Ist der Holodomor für euch ein Völkermord gewesen?

Das Ergebnis basiert auf 30 Abstimmungen

Ja, es war Völkermord 67%
Nein, nur eine normale Hungersnot 20%
Vielleicht... 13%

11 Antworten

Nein, nur eine normale Hungersnot

Nein. Gehungert wurde auch im restlichen Teil Russlands, meine Vorfahren (auf dem Territorium Russlands) haben mir davon Geschichten erzählt, wie schlimm die Zeit unter Stalin war.

https://www.heise.de/tp/features/Ukraine-Krieg-Stunde-der-falschen-Erzaehlungen-6546147.html?seite=2

Demgegenüber argumentieren vor allem russische Historiker, dass die Hungersnot in erster Linie die Folge einer schlechten Ernte gewesen sei, die durch die Kollektivierung der Landwirtschaft und den damit verbundenen Widerstand der ukrainischen Bauern verschlimmert worden sei. Alexander Watlin kritisiert den Begriff Holodomor, weil er verwendet werde, um die tragischen Folgen der über die Ukraine hinausgehenden Kollektivierung politisch zu instrumentalisieren. Weiterhin weist er darauf hin, dass die Hungersnot dieser Zeit nicht allein die Ukraine, sondern auch andere Gebiete der Sowjetunion betraf, also nicht gezielt gegen die Bevölkerung der Ukraine organisiert wurde.[45]

Dies kann ich auch bestätigen.

Der Knackpunkt ist, ob man gezielt die Ukraine aushungern wollte uns genau daran scheitert es, wieso es nur eine Minderheit der internationalen Gemeinschaft gibt, die Holodomor als Völkermord anerkennen.

Die Messlatte etwas als Völkermord zu bezeichnen ist sehr hoch und soll nicht einfach so herumgeworfen werden, wie dies Putin zu Beginn des Angriffskrieges meinte und ebenfalls die westliche Gesellschaft und Politik rund um Butscha ohne vollständige abschließende Untersuchungen.


earnest  21.05.2022, 18:37

Also alles ganz "normal"?

So wie jetzt auch in Butscha?

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karapus001  21.05.2022, 18:44
@earnest
Die Konvention definiert Völkermord in Artikel II als „eine der folgenden Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
a) das Töten eines Angehörigen der Gruppe
b) das Zufügen von schweren körperlichen oder seelischen Schäden bei Angehörigen der Gruppe
c) die absichtliche Unterwerfung unter Lebensbedingungen, die auf die völlige oder teilweise physische Zerstörung der Gruppe abzielen
d) die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung
e) die zwangsweise Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe“
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earnest  21.05.2022, 18:50
@karapus001

Ich habe dich nicht wegen des Themas Völkermord angesprochen (bei dem man in der Tat unterschiedlicher Meinung sein kann), sondern wegen der "normalen Hungersnot".

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Der Holodomor war die gezielte Entvölkerung der Ukraine durch Hunger. Aufgrund der fruchtbaren Böden und der dadurch erfolgreichen Landwirtschaft stieß die Idee der Kollektivierung der Ackerflächen in der Ukraine auf wenig Gegenliebe.

Um die renitente Bevölkerung zu dezimieren und vor allem zu disziplinieren, ließ Stalin die Ernten gezielt abtransportieren oder verkommen. Ob er die Ukrainer ausrotten wollte, was ja der Sinn eines Völkermordes wäre, bezweifle ich eher.

Was die aktuelle politische Bewertung betrifft, so bezeichnen die USA sowieso alles als Völkermord, was irgendwie danach aussieht (außer natürlich dem Völkermord an den eigenen First Nations) und Polen steht in der Anti-Russland-Front sowieso ganz vorne mit dabei.

Warum man in der jetzigen Lage hier Öl ins Feuer gießen muss und Russland quasi eines Verbrechens akut beschuldigt, das ein Georgier vor 90 Jahren begehen hat lassen, muss man nicht unbedingt verstehen.


Bluemie  23.05.2022, 10:29

Was ein Völkermord per Definition ist, ist ja höchst umstritten. Es wurde zum erstem mal 1948 von der UNO bezeichnet.

Ein Völkermord muss aber nicht zwangsläufig ein Auslöschen ) oder Ausrotten so wie du es bezeichnest) einer gesamten Bevölkerung zum Ziel haben. Fakt ist unbestritten, dass 1932/33 zumindest der Tod einer erheblich hohen Zahl der Bevölkerung zur Erreichung der Ziele bewußt in Kauf genommen wurde. Ich sehe da keinen großen Unterschied zum bewußtem Erschießen. Deshalb ist es eindeutig auch als Völkermord zu betrachten.

Niemand verurteilt hier Russland. Den Holodomor hat damals die Sowjetunion unter Führung von Stalin zu verantworten. Da gab es bekanntlich mehrere Ethnien - Russen, Ukrainer, Kasachen oder Georgier (Stalin) - was dieses grausame Verbrechen an die Menschheit aber nicht besser macht.

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Ja, es war Völkermord

Wie kann es eine normale Hungersnot gewesen sein, wenn das Gebiet der Ukraine militärisch abgeriegelt wurde und jede/r erschossen wurde, der fliehen wollte?

Zum Hintergrund:

In den Jahren 1932/33 hatte Stalin befohlen, dass die Sowjetunion industriealisiert werden soll. Zur Finanzierung sollte vor allem Getreide aus der Ukraine an westliche Länder verkauft werden.

In der Folge sind Millioonen Menschen grausam verhungert. Es gab sogar Hinweise auf Kanibalismus in der Bevölkerung.

Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute unbekannt. Sie schwankt zwischen 4 - 14 Millionen Menschen. Neuere Informationen von Geschichtsforschern berechnen etwas eine Zahl von 7,5 Millionen Toten. Damit wäre der Holodomor von den Opferzahlen gesehen ein ähnlich großer Völkermord wie der Holocaust der Nazis im 2.WK.

Es gab auch andere Regionen (Kasachstan), wo die Stalin Diktatur für eine ähnliche Hungersnot verantwortlich ist.

In weiten Teilen der Welt ist der Holodomor vollkommen unbekannt. Es gibt nur wenige Beweise auf dieses Verbrechen. Lange Zeit wurde das auch in Deutschland so gut wie verschwiegen. Vielleicht auch aus Rücksicht auf Russland, die wir hier bis vor wenigen Monaten noch leider hatten. Mittlerweile finden sich aber immer mehr Staaten, die den Holodomor als Völkermord anerkennen. Auch Deutschland sollte endlich umdenken.

Es gibt einen tollen Film "Bittere Ernte", den man auf Youtube anschauen kann.

https://www.youtube.com/watch?v=nWsIrdVCikc

Vielleicht...
Josef Stalin verfolgte das politische Ziel, den ukrainischen Freiheitswillen zu unterdrücken und die sowjetische Herrschaft in der Ukraine zu festigen. Die Bolschewiki waren bereits zuvor radikal gegen die ukrainische Intelligenzija und den ukrainischen Klerus vorgegangen. Zwischen 1926 und 1932 wurden durch staatlichen Terror in der Sowjetunion 10.000 Kleriker ermordet. Allein im Jahr 1931 wurden mehr als 50.000 Intellektuelle nach Sibirien deportiert, darunter die 114 wichtigsten Dichter, Schriftsteller und Künstler des Landes. Danach wandten sich die Bolschewiki nun gegen die Bauernschaft, die sich weiterhin hartnäckig der Kollektivierung und Umerziehung widersetzte. Im Sinne einer Russifizierung sollte die ukrainische Kultur ausgemerzt werden, so dass nur noch eine sowjetische Kultur übrig bliebe.[4]
https://de.wikipedia.org/wiki/Holodomor
Vielleicht...

Die Hungersnot in der Ukraine war geplant und absichtsvoll durchgeführt. Stalin hätte jederzeit seine Politik ändern können, hat es aber nicht getan. Er hielt die Hungersnot für notwendig zur Durchsetzung des Sozialismus.

Möglicherweise sind hier aber die Merkmale für einen Völkermord nicht erreicht. Nicht jede Grausamkeit muss direkt ein Genozid sein. Stalin ging es nicht unbedingt um die Ausrottung aller Ukrainer.