Poetischer Realismus - Theodor Storm, der "Schimmelreiter"
Hallo,
Ich muss einen Vortrag über die Epoche "poetischer Realismus" ein Referat in der Schule halten (Oberstufe). Wir sollen auch Beispielautoren und Werke vorstellen. Ich habe mir Theodor Storm ausgesucht, weil der immer wieder mal genannt worden ist. Habe auch schon eine Inhaltsangabe und eine Interpretation geschrieben. Meine Frage... Wieso zählt dieses Werk zum Realismus? Es wird doch von einem Aberglauben berichtet, oder nicht? Was ist hier ein Merkmal für den poetischen Realismus? Bei meiner Recherche in Google fand ich leider keine konkrete Antwort.
Danke im Vorraus.
Gruß,
Dollmminode
2 Antworten
Der sogenannte „Realismus“ in der deutschen Literatur war nur äußerlich realistisch, indem er im Gegensatz zur vorgehenden Romantik die realen bürgerlichen und ländlichen Lebensumstände einbezog und sich in seinen Motiven nun auch der groß- und kleinbürgerlichen Arbeitswelt (Kaufleute, Handwerker) widmete.
Als Gegenbewegung zur subjektiven Haltung des Romantikers will der „realistische“ Autor sachlich und objektiv scheinen. Diese Literatur ist jedoch immer noch von einem Idealismus beherrscht. Immer noch schwebt über den Lebensumständen unsichtbar eine Idealvorstellung, nach der zu handeln wäre: Bei Erfüllung wird belohnt, bei Nichterfüllung wird bestraft.
Erst als durch die Philosophie des Materialismus dargelegt wurde, dass der Mensch durch Erbanlagen und soziale Umstände gar nicht zu völlig freiem Handeln fähig ist und daher für ein Nichterreichen von Idealen nicht eigenverantwortlich ist, dafür also weder bestraft noch belohnt werden kann, wendet sich auch die Darstellung in der Literatur. Da wird dann bewusst auch die elende Welt der hungernden Arbeiterschaft thematisiert (etwa Gerhart Hauptmann: „Die Weber“).
Da jedoch der Begriff „Realismus“ in der deutschen Literatur bereits besetzt ist, wird die folgende nackte und schonungslose Darstellung der Wirklichkeit als „Naturalismus“ bezeichnet. Nur in der deutschen Literaturgeschichte wird diese Unterscheidung der Epochen getroffen, da in anderen Literaturen der schonungslose Realismus ohne idealistischen Überbau schon früher einsetzte.
In Storms Novelle wird der Schimmelreiter trotz seines lange vorbildlichen Handelns schließlich „bestraft“. Hauke Haien handelt ja beim Bau des neuen Deichs insgesamt auch aus gewissem Eigennutz, da er durch seinen Landbesitz selber stark von seinem Deichbau profitiert.
Wesentlich aber ist, dass er den alten Deich trotz seiner Gewissensbisse vernachlässigt und später den rettenden Durchstich „seines“ neuen Deichs, seines Lebenswerks, verhindert, die Flut würde ja auch seinen Besitz gefährden. So muss er erleben, dass dann, wie der alte, vernachlässigte Deich bricht, seine Frau und sein Kind durch seine Handlung umkommen.
Zwar gibt es im „poetischen Realismus“ keinen belohnenden oder bestrafenden „Gott“ mehr, doch mit dem Ausruf „Herr, Gott, nimm mich, verschon' die anderen!“ ruft der sich selbst richtende Schimmelreiter dennoch in traditioneller Manier einen solchen Gott an.
http://www.pohlw.de/literatur/epochen/realism.htm#RealismusDeutschland
vielleicht findes du hier eine erklärung ?
p.s.: "im Voraus" mit nur 1 R (< vor + aus) - falls du es wieder einmal benötigst. Du hast dich ja dankenswerterweise ansonsten der deutschen Orthografie befleißigt.