wem etwas sich zeigt/erscheint/scheint.  


Multinity 
Fragesteller
 25.03.2023, 22:35

Wow, äußerst interessant.

Man merkt, dass du dich sehr gut auskennst.

Danke dafür!

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