Hallo
Das Problem ist eine falsche Lesestrategie. Normalerweise werden beim Lesen mehrere Buchstaben auf einmal erkannt. Die genaue Anzahl hängt dabei von 3 Faktoren ab:
- Das menschliche Auge sieht ca. 6-7 Buchstaben in einer normalen Schriftgröße ausreichend scharf für das Lesen (Bereich schärfsten Sehens)
- Wir haben allen ein variables Aufmerksamkeitsfeld, in dem wir wirklich etwas wahrnehmen. Unter Stress wird es oft kleiner (Tunnelblick) und kann sich so weit verkleinern, dass nur noch 2 Buchstaben hineinpassen. Kinder, die nicht oder nur schlecht lesen können haben oft großen Stress => Aufmerksamkeitsfeld ist sehr klein.
- Jeder Mensch kann nur eine bestimmt Anzahl an Objekten auf einmal in seinem Gesichtsfeld also solche erkennen (hier die Buchstaben). Diese Fähigkeit hängt unter anderen auch vom Alter, also der Hirnentwicklung ab.
Der kleinste Wert "gewinnt" hier.
=> Die gute Nachricht hier: Diese Fähigkeiten können leicht trainiert werden.
Das Auge muss jetzt so über den Text bewegt werden, dass alle Buchstaben abgedeckt werden, dabei muss auch lange genug hingesehen werden. Je nach Alter, Übung etc. sind das ca. 50 ms bis hinauf zu 500 ms.
Werden die Augen korrekt bewegt, so erkennt man das an systematischen Sprüngen in Leserichtung, also bei uns von links nach rechts. Siehe verlinktes Video weiter unten.
Jetzt zu deinem Sohn: Viele Kinder (und auch Erwachsene (!)) kommen aus dem buchstabierenden Lesen nicht heraus. Oft merken Sie sich das "Foto" des Wortes und buchstabieren es aus dem Gedächtnis. Das kostet sehr viel Kraft und oft wird auch der Sinn nicht verstanden, einfach weil keine Aufmerksamkeitsleistung dafür übrig bleibt.
Was du mit deinem Sohn machen must, um das Problem zu beheben:
Messe mit einer Software, wie viele Buchstaben er auf einmal sicher erfassen kann. Das können z.B. 4 Stück in 400 ms sein. Wenn er dabei buchstabiert (was ich ganz stark annehme), so gehe anschließend zu 2er- Buchstabenverbindungen und zeige die in den gemessenen 400 ms. Das ist für ihn dann leicht, weil es weniger Buchstaben sind. Die Aufgabe ist jetzt, sofort und ohne buchstabieren zu sprechen.
Beispiel:
Es wird "au" gezeigt, so muss dein Sohn sofort "au" sagen und nicht "a" => "u" => "au". "a" => "u" dabei auch nicht in Gedanken! Deshalb zügig sprechen, dann bleibt dafür keine Zeit.
So bald das funktioniert (kann ganz schnell gehen), mit 3 Buchstaben weiter machen, dann 4 etc.
Erst danach wird überhaupt gelesen. Dabei darf die Texteinteilung (Segmentierung) immer nur so groß sein wie die Zahl an Buchstaben, die dein Sohn auf einmal sicher erkennen kann ohne zu Buchstabieren.
Wichtig: Kann er z.B. nur 3 Buchstaben (bei 2-Klässlern durchaus normal), so dürfen auf keinen Fall Silben verwendet werden, die sind oft länger. Dann werden Endungen oder Wortteile nicht gesehen und weggelassen, z.B. "scho" anstatt "schon". Für den umgebenden Text stellt du einen geringen Kontrast ein, damit er nicht ablenken kann. Da sieht dann z.B. so aus:
Hier geht es sich gerade mit den Silben aus.
Die Augenbewegungen werden jetzt gesteuert. Das Rückwärtslesen kann übrigens mehrere Ursachen haben:
- Nicht lange genug hinsehen (fixieren)
- Die Buchstabiertechnik (vermute ich bei deinem Sohn)
- Der Versuch, den Text zu "scannen". Das geben unsere Augen nicht her, dafür sind sie zu langsam.
- Viele Menschen versuchen, sich die Buchstaben regelrecht zusammen zu suchen (irreguläre Augenbewegungen). Das muss scheitern.
Einen Fernsehbeitrag dazu findest du hier:
https://www.celeco.de/rtl-sendung-legasthenie/
Die Software dafür und viele weitere Informationen findest du hier:
https://www.celeco.de/produkt/richtig-lesen-lernen-uebungs-set-deutsch/
Du kannst da übrigens auch ganz einfach anrufen.
Zu Schuss noch:
Diese Art Fehler machen sehr viele Kinder, gerade das mit dem Buchstabieren. Wird das nicht abgestellt (was kein Hexenwerk ist), so bleibt das bis ins Erwachsenenalter.
Ich hoffe, das hilft dir weiter