Gibt es wirklich so viele arme Menschen?

16 Antworten

In Baden Baden werden wahrscheinlich kaum Rentner in den Mülltonnen nach Pfandflaschen suchen ... Ich bin in Berlin und sehe das immer häufiger.

Es ist eine Schande, wievielen Menschen es in diesem Land finanziell so schlecht geht, dass sie zur Tafel gehen müssen und mit der zu befüllenden Tasche auch gleich die Würde mit über den Tresen geben. Natürlich geht es den Menschen hier noch anders, als in Drittländern. Allerdings hinkt dieser Vergleich ohnehin.

Bald kommt der Winter und wieder werden Obdachlose nachts draußen erfrieren. Ihnen werden keine kleinen Wohnungen zur Verfügung gestellt. Sie bleiben das sichtbare Schandbild dieser zu großen Teilen verrohten Gesellschaft und der Regierung. Für diese Menschen ist nichts da. Für andere gibt es genug Geld. Da weden auch Wohnungen aus dem Boden gestampft. Solidarität ist ein großes Wort.

Der Reichtum in diesem Land ist ungleich verteilt. Das ist doch wahrlich keine Neuigkeit. Von daher triggert mich deine Frage genauso, wie der Wortlaut, in dem du sie stellst.

Ich höre immer nur Gemecker und Geplage das man angeblich jeden Cent umdrehen muss

Natürlich wird das Leben auch etwas unbequemer für diejenigen, die wesentlich mehr Geld zur Verfügung haben. Aber das ist noch immer kein Vergleich zu den Menschen, denen es wirklich finanziell schlecht geht. Zur Miete, den Lebens- und Arzneimitteln, die schon vorher kaum finanzierbar waren kommen jetzt horrende Energiekosten. Diese Menschen haben auch schon lange vorher jeden Cent dreimal umgedreht. Das ist schwer vorstellbar für jemanden, der immer aus dem vollen schöpfen kann. Das neueste I-Phone, jedes Jahr mindestens eine Fernreise, immer genug Geld für Kultur und Ausgehen (das schützt vor Einsamkeit und Isolation) ...

Ja, das Gejammere und Gemeckere wird lauter. Und das ist richtig so. Wir haben in Deutschland schon lange Probleme, die ignoriert wurden.


BenniXYZ  28.09.2022, 20:40

Von Obdachlosen hast du jedenfalle keine Kennung. Es ist ja nicht so, daß sie auf der Straße leben müssen. Sie können sich Hilfe bei den Sozialämtern suchen. Wollen sie aber nicht. Das ist etwas anderes, als du behauptest. Sie wollen frei sein und so leben. Auf der Straße. Wir haben regelmäßig deutsche Bettler über Weihnachten in Südfrankreich getroffen. Die pilgern da regelrecht hin, verabreden sich und sind froh über die höheren Temperaturen. Die wollen nicht in ein Obdachlosenheim. Dort ist es zwar warm, aber zu viele Alkis und Probleme.

Und ja, die Armut nimmt zu. Trotzdem meckern wir auf hohem Niveau. Das Bürgergeld entfacht eine Neiddiskussion zwischen Armen und noch Ärmeren. Gehört wird scheinbar nur noch, wer auch laut schreit und meckert. Leider gibt es aus der Meckerecke keine konstruktiven Lösungsvorschläge.

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isilang  28.09.2022, 21:01
@BenniXYZ

Nur sind wir hier leider nicht in Südfrankreich, sondern in Deutschland.

Obdachlose können in Obdachlosenunterkünften übernachten, wenn es freie Plätze gibt. Die Schlangen vor den Notunterkünften sind lang. Sie teilen sich dann einen Raum mit anderen Obdachlosen, haben null Privatsphäre, müssen Angst davor haben, dass das Wenige, was sie überhaupt noch besitzen ihnen gestohlen wird ... etc... pp.

Ich weiß ja nicht, wo du lebst. Ich sehe jeden Tag etliche kranke, teils verkrüppelte, arme, obdachlose Menschen, die ganz sicher nicht den Traum von Freiheit und Unabhängigkeit leben. Und ich spreche hin und wieder mal mit ihnen. Gar nicht weit entfernt ist eine Notunterkunft. Da muss ich oft vorbei. Es werden immer mehr. Deine paar Bettler mögen das anders sehen. Das gibt es. Das ist allerdings nicht die Regel. Obdachlose entscheiden sich gegen Notuntetkünfte, weil sie die Nähe von anderen oft schlecht ertragen. Privatsphäre ist auch diesen Menschen wichtig.

Das sind Menschen, die oftmals schwere Schicksalsschläge erlitten haben. Das kann jeden treffen.

Ich habe für solches unempathsiches Geschreibe gar nichts übrig. Manchen Menschen täte es vielleicht mal ganz gut, die Rollen zu tauschen. Vielleicht verstehen sie dann etwas mehr.

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zetra  29.09.2022, 11:42

Gut erkannt, allerdings wird das noch immer angezweifelt, mit der zynischen Aussage, "selber Schuld!"

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Als Land ist Deutschland gut situiert und es gibt auch viele Reiche oder finanziell gut dastehende Leute. Aber es gibt eben auch sehr viele die grade mal den Mindestlohn bekommen oder so wenig verdienen das man davon kaum noch Essen kaufen kann. Und so einfach ist es mit den sozialen Leistungen leider nicht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Schulische und normale Ausbildung + an der Uni gearbeitet

Wir haben ein sehr verdrehtes Bild von Amrut in Deutschland.

Ich verstehe zum Beispiel nicht warum es so viele Menschen als traurig empfinden, dass Arme zur Tafel gehen. Es zeichnet doch ein gutes Zusammenleben aus, dass man Lebensmittel die sonst weggeworfen werden Bedürftigen gibt.

Das hier so viele Menschen Mülleimer durchsuchen mag auch daran liegen, dass wir Flaschenpfand haben. Ob das wirklich jeder muss, wage ich zu bezweifeln. Der ein oder andere hat damit eben ein besseres auskommen. Ohne Flaschenpfand ist hier aber vorher auch noch keiner verhungert.

Was es wenig gibt, ist eine vermögende Mittelschicht. Die hohen Steuern und Sozialabgaben, die auch schon bei mittleren Einkommen kräftig zulangen und der schlechten finanziellen Bildung der Deutschen, sorgt dafür, dass selbst weite Teile der Mittelschicht nur ein Gehalt davon entfernt sind in den Sozialbezug zu fallen. Dadurch entsteht bei vielen ein permanenter Druck.


isilang  28.09.2022, 15:08

Es ist ein Problem, dass es in diesem reichen Land überhaupt Bedürftige gibt. Außerdem ist es für viele Menschen schambehaftet, zur Tafel gehen zu müssen, weil die eigene Kraft und das Geld nicht einmal ausreichen, sich zu ernähren.

Es gehen immer mehr alte Menschen zur Tafel, die ein Leben lang gearbeitet und den Grundstein für den Wohlstand der jüngeren Generationen gelegt haben.

Wenn das kene Gründe für Traurigkeit sind, weiß ich auch nicht ...

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Apoka392  28.09.2022, 15:23
@isilang
Es ist ein Problem, dass es in diesem reichen Land überhaupt Bedürftige gibt.

Genau das verstehe ich nicht. Auf der einen Seite wird ständig von mehr Umverteilung geredet, dann gibt es mehr Umverteilung, dass ist aber auch wieder nicht richtig. Wie soll denn jemand der schwer krank ist für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen können? Das kann doch nur von der Wohlfahrt anderer kommen.

Außerdem ist es für viele Menschen schambehaftet, zur Tafel gehen zu müssen, weil die eigene Kraft und das Geld nicht einmal ausreichen, sich zu ernähren.

Und warum ist es das? Mit Sicherheit ist ein Teil der Antwort, dass man nun Mal von anderer Leuten erwirtschafteten Gütern leben muss, aber ich glaube dass ein anderer Teil auch das ständige schlecht reden eben dieser Institutionen ist. Wenn man nicht ständig betonen würde wie furchtbar das ist, dass man von Supermärkten weggeschmisses Essen bekommt, dann wäre das vielleicht auch nicht so negativ behaftet, siehe food safer. Die machen das sogar freiwillig.

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isilang  28.09.2022, 21:33
@Apoka392

Ja, das stimmt - dafür gibt es die Wohlfahrt. Also auch Menschen, die arbeiten und zuwenig verdienen, müssen mittlerweile vermehrt zur Tafel, um sich Lebensmittel zu holen, die sie sich nicht leisten können. Das finde ich sehr traurig. Dass diese Menschen schambehaftet sind, spricht FÜR ihre Bescheidenheit. Das sind keine Raffer, die alles nehmen, was es gratis oder für einen symbolischen Euro gibt. Sie werden dabei gesehen, wie sie die Waren abholen. Das erfüllt sie mit Scham. Der Rand der Gesellschaft. So werden sie doch betrachtet Diese Menschen haben doch auch Gefühle.

Wenn man nicht ständig betonen würde wie furchtbar das ist, dass man von Supermärkten weggeschmisses Essen bekommt, dann wäre das vielleicht auch nicht so negativ behaftet, siehe food safer. Die machen das sogar freiwillig.u

Also ehrlich... Du musst die Dinge nehmen, die vom Supermärkten weggeschmissen werden, damit du etwas zum Essen hast ... Also mir wird echt übel und ich werde wütend, wenn ich mir das auf der Zunge zergehen lasse. Du bekommst das, was sonst weggeworfen würde. Das hat eine ganz spezielle Botschaft ... Das macht was mit den Menschen.

Food Saver finde ich super. Menschen mit Herz. So etwas ist wichtig. Das ist nicht das Problem.

Die Menschen sind doch dankbar für das Essen. Aber trotzdem schämen sie sich. Scham und Würde sind doch keine kleinen Dinge. Solche Gefühle belasten immens.

Mir bricht jeder Rentner, der in den Mülltonnen kramt, das Herz. Ich bin nahezu jeden Tag mit diesen Menschen konfrontiert. Im hippen Berlin. Wo mit Gebäuden, Wohnungen spekuliert wird, wo die Mieten am Anscnlag sind und das Geld regiert, während die Menschlichkeit immer weiter verschwindet. Leute verlieren ihr Zuhause, müssen zur Tafel ..

Vieler dieser Menschen haben auch "Güter erwirtschaftet", aber sie verdienten zuwenig und / oder die Kosten explodierten.

Und das alles passiert garantiert noch viel mehr Menschen. Nur werden wohl zukünftig weniger Lebensmittel für die Tafeln übrigbleiben. Das wird alles immer weniger werden. Die Not wird steigen.

Wohl dem, der diese Sorgen und Nöte niemals kennengelernt hat und niemals kennenlernen wird.

Zur Fragestellung: Ja, es gibt als arm geltende Menschen hier, die massive Probleme haben, durchzukommen. Da wird jeder Cent fünfmal umgedreht. Ja, diese Menschen leben noch besser, als Obdachlose. Aber sie leben immer in Sorge, immer in Angst, dass sie irgendwann auch ihr Zuhause verlieren.

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Zunächst, bedeutet ein reiches Land, nicht gleich eine reiche Bevölkerung.

Dann haben wir in Deutschland die Situation, dass der Wohlstand sehr unterschiedlich verteilt ist. Wer in Geschichte aufgepasst hat, weiß warum. So haben die Menschen im reichen Südwesten Deutschlands eine ganz andere Weltanschauung als die im Osten. Wo die Reichen sich keine Sorgen um Geld machen müssen und sich Gedanken um die Klimarettung machen, verzichten einige Leute im Osten teilweise schon auf Mahlzeiten.

Daher auch der Irrglaube, der Osten sei durchgehend rechts und voll mit Klimawandelleugnern. Nein, die Menschen dort haben schlicht ganz andere Probleme.

LG.

Armut ist relativ....

Momentan gibt es in Deutschland etliche Menschen, die nur Mindestlohn bekommen und damit - je nach Lebensstil - eigentlich über die Runden kommen, aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage aber künftig Probleme bekommen.