Könnte die Ethnizitätseinschätzung von MyHeritage falsch sein?

4 Antworten

Diese Tests halten nicht das, was sie versprechen. Wenn man sich ein bisschen mit Populationsgenetik auskennt, wird auch klar, warum.

Vorweg: eine Zuordnung der Ethnie mit Hilfe der DNA ist sowieso gar nicht möglich. Denn eine Ethnie definiert sich nicht durch eine gemeinsame Abstammung, sondern ist kulturell definiert. Eine Ethnie kennzeichnet deshalb, dass es gemeinsame kulturelle Merkmale wie z. B. Sprache, Riten, Gebräuche, Essgewohnheiten, Religion, Mythen usw. gibt.

Was machen nun diese Tests? Na ja, sie bestimmen von verschiedenen genetischen Markern (Loci), welche Varianten (Allele) du besitzt. Diese Varianten werden dann einem Ort zugeordnet, an dem diese Genvarianten besonders häufig vorkommen. Wenn du also 50 % "Balkan-DNA" hast, dann heißt das nicht, dass diese DNA wirklich aus der Balkanregion ist, sondern nur, dass diese Genvarianten auf dem Balkan besonders häufig vorkommen. Diese Varianten können aber (mit geringerer Häufigkeit) auch in jeder anderen Population im Genpool vertreten sein.

Um mal ein ganz bildhaftes Beispiel zu bringen: die Genvariante für rote Haare ist besonders häufig in Großbritannien und Irland. Ein DNA-Test würde, wenn du diese Genvariante hättest, deshalb als "britisch' ausweisen; in Wirklichkeit kommt diese Genvariante aber auch zu einem geringeren Prozentsatz in Deutschland vor und sogar in Afrika ist sie im Genpool zu einem sehr kleinen Anteil vertreten.

Vielleicht sind diese Genvarianten, die der Test bei dir als "Balkan-DNA" ausgewiesen hat, tatsächlich irgendwann einmal auf der Balkanhalbinsel entstanden. Das bedeutet jedoch nicht, dass einer deiner unmittelbaren Vorfahren aus der Balkanregion sein muss. Die DNA aller Menschen ist eine Mischung aus den verschiedensten Herkunftsregionen, weil es Migration und genetische Vermischung schon immer gegeben hat. Die Genvarianten für helle Haut etwa, die heute für Europäer typisch sind, sind ursprünglich aus dem Nahen Osten (die Region der Levante oder auch "fruchtbarer Halbmond" genannt) nach Europa gekommen, als die ersten Ackerbauern und Viehzüchter vor etwa 6000 Jahren aus dieser Region nach Europa einwanderten. Die Menschen, die bis dahin in Europa gelebt hatten (als Jäger und Sammler) waren dunkelhäutig gewesen und haben sich schließlich genetisch mit den Neuankömmlingen vermischt. Und selbst die Neanderthaler haben bis heute ihre genetischen Spuren in uns hinterlassen. Etwa ein bis zwei Prozent deiner DNA sind Genvarianten, die ursprünglich vom Neanderthaler kommen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Viperpage 
Fragesteller
 12.05.2024, 20:03

Danke für die ausführliche Erklärung!

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Zwischen 1388-1430 eroberten die Osmanen Albanien. Dort gab es auch eine griechische Minderheit. Während dieser Zeit kam es zu Fluchtbewegungen nach Kalabrien über die Adria. Dadurch vermischten sich dort diese Volksgruppen und es gibt teilweise in der Folklore bis heute noch Ähnlichkeiten. Zumindest wurde es mir so bei einer Rundreise durch Albanien von der Reiseleitung erklärt, wenn ich mich richtig erinnere.

Das könnte zu deinen Ergebnis passen. Es würde dementsprechend bedeuten, dass deine Ahnen damals zu den vor den Osmanen Flüchtenden gehörten. Da es über 600 Jahre her ist, wäre es verständlich, das niemand in der Familie mehr etwas davon weiß.

Natürlich können bei DNA-Test auch Fehler passieren, sollte dein italienischer Familienanteil jedoch im Süden Italiens leben, dann halte ich den Test für aussagekräftig.


Viperpage 
Fragesteller
 12.05.2024, 20:04

Meine Familie kommt tatsächlich aus Süditalien, also war dieser Teil sehr akkurat. 😅 Und danke für den Geschichtspart!

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Die DNA eines Menschen kann nichts über die Nationalität aussagen, sondern höchstens über die Ethnie. So gehören die meisten Mitteleuropäer zum kaukasischen Typ (caucasian), was einfach Menschen mit heller Haut bezeichnet, und nichts mit dem Kaukasus zu tun hat. Durch Übersetzungsfehler kann es aber zu Fehlinformationen kommen.

Ansonsten kann man nur über die Mitochondrien der mütterlichen DNA herausfinden, in welcher Gegend die Vorfahren gelebt haben. Auch das hat nichts mit Nationalitäten zu tun. Diese Analysen sind nur Spielerei. Zumal Du doch weißt, woher Deine Vorfahren kommen.

In Russland z. B. leb(t)en auch viele Menschen deutscher Herkunft, die wären dann auch genetisch keine Russen....


Viperpage 
Fragesteller
 12.05.2024, 20:04

Das stimmt, danke für deine Antwort!

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Allerdings steht da, dass ich ÜBER 50% aus dem Balkan bin und keiner meiner Familie kennt irgendjemanden aus dem Balkan. D

Zum Balkan zählt ganz grundsätzlich „Ostrom“ bzw die Menschen von dort.

Die sich tatsächlich aber schon lange zB in Italien aufhalten, wobei das natürlich die Nachfahren sind.

Ein vergleichbares Ergebnis, wie deines könnte man möglicherweise erzielen bei

Sorben

Die Sorben sind in Deutschland als nationale Minderheit anerkannt. Sie haben neben ihrer Sprache eine offiziell anerkannte Flagge und Hymne. Sorben sind…

Viperpage 
Fragesteller
 12.05.2024, 20:05

Danke, daran habe ich gar nicht zu gedacht!

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