Meinung des Tages: Am Ende des Tages entscheidet auch der (Nach-)Name - sollten Bewerbungsverfahren für Job & Wohnungen anonymisiert werden?

Wer in Deutschland einen Job oder eine Wohnung sucht, braucht vor allem eines: Durchhaltevermögen. Bewerbungen von Menschen mit ausländisch klingendem Namen allerdings werden häufig bereits im Vorfeld aussortiert. Hier stellt sich auch die Frage danach, wie zeitgemäß und sinnvoll aktuelle Bewerbungsverfahren noch sind...

Gewährte (Chancen-)Gleichheit

Obgleich das Grundgesetz klar regelt, dass kein Mensch angesichts seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse oder seiner Heimat bevorzugt oder benachteiligt werden darf, sieht's in puncto Benachteiligung bei so manchen Menschen, die nicht Müller, Schneider oder Huber heißen, in der Praxis oftmals anders aus: Denn die vermeintliche Herkunft spielt bei der Suche nach einer neuen Wohnung oder einem neuen Job dennoch eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Bereits vor Jahren haben Soziologen nachgewiesen, dass sich Namen oder Äußerlichkeiten, die suggerieren, dass die Person nicht seit eh und je in Deutschland lebt, dessen ungeachtet durchaus nachteilig auf den Bewerbungsprozess auswirken können.

Wenn der Name über Job oder Wohnung entscheidet

Auch wenn manche Arbeitgeber in Deutschland mit Blick auf das Bewerbungsverfahren inzwischen modernere Wege einschlagen, ist und bleibt der Bewerbungsprozess für Job und Wohnung in Deutschland relativ starr und archaisch: Tabellarischer Lebenslauf, Motivationsschreiben, Zeugnisse, Schufa-Auskunft, Motivationsschreiben usw.

Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen haben aufgezeigt, dass Ausländer im Selektionsverfahren seltnener die Chance bekommen, persönlich für einen Job oder eine Wohnung vorzusprechen. Die Bewerbungsschreiben werden von Rekrutierenden nicht selten bewusst oder unbewusst nach der vermeintlichen Herkunft hierarchisiert, obwohl ggf. gleichwertige oder sogar bessere Qualifikationen vorhanden sind.

Eventuell bestehende Vorurteile bzw. Zweifel werden interessanterweise dann jedoch häufig im persönlichen Gespräch abgebaut; sofern der Bewerber überhaupt die Chance auf ein persönliches Kennenlernen erhält...

Migrationshintergrund als hemmender Faktor

In einer neueren Studie für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung wurden 650 Bewerbungsprozesse untersucht und zahlreiche Tiefeninterviews mit Recruitern geführt. Dabei konnte aufgedeckt werden, dass sich diskriminierende Einstellungen häufig sutbil niederschlagen würden: Die Frage nach der Herkunft spiele oftmals keine Rolle, wohl aber die Frage danach, ob die Person zu den Mitarbeitern oder Kunden des Unternehmens passen. Vielfach haben Menschen mit arabisch- oder türkischstämmigem Namen das Nachsehen.

Im Einzelhandel z.B. haben es Kopftuchträgerinnen vielfach schwerer, vor allem in (reicheren) Gegenden mit einem geringeren Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Grob gerechnet haben Bewerber mit Migrationshintergrund und identischer Qualifikation / (Schul-)Bildung gegenüber von Menschen ohne Migrationshintergrund eine um 18 Prozentpunkte schlechtere Chance auf dem Jobmarkt.

Bremsen Bewerbungsverfahren die Wirtschaft in Deutschland aus?

Deutschland krankt derzeit am Arbeitskräftemangel. Jahr für Jahr bleiben viele Lehrstellen unbesetzt. Es fehlen Fachkräfte und arbeitswillige Menschen im Handwerks- sowie Dienstleistungssektor. Dass Bewerbungs- und Einstellungsverfahren und -kriterien hierzulande im internationalen Vergleich recht oberflächlich, sperrig und v.a. bürokratisch daherkommen, wirkt sich vermutlich nicht förderlich auf die Bewerbungs- und Einstellungskultur aus.

Die Autoren der o.g. Studie sehen hier insbesondere die Arbeitgeber in der Pflicht, ihre Einstellungsprozesse moderner und v.a. fairer zu gestalten, indem sie beispielsweise auf Fotos, Namen, Alter und Geschlecht verzichten. Rein anonymisierte Bewerbungsverfahren sind in den USA oder Kanada seit Jahren Standard.

Unsere Fragen an Euch:

  • Wie steht Ihr zu rein anonymisierten Bewerbungsverfahren bei Jobgesuchen? Welche Vor- und Nachteile haben solche Verfahren?
  • Sind aktuelle Bewerbungsverfahren für Job und Wohnung in Deutschland noch zeitgemäß?
  • Sollte man bei Jobabsagen das Recht auf eine ordentliche Begründung für die Entscheidung haben?
  • Welche Möglichkeiten gäbe es für den Wohnungsmarkt, die Chancen für Menschen mit Migrationshintergrund beim Bewerbungsprozess zu erhöhen?
  • Wie könnten zeitgemäße Bewerbungsverfahren für Job und Wohnung in Zukunft aussehen?
  • Habt Ihr ggf. auch schon einmal negative Erfahrungen bei der Job- und Wohnungssuche gemacht?

Wir freuen uns auf Eure Antworten.

Viele Grüße

Euer gutefrage Team

Quellen:

https://www.sueddeutsche.de/politik/bewerbung-diskriminierung-auslaender-1.5711270

https://www.nzz.ch/wirtschaft/arbeitsmarkt-auslaendische-namen-werden-aussortiert-ld.1789548

Bild zum Beitrag
Ich halte wenig davon, da... 64%
Ja, Bewerbungsverfahren sollten anonymisiert werden, weil.. 27%
Andere Meinung und zwar... 9%
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Jobsuche frustrierend, demotivierend, fühlt sich sinnlos an. Wie weiter?

Hallo. Ich habe vor ein paar Monaten meinen Master in Biochemie fertig gemacht. Ich wollte eigentlich längst nicht mehr, habe mich aber durchgebissen weil ich davon ausging, danach einen ordentlichen Beruf zu finden und einmal im Leben was Anständiges zustande bringen wollte. Notendurchschnitt ist... naja, ich hab bestanden. Aber ich bin stolz, es durchgezogen haben. Ich war froher Hoffnung, dass es jetzt aufwärts geht mit mir.

Nun bin ich schockiert, wie wenige interessante Stellenanzeigen es gibt. Wenn sich mal etwas interessant anhört, ist wenigstens Berufserfahrung oder Promotion gefordert. Da brauche ich mich nicht zu bewerben, aber mit ein paar kleinen Ausschlusskriterien bei den möglichen Arbeitsorten (keine AfD-Mehrheit und kein Ballungsraum) bleiben kaum Stellenanzeigen übrig, wo ich mich überhaupt bewerben will.

Ja, verdeckter Stellenmarkt... mir ist bewusst dass es den gibt, aber ich wüsste nicht wie ich darauf zugreifen soll. Ich bin kein Klinkenputzer, der 2000 Leute anschreibt "habt ihr zufällig nen Job für nen verzweifelten 0815-Dude?". Auf Fremde zuzugehen, ist generell nicht meins, ich brauche immer eine Weile bis ich auftaue.

Und wenn ich dann mal was finde, worauf ich mich bewerben möchte, mir zwei Tage Mühe gegeben habe bis ein Anschreiben herauskam mit dem ich zufrieden bin, kommt wahlweise nach einer Woche oder nach drei Monaten ein copy&paste Standardtext mit einer Absage. Der Gipfel war bisher eine Absage wegen mangelnder Berufserfahrung, bei einer Stelle bei der es hieß "Berufserfahrung wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich".

Mir helfen Leute bei den Bewerbungen. Ich hab' nen Berufsberater gefunden, der zugesagt hat sich einmal pro Monat 2-3 Bewerbungen anzuschauen und seinen Senf dazuzugeben, ohne mir was zu berechnen. Ich habe Freunde, die meine Bewerbungen anschauen. Alle sind sie sich einig, ich würde gute Bewerbungen schreiben, ich bewerbe mich auf passende Stellen und eigentlich erfülle ich die Anforderungen. Also daran liegt es nicht.

Der Berufsberater sagt, es sei problematisch dass ich mit Mitte 30 nunmal 10 Jahre älter bin als andere frischgebackene Absolventen. Ja, vor dem Studium ist in meinem Leben viel falsch gelaufen. Nichts wirklich Schlimmes, aber eben Zeit nutzlos verbummelt. Bin ich nicht stolz drauf, aber ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Ich will's ja in Zukunft besser machen. Aber dazu brauche ich auch die Möglichkeit!

Ich bin frustriert und es fällt mir von Tag zu Tag schwerer, mich überhaupt aufzuraffen und weiterzumachen. Gefühlt scrolle ich durch Stepstone und denke mir bei jeder Stellenanzeige, ich würde sowieso ne Absage kassieren wenn ich mich bewerbe, also kann ich es auch bleiben lassen. Aber so erreiche ich halt erst recht nichts.

Allmählich komme neige ich dazu, mich selbst aufzugeben, drauf zu pfeifen dass ich nen Masterabschluss habe und mich an irgendeine Supermarktkasse zu setzen, bis dann irgendwann Rente und Altersarmut anstehen. Ich habe mich gestern Abend in den Schlaf geheult weil ich mich so in die Verzweiflung reingesteigert hatte. Zu der Stimmung hätte ein Psychologe wohl einiges zu sagen, aber der zaubert mir halt auch keinen Job her.

Meine Eltern sind keine Hilfe. Die äußern die Erwartungshaltung, ich solle doch endlich einen Job finden, inzwischen derart vehement dass ich den Kontakt zu ihnen meide. Als ob ich mir nicht schon selbst genug Druck mache.

Ich würde gerne eine Auszeit nehmen, mal in den Urlaub gehen, der ganzen Welt ein paar Wochen den Rücken kehren... da legt allerdings mein Kontostand ein Veto ein.

Habt ihr einen Rat?

Irgendwas, das motiviert, weiterzusuchen?

Irgendwas abgesehen vom Schreiben guter Anschreiben und vollständiger Lebensläufe, das Personaler dazu bringt mich wenigstens mal zu nem Vorstellungsgespräch einzuladen?

Leben, Ratgeber, Psychologie, Frustration, Lebensfreude, Lebenslauf, aussichtslos

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