Habt ihr schon Mal einen Job ausgeübt, den ihr subjektiv als völlig sinnfrei oder sogar moralisch verwerflich eingestuft habt?

6 Antworten

Habt ihr schon Mal einen Job ausgeübt, den ihr subjektiv als völlig sinnfrei

Sinnfrei ist kein Job. Kann sein, dass ich dessen Sinn nicht verstehe - das macht ihn aber nicht sinnfrei.

oder sogar moralisch verwerflich eingestuft habt?

Ich habe früher viel Geld als Backgammonspieler verdient, indem ich immer wieder vorgab, ein schlechter Spieler zu sein. Ich habe stets hunderte verloren. Im Rückspiel galt ich dann als leichtes Opfer; wir haben die Einsätze erhöht und ich habe tausende gewonnen. Ist das jetzt moralisch verwerflich? Denn immerhin wollten meine Gegner mich ja ebenfalls abzocken - als vermeintlich Schwächeren ...

Alex

Disponent in einer Spedition: man vergibt Aufträge an den billigsten Subunternehmer (weil die Kunden nicht bereit sind, soviel zu bezahlen, dass man 'anständige' Firmen einsetzen kann. Man macht sich also der Ausbeuterei von insbesondere Fahrern schuldig (schiebt aber auch selbst 12-Stunden-Tage weil der eigene Betrieb aus kostengründen zu wenig Personal einstellt).

Und der Staat schaut zu.


Campeona 
Fragesteller
 02.07.2023, 16:12

Ja, genau solche Jobs meinte ich

Mit denen man zwar sein Geld verdient, aber sich (zumindest als Mensch mit einem gesunden Gerechtigkeitsempfinden ) am Ende des Tages einfach mies fühlt.

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Ich habe mal sehr kurzzeitig im Telefonverkauf gearbeitet und sollte eine immens überteuerte Software an Baufirmen verkaufen, damit die gucken können wie das Wetter wird.

Wie dreist und zudem sinnlos das ist, muss ich jetzt wohl gar nicht mehr ausführen, aber kurz:

Wetterbericht kriegt man kostenfrei.

Mir war jedes Gespräch so verdammt unangenehm... Zudem waren in dieser Software auch noch reichlich Fehler (sogar Tippfehler). Zu sowas lass ich mich nie wieder überreden.

Als Lagerarbeiter wollte man mich für den ausscheidenden Lagerleiter bei guter Bezahlung aufbauen. Nach drei Monaten kündigte ich, weil ìch nicht mit ansehen konnte, wie fahrlässig mit umweltschädigenden Reinigungsmitteln umgegangen wurde.

Das war vor etwa 30 Jahren und wäre heute so nicht mehr möglich. Unverkäufliche Reinigungsmittel wurden einfach so ins Abwasser eingeleitet.


Campeona 
Fragesteller
 02.07.2023, 17:27

Krass.

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Campeona 
Fragesteller
 02.07.2023, 18:51

Als Studentin hab ich Mal auf einer Messe an einem Stand Bratwürste gebraten, belegte Brötchen und aufgetaute Schupfnudeln verkauft.

Zwischendurch musste ich immer die Scheiben der Auslage mit einem Glasreiniger einsprühen und von Fettspritzern befreien.

Wenn ich das tat, rieselte der feine Sprühnebel immer direkt darunter In die Auslage und benetzte schön gleichmäßig die dort liegenden Sandwiches, Bratwürste und Nudeln.

Ich sagte das meiner Chefin, aber die meinte, ich solle mir keine unnötigen Gedanken machen und wies mich an, das so weiterzumachen. Außer, wenn gerade Kunden in der Nähe seien, die das sehen könnten.

Ich selbst hätte von den Lebensmitteln aus der Auslage mit ihrem ekelhaften Glasreiniger -Dressing ja nichts mehr angerührt, aber ich musste das weiter verkaufen.

Mir ging es richtig schlecht, insbesondere bei sehr netten und freundlichen Kunden, wenn ich dann sah, wie sie in ihre chemisch verseuchte Wurst bissen.

Es mag nach einer Kleinigkeit klingen und würde vielen womöglich gar nichts weiter ausmachen. Aber mir schon.

Und bis heute kaufe ich ungern etwas, was direkt unter so einer (viel zu gut geputzten!) gläsernen Auslage liegt.

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ja, moralisch verwerflich weniger, aber auf jeden fall sinnfrei.

Lehrer


Campeona 
Fragesteller
 02.07.2023, 16:09

Mit der Antwort "Lehrer" hätte ich ja nicht gerechnet. :)

Da würden mich ja schon Mal nähere Details interessieren.

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Byzantion  02.07.2023, 16:16
@Campeona

es macht dann einen sinn, wenn man berücksichtigt wie in deutschland über bildung schule etc diskutiert wird. zunächst dient die schule dazu, dass die eltern in ruhe arbeiten gehen können, sodann auch der bildung, dass mündige menschen entstehen. es werden maßstäbe angelegt, die völlig weltfremd sind und irgendwelche wirtschaftsbosse quaken was von fachkräfte von morgen etc. das sind ideale vergangener zeiten. ich habe immer gerne mit meinen schülern gearbeitet, aber das system ist so innerlich kaputt und intransparent. das mache ich nicht mehr

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Campeona 
Fragesteller
 02.07.2023, 16:26
@Byzantion

Das kann ich gut nachvollziehen.

Ich habe selbst zeitweise als Erzieherin in Kitas und auch als Nachhilfelehrerin in sogenannten Berliner "Problembezirken" mit Jugendlichen gearbeitet.

Die Kinder und Jugendlichen waren für mich nie das Problem. Aber die Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen und politischen Versprechungen und der täglich erfahrbaren Realität.

Man brennt irgendwann aus. Jedenfalls, wenn man es eben nicht nur als Job sieht, sondern ernsthaft etwas bewirken möchte.

Leider... :(

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Byzantion  02.07.2023, 17:17
@Campeona

ok, dann muss ich dir das ja gar nicht erzählen, dann weißt selbst gut genug bescheid. mich stört auch immer dieses „händeringend gesucht“. in meiner ausbildungsphase hat man die ansprüche hochgesetzt und ich hatte nie das gefühl, dass ich gebraucht wurde, geschweige denn händeringend. ich habe mich seit jeher immer für meine fächer interessiert, pädagogik verkam immer zu irgendwelche gesellschaftsstudien, die akademisch wertvoll und für die praxis sinnlos waren. so hat sich später das als nutzlos in der praxis erwiesen, was vorher als unentbehrlich dargestellt wurde. nie wieder

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Campeona 
Fragesteller
 02.07.2023, 19:32
@Byzantion

Was ich auch als schlimm empfand, waren diese ganzen gesellschaftspolitischen Events etc., bei denen es immer nur um die Selbstdarstellung der jeweiligen Institutionen bzw. Führungskräfte und eine positive Medienpräsenz ging, nicht aber um das Wohl und die individuellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen. Genau wie bei den ständig zunehmendem Wulst an abzuarbeitenden Dokumentationen, Statistiken und bürokratischem Schnulli in den Kitas.

Das alles ging zu Lasten der Zeit und Aufmerksamkeit, die eigentlich den Kindern selbst hätte gelten sollen. Und das bei ohnehin chronischer Unterbesetzung, einem hohen Krankenstand und viel zu großen Gruppen.

Dann noch die hochgepriesene Inklusion, wo man plötzlich noch zusätzlich immer mehr Kinder mit diversen körperlichen und psychischen Störungen in der Gruppe hatte, die noch wesentlich mehr individueller Aufmerksamkeit bedurften und teilweise auch die gesamte Gruppendynamik und die täglichen Routinen komplett durcheinander brachten.

Manchmal hatte ich das Gefühl, dass da in den Ministerien und Führungsetagen Leute sitzen, die pausenlos darüber nachdenken, wie sie dich mit ihren immer neuen Anweisungen, Experimenten und "Verbesserungsvorschlägen" so effektiv wie möglich von deiner eigentlichen Aufgabe, nämlich der Arbeit mit den Kindern, abhalten können.

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