Interpetation von Faust 1 - Rolle von Gott Mephisto?!

5 Antworten

Du solltest primär davon ausgehen, was Goethe und seine Zeitgenossen gedacht haben um die Intention des Textes zu verstehen: Goethe hatte den Faust damals nicht speziell für julian6662 aus dem Jahr 2014 geschrieben.

Die Wette mit Gott hat eine gute alttestamtarische Tradition im Buch Hiob. Da wurde ja eine ähnliche Wette abgeschlossen. Da das jeder wusste und jeder die Bibel respektierte, hatte dann auch niemand die logische Vorbehalte im Sinn, die Du entwickelt hast. ("..Ich hab hier voll konkret mein Bibel und die ist echt voll vom Babo im Himmel. Also was is Dein Problem Du Opfer?!?")

Deine Gedanken wären im Philosophie und im Religionsunterricht ganz interessant wenn es um das Thema Theodizee gegangen wäre, aber hier helfen sie Dir kein Stück weiter: Leibniz war bei Goethes Zielgruppe nicht ganz so geläufig..

Wieso steht fest, dass Mephisto die Wette eh verlieren muss? Der Herr gibt dem Menschen die Freiheit der Wahl, so auch dem Faust. Die Wette wird nur über den Menschen abgeschlossen, der überhaupt fähig zur Erlösung ist, das ist der Mensch (Faust), der Gott „auf besondere Weise dient“, d.h. rastlos forscht und nach Erkenntnis strebt. Das „verworrene Dienen“ Fausts will der Herr bald beenden, indem er ihn „zur Klarheit führt“. Es hat hier tatsächlich den Anschein, als wisse der Herr schon, dass er die Wette gewinnt, dass Faust gewissermaßen unter dem Schirm Gottes stehend automatisch zur Klarheit, also zur Erlösung geführt wird. Diese Frage kann unser Verstand nicht lösen, da das Göttliche jenseits unserer Verstandessphäre waltet (Der Calvinismus hat die Frage ganz einfach entschieden: Gott kennt kraft seiner Voraussicht, wie die Schicksale der Menschen verlaufen; wer erlöst wird, steht von Geburt an fest. Wie gesagt, die Calvinisten denken so!). Goethes „Faust“ ist nun so konzipert, dass man nicht weiß, ob Faust gerettet wird, weil der Mensch eben die Freiheit der Wahl hat. Warum sonst wird Faust ständig in Versuchung geführt? - Derjenige, der zum Augenblicke sagt, „verweile doch, du bist so schön“ (also der irdische Genießer, der nichts weiter im Sinn hat, als „Staub zu fressen, wie meine Muhme, die Schlange!“), der gehört ohnehin schon dem Mephistopheles, um den braucht er nicht zu kämpfen. Faust aber wird ständig in Versuchung geführt, sich auch für den Augenblicksgenuss als einzigen Lebenssinn zu entscheiden (z.B. Auerbachs Keller, genießende Studenten – Gretchen, kleinbürgerliches, beschauliches, erstarrtes Dasein, Faust soll sie nur als Sexobjekt benutzen, doch er will sie retten! - Dann die Walpurgisnacht, ausschweifendes Leben, Orgien, Exzesse). Es gelingt Mephistopheles nicht, Faust für dieses „Staub fressen“ zu begeistern. Zum Schluss von Faust II sagt zwar Faust „Zum Augenblicke dürft ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!“ Aber es ist anders gemeint, als es Mephistopheles interpretiert. Faust ist weiter der unablässig Strebende, er wird immer und immer nach Freiheit streben, weil er das muss, denn „nur der verdient sich Freiheit und das Leben, der täglich sie erobern muss!“ Deshalb wird Faust erlöst und Mephistopheles hat die Wette verloren.

Zur Idee eins möchte ich noch ergänzen: In der Bibel (Buch Hiob) gestattet Gott dem Teufel ja auch, Hiob zu quälen, um ihn vom Glauben abzubringen. Auch hier sterben jede Menge Menschen im Verlauf der Geschichte. In der Religion gilt ja das irdische Leben wenig, das (angeblich) ewige Leben umso mehr. Bedenke: Faust hat seine Wurzeln im Mittelalter, also lange vor der Aufklärung.


julian6662 
Fragesteller
 04.06.2014, 12:17

Aber bedenke dass der Autor immer noch Goethe ist Bereits ab der Epoche der Aufklärung, stand das menschliche Individuum doch an erster Stelle und das wollte er sicherlich nocht bezweifeln oder? :o

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knaake10  04.06.2014, 12:33
@julian6662

Das menschliche Individuum vielleicht, eine literarische Figur ganz gewiss nicht. Karl May hat seinen innig geliebten Winnetou umgebracht , Conan Doyle seinen Sherlok Holmes, und auch Walter Moers träumt davon seinen Kapitiän Blaubär zu erschiessen um ihn als Bettvorleger zu benutzen....

Oder wie es mal jemand sagte :"Autoren sind Möder!" Vor alllem wenn es um einen dramatischen Effekt geht, ist nichts und niemand vor ihnen sicher.

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Schuhu  04.06.2014, 12:46
@julian6662

@ julian6662. Natürlich weiß Goethe, dass Gott nicht wirklich mit dem Teufel nachmittags Kaffee trinkt und dabei lustige Reden führt. Worauf ich hinaus wollte ist, dass Goethes Vorlage, eben Marlowes Faust oder auch die Faust-Sage ihre Wurzeln im Mittelalter hat, und Goethe diese "finsteren Zeiten" aufgreift.

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julian6662 
Fragesteller
 04.06.2014, 14:44
@Schuhu

herzlichsten Dank ! das mit den Wurzeln im Mittelalter wusste ich noch nicht

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julian6662 
Fragesteller
 04.06.2014, 14:44
@Schuhu

herzlichsten Dank ! das mit den Wurzeln im Mittelalter wusste ich noch nicht

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Mephisto ist das Über-Ich von Faust selber. Es steht dabei für die Ambinvalenz von Sein oder Nicht sein.


Ninnlilina  04.06.2014, 12:15

Über-Ich ist da meiner Meinung nach nicht der passende Ausdruck (Begriff aus dem Strukturmodell der Psyche und in dieser die moralische Instanz oder das Gewissen einer Persönlichkeit) -> also eigentlich das Gegenteil von Mephisto

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cherry2310  04.06.2014, 12:19
@y45dada

Sehe ich genauso wie Ninnlilina, wenn überhaupt, dann verkörpert Mephisto das ES.

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y45dada  04.06.2014, 12:21
@cherry2310

Das dialektisch diskutiert und mit dem nötigem Selbstvertrauen vorgetragen..., und alles ist paletti in der Prüfung.

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knaake10  04.06.2014, 12:36
@y45dada

Goethe selbst sagte dazu: "Die Deutschen sind ein komisches Volk. Da fragt man mich allen ernstes was ich mir bei Mephistro gedacht habe. Als ob ich das wüsste."

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Schuhu  04.06.2014, 14:48
@knaake10

Wenn wir Mephisto schon in Beziehung zu Faust setzen, so wäre vielleicht der Begriff "Alter Ego" angebracht.

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