Fentanyl bei opiodnaivem Patienten?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich bin Krankenpfleger und wir haben Patienten, die Pflaster mit dem Wirkstoff Fentanyl bekommen (Durogesic).

Fentanyl Pflaster sind bei korrekter Anwendung selten für Todesfälle direkt verantwortlich. Die meisten Todesfälle lassen sich auf mißbräuchliche Anwendung (zur Erreichung eines Rauschzustands) zurück führen und betreffen fast immer andere Applikationsformen wie Sprays, sublinguale Anwendung oder gar Injektionen. Auch die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind manchmal problematisch und für Todesfälle verantwortlich.

Die Pflaster alleine sind bei korrekter Anwendung meistens relativ unproblematisch. Der große Vorteil ist, dass es zu keinen Schmerzdurchbrüchen kommt, da das Pflaster 72 Stunden verbleibt und kontinuierlich Wirkstoff abgibt.

Im Grunde unterscheiden sich Opioide in ihrer Wirkweise nur geringfügig, lediglich die Dosierung ist stark unterschiedlich, weil sich die Potenz stark unterscheidet. Bei Tilidin sind wir im zwei bis dreistelligen Milligramm Bereich. Fentanyl Pflaster geben Mengen im zweistelligen Mikrogramm Bereich ab.


KlimbimJim 
Fragesteller
 10.11.2021, 12:32

Hallo Panazee,

danke für Deine Antwort. Gilt denn das auch für Patienten, die keine Opiate im Vorfeld erhalten haben? Die Dosis, die ich bekommen soll beträgt 75mg, die höchste Dosis wären 100 und sie schwächste 12.

Ich war etwas verwundert über den Beipackzettel, weil dort ein großes Warnkästchen drin steht (habe ich so noch nie in einem anderen Beipackzettel gesehen). Dort steht explizit drin, dass die Eingewöhnung bei "opioidnaiven" Patienten im Krankenhaus erfolgen muss unter ständer Kontrolle. Außerdem war in Fettschrift angemerkt, dass man mit den Pflastern keinesfalls baden darf, da der Wirkstoff zu schnell abgegeben wird.

Leider weiß ich auch nicht, wie ich die Pflaster korrekt anwenden soll, dazu wurde mir auch nichts gesagt. Wo klebe ich die am besten hin.

Meine Verunsicherung ist nicht nur durch den Beipackzettel entstanden, sondern auch, weil ich, was das Herz angeht, eine fortgeschrittene Insuffizienz habe und die Lunge teilweise an manchen Stellen fibrotisiert und eingesunken ist.

Meinst Du, es besteht da wirklich nicht so das Risiko?

Ich danke Dir ganz herzlich für Deine Antwort!

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Panazee  10.11.2021, 12:52
@KlimbimJim

Das mit dem Baden ist definitiv richtig. Wir kleben die Fentanyl Pflaster mit zusätzlichen wasserdichten Folienpflastern ab, wenn die Patienten baden oder duschen wollen.

Das dir gleich 75 Mikrogramm Pflaster verschrieben wurden finde ich merkwürdig, ebenso dass dir dein Arzt nicht gesagt hat wo am Körper du diese Pflaster anbringen sollst. Das ist schon nahezu fahrlässig.

Das Pflaster soll am Oberarm an einer Stelle ohne Hautschäden angebracht werden. Vorher soll die Stelle mit Wasser gründlich gereinigt werden (keine Seife, nicht eincremen) und trocken sein.

Wenn du von 0 Opioide sofort auf Fentanyl 75 Mikrogramm gehen sollst würde ich in der Tat auf einer Einstellung in einer Klinik oder Schmerzambulanz bestehen. Das ist schon ein massiver Einstieg. Ich bin davon ausgegangen, dass du vorher Tilidin bekommen hast.

Was du auf keinen Fall (!!!) machen darfst ist das Pflaster zu zerschneiden in der Hoffnung, dass du nur die halbe Dosis hast. Dadurch wird der Wirkstoff viel schneller frei gesetzt und du bekommst pro Stunde deutlich mehr Wirkstoff, anstatt wie erhofft weniger.

Deine Herzinsuffizienz würde ich nicht als großes Problem ansehen, deine Lungenprobleme schon eher. Die häufigste Todesursache bei Opioiden ist die Atemdepression und wenn du schon so starke Lungenprobleme hast verschärft sich diese Problemtik sicher noch.

Mit deinem Krankheitsbild würde ich entweder auf die am niedristen dosierten Pflaster bestehen oder auf eine Einstellung unter Überwachung. Wir reden hier ja nicht von Ibuprofen, sondern vom stärksten Opioid auf dem Markt.

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Panazee  10.11.2021, 13:00
@Panazee

Ich möchte noch einmal sicherheitshalber darauf hinweisen, dass ich "nur" Krankenpfleger bin, der Erfahrung mit der Anwendung von Fentanylpflastern hat und über das nötige Hintergrundwissen verfügt, das für die Anwendung nötig ist. Ich bin weder Arzt noch Pharmakologe.

...aber sogar ich sehe, dass etwas komplett falsch läuft, wenn ein Patient nicht einmal in die korrekte Anwendung eingewiesen wurde und mit so einer Dosierung eingestiegen und der Patient damit zu Hause alleine gelassen wird.

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KlimbimJim 
Fragesteller
 10.11.2021, 13:14
@Panazee

Tausend Dank für Deine ausführlichen Erklärungen! Ich hätte da tatsächlich ein paar Fehler gemacht.

Die Sache mit dem Tilidin war so, dass ich das testhalber verschrieben bekommen habe und es nehmen sollte. Das habe ich so ungefähr 4 Tage getan und als der Arzt nachfragte, ob es besser wird, hatte ich zu diesem Zeitpunkt was den Schmerz anbelangt keine Unterschiede feststellen können. Das Tilidin war komischerweise recht niedrig dosiert und ich fragte ihn noch, ob er es höher dosieren kann. Aber seine Antwort war dann nur, wenn Tilidin nichts bringe, dann geht nur noch Fentanyl.

Das vermutlich unangenehmste an der Sache war, dass das alles ausschließlich telefonisch besprochen wurde. Untersucht wurde ich vorher nicht. Ich habe schon gedacht, dass das eventuell ein Versehen war. Denn wenn man so auf die Auswahl an Medikamenten schaut, dann gibt es doch nich einiges, was man hätte versuchen können, bevor Fentanyl kommt.

Das mit dem Durchschneiden des Pflaster hatte ich tatsächlich in Erwägung gezogen. Das werde ich dann jetzt auf keinen Fall tun - Danke für den Tipp!

Vielleicht ist es besser, ich bespreche mit dem Arzt eine Einweisung zu einer richtigen Schmerztherapie. Leider ist der Arzt sehr herrschaftlich eingestellt und kann Fehler nicht zugeben. Mal schauen, ob ich mit ihm darüber nochmal verünftig reden kann.

Ich danke DIr auch für Deine Zeit und Mühe hier!

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