Existiert Neid nur deshalb, weil Ungerechtigkeit herrscht, d.h. wäre alles gerecht, gäbe es keine Neider?

Das Ergebnis basiert auf 25 Abstimmungen

Nein, auch mit Gerechtigkeit gäbe es Neid 92%
Ja, durch Gerechtigkeit kein Neid mehr 8%

11 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Nein, auch mit Gerechtigkeit gäbe es Neid

Denk Dir mal folgendes Szenario:

Da ist ein junger Mann, der sich in der Schule angestrengt hat, um ein gutes Abitur abzulegen, dann studiert er, erwirbt die Doktorwürde und erhält eine Stelle als Wissenschaftler, die mit 5000 Euro monatlich dotiert ist. Nach ein paar Jahren kann er sich ein Haus und ein schönes Auto kaufen und lebt in guten Verhältnissen.

Da ist ein anderer junger Mann, der keine Lust zum arbeiten hat und sich dazu entscheidet, vom Bürgergeld zu leben. Der kann finanziell keine großen Sprünge machen und ist neidisch auf den Anderen, der durch harte Arbeit in der Wissenschaft so viel Geld verdient.

Ich finde, es ist gerecht, dass der Eine gut situiert ist und der Andere am Existenzminimum bleibt, weil er nicht arbeiten will. Letzterer hat keinen Grund für seinen Neid, denn er ist durch seine Einstellung in seine schlechte finanzielle Situation gekommen.

Es gibt also Neid auch mit Gerechtigkeit.


EVYTNG 
Fragesteller
 22.05.2024, 06:44

Der eine war halt von Natur aus motiviert. Der andere ist halt von Natur aus unmotiviert. Das kann man sich nicht aussuchen.

0
Gegsoft  22.05.2024, 07:05
@EVYTNG

Und weil er es sich nicht aussuchen kann, muss er neidisch auf den Motivierten sein?

Ich habe früher auch Leistung verweigert, weil ich ungerecht behandelt worden bin. Dadurch habe ich keinen guten Schulabschluss gehabt und keinen Beruf erlernt. Nach der Schule habe ich beschlossen, mich auf eigene Faust zu bilden. Ich hatte nie einen gut bezahlten Kob, aber ich war nie neidisch auf Reiche Leute, denn ich war es, der sich dazu entschieden hat, die Leistung zu verweigern.

Erst seit 9 Jahren habe ich eine Arbeit, die mich erfüllt und motiviert, weil ich dort mein selbst erworbenes Wissen einbringen kann und mich dadurch unentbehrlich gemacht habe. Durch die Branche, in der ich tätig bin (Elektronik-Schrott), bin ich an einen gewissen materiellen Luxus gekommen. Nun habe ich selbst Neider, weil ich eine Hifi-Anlage habe, die höchsten Ansprüchen gerecht wird. Ich lebe sparsam und habe einige Tausender auf der hohen Kante.

Für mich sind das gute Verhältnisse, gemessen an dem Umstand, dass ich früher die Leistung verweigert habe. Ich habe es meiner Entscheidung zu verdanken, nun doch Leistung zu erbringen, dass ich jetzt einen gewissen Luxus genießen kann. Jedenfalls habe ich keinen Grund zum Neid, weil ich mich damals gegen die Leistung entschieden habe. Durch die Entscheidung zur Selbstbildung lebe ich heute neidfrei in passablen Verhältnissen.

2
EVYTNG 
Fragesteller
 22.05.2024, 07:37
@Gegsoft

Ich bin da in einer ähnlichen Situation, und vielleicht wird es bei mir ja auch so wie bei dir. Ich habe nämlich überhaupt keine Lust zu arbeiten, bzw. mich ausbilden lassen, weiterzubilden zu lassen für mehr Geld. Für mich ist Arbeit grundsätzlich anstrengend, lange, monoton, wiederholend. Aber ich werde dieses Jahr dennoch für paar hundert Euro mehr gegenüber dem Bürgergeld arbeiten, weil das mehr an Geld dann doch merkbar ist. Mal schauen wie lange. Vielleicht werde ich eines Tages auch gut situiert in einem Beruf sein. Aber Neid verspüre ich nicht. Ich mache mir eher darüber Gedanken: https://www.gutefrage.net/frage/ist-nichts-was-der-mensch-ist-und-was-er-selbst-durch-arbeit-erreicht-sein-verdienst-wenn-alles-was-oder-wer-er-ist-praedestiniert-ist

1
Gegsoft  22.05.2024, 07:49
@EVYTNG

Für mich ist meine Arbeit zwar zeitweise anstrengend, aber alles andere als monoton. Ich lerne jeden Tag etwas Neues dazu und das befriedigt meinen seit meiner Kindheit bestehenden unstillbaren Wissensdurst. Ich kann meinen Kollegen Einiges von meinem Wissen weitergeben und ernte Anerkennung dafür.

Ich kann Dich nur zu einer Entscheidung, nun doch zu arbeiten, beglückwünschen. Es wird zwar auch für Dich zeitweise hart werden, aber Du wirst in jedem Fall davon profitieren. Vielleicht findest Du ja auch eine Stellung, in der Du Deine speziellen Fähigkeiten einbringen kannst. Dann wird auch Dir Deine Arbeit Spaß machen. Du kannst Dich selbst für eine gute Position prädestinieren, wenn Du es willst. Die Bereitschaft, etwas zu leisten, wird sich jedenfalls immer auszahlen.

1
Nein, auch mit Gerechtigkeit gäbe es Neid

Neid ist eine komplexe Angelegenheit.

Einerseits will die Person auch Dinge haben, die Andere haben, oder menschliche Zuneigung auf emotionaler Ebene, oder sie neidet Aussehen, Charakter, neidische Menschen gönnen Anderen nichts.

Sie ruhen nicht in sich selbst, sind eifersüchtig auf das, was Freunde besitzen, sie können sich nicht freuen für ihre Mitmenschen.

Das kann an einem schlechten Selbstbewusstsein liegen, Selbstzweifeln und eben Mißgunst.

Neid schadet der Person selbst, sie ist innerlich zerfressen, weil sie nicht aus ihrer Haut können, das schlägt sich in der Mimik und im Gesicht nieder.

Selbst wenn beide Personen identische Dinge besitzen würden, findet die Person, die neidisch ist einen Grund dennoch nissgünstig zu sein.

Im Grunde sind sie arm dran, denn sie werden nie glücklich werden.

Nein, auch mit Gerechtigkeit gäbe es Neid

Ich denke, Neid wird immer existieren, auch bei sozialer Gerechtigkeit.

Nicht wenige Menschen wollen immer das haben, was sie gerade nicht haben. Hat man in der Garage einen Ferrari, neidet man dem Nachbarn seinen Lambo. Hat man eine schöne Frau, neidet man dem Kollegen seine ebenfalls schöne Frau usw.

Wie kann man Gerechtigkeit erreichen? Neid entsteht auch dort, wo er nicht angebracht ist. Jemand besitzt ein tolles Haus und viele beneiden ihn darum. Aber dass diese Person dafür vielleicht 30 Jahre lang 6 Tage in der Woche 14 Stunden dafür gearbeitet hat, sehen viele nicht und wollen auch nicht mit diesem Leben tauschen.

Nein, auch mit Gerechtigkeit gäbe es Neid

Ich würde sagen, da Neid etwas auf emotionaler Ebene ist und jene m.E. auch bei vollständiger Gerechtigkeit existieren, z.B. im Bezug auf Freundschaften, also emotionalen Bindungen, denke ich, dass Neid dann weniger ausgeprägt, aber trotzdem existent wäre.

Nein, auch mit Gerechtigkeit gäbe es Neid

Das Problem zeigt sich ganz deutlich in "Die Farm der Tiere". Um die Ungerechtigkeit abzuschaffen, sollen alle "gleich" werden. Doch was passiert , nachdem der Plan zunächst aufzugehen scheint? Plötzlich werden einige "gleicher" ...

Ob ein Mensch einem anderen etwas neidet, ist meiner Ansicht nach eine Sache der Einstellung eines jeden selbst. Hat ein anderer etwas, was ich nicht habe, warum bin ich dann "neidisch" darauf? Wohl, weil ich es auch gerne hätte.

Nun kann ich natürlich versuchen, etwas zu tun, um es auch haben zu können (dann muss ich darauf nicht mehr neidisch sein, weil ich hab es ja jetzt auch). Ist es etwas, was nur einer haben kann, kann ich versuchen, ihm das wegzunehmen (hab ich es jetzt statt ihm, kann er jetzt mal neidisch auf mich sein). Ist es etwas, was ich nicht haben kann, kann ich nach dem Motto handeln "wenn ich es nicht haben kann, soll er es auch nicht haben dürfen" (das würden wohl Menschen machen, sie sehr neidisch sind, die "dem anderen nichts gönnen").

Oder ich kann mich dazu entschieden, dass das, was ich jemandem neide, bei genauerer Betrachtung gar nicht des Neides wert ist, dann bin ich auch nicht mehr neidisch darauf. Ich gönne ihm seins und ich gönne mir meins.

Ich denke, wir können ein bisschen selbst entscheiden wie neidvoll oder entspannt wir leben wollen. Egal, wie viel oder wenig Ungerechtigkeit es dabei um uns herum gibt. Neid entsteht aus eigener Unzufriedenheit, denke ich. Bin ich glücklich und zufrieden mit mir und meinem Leben, gibt es keinen Grund für Neid.

Unabhängig davon bin ich für mehr Gerechtigkeit / "Gleichheit" / Gleichbehandlung, weil das finde ich "fairer" ist.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung