Was ist Entropie?

3 Antworten

Wirklich verstehen, "be-greifen", kann man die Entropie, ich sage mal kann man "es", kaum, da es eben nicht be-greifbar, sondern abstrakt ist.

Es ist einfach eine Art "spezifische Energie" (so wie man die Dichte als "spezifisches Gewicht" bezeichnet). Energie pro Stoffmenge aber gleichzeitig auch Energie pro Temperatur.
Aber wichtig ist: Nicht der absolute Betrag der Entropie ist von praktischer Bedeutung, sondern deren Änderung.

Trotzdem: wenn man es wie populärwissenschaftlich als "Maß für die Unordnung" anerkennt, kann man die Formel vielleicht auf seine eigene Art interpretieren:

  • (Dass man es auf die Stoffmenge beziehen muss, ist ja logisch, weil mehr Materie mehr Energie hat.)
  • Dass man es auf die Temperatur beziehen muss, bedeutet:
  • Etwas mit viel Energie und wenig Temperatur hat eine hohe Entropie, oder besser:
  • wenn die Energie zunimmt, ohne dass die Temperatur proportional steigt, dann steigt die Entropie.
  • Beispiel: wenn der Körper seinen Zustand ändert, z.B. schmilzt, hat er mehr Energie aufgenommen, auch ohne dass seine Temperatur gestiegen wäre. Somit hat seine Entropie zugenommen. Und tatsächlich sind die Wassermöleküle in nullgrädigem Wasser ja unordentlicher in nullgrädigem Eis.

Vielleicht hilft das noch, aber das hast du wohl schon gefunden:
https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/physik-abitur/artikel/die-entropie


DerPengi 
Fragesteller
 04.01.2022, 00:11

Wirklich vielen Dank für die Antwort. Ich bin Deine beigefügte Webseite mal durchgegangen und fande unten das interessante Beispiel des Entropieexports des menschlichen Körper. Das Ergebnis ist ein Entropieexport von 21kJ/K. Bedeutet dies also, dass wir sozusagen 21kJ pro Kelvin an Energie entwerten, also ist die Aussage der Entropie die Entwertung der Energie pro Kelvin und dann eben mit Spezifikationen wie molar oder pro Gewicht. Wäre der menschliche Körper wärmer, wäre nach der Rechnung S=Q/T bei gleichbleibender Wärmeabgabe die Entropie kleiner. Würde dies bedeutet, dass wir pro Kelvin weniger Entropie exportieren und die Energie sozusagen effizienter benutzen, da wir pro Kelvin weniger Energieentwertung haben?

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atoemlein  04.01.2022, 23:47
@DerPengi

Ja, so wäre das zu verstehen.
Allerdings: Wenn der menschliche Körper wärmer wäre, müsste er bei gleicher Umgebungstemperatur wohl auch mehr Energie zugeführt bekommen. Somit könnt der Entropie-Export ev. auch gleich bleiben wie bei 37° (also der Organismus gleich ineffizient bleiben).

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Ich verstehe die eigentlich einfache Formel nicht.

Hierzu erlaube ich mir noch eine philosophische Bemerkung. Mir ist auch schon aufgefallen, dass physikalische Phänomene und Prinzipien, die über allem schweben, die das gesamte Universum und das Leben bestimmen, die täglich überall auftreten, denen nichts und niemand entkommen kann, besonders kurz sind. Dafür sind ihre Auswirkungen umso vielfältiger, bedeutender und komplexer.

Da denke ich z.B. an:
E_gesamt = konstant
E = mc^2
dS = dQ/T bzw. dS ≥ 0

Im Umkehrschluss kann man fast schon sagen: Je länger eine Formel ist, umso weniger Bedeutung hat sie.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Habe Thermodynamik im Hauptfach studiert.

Entropie ist einer der abstraktesten Begriffe, die es in der Physik gibt, und daher gar nicht mal so einfach zu erklären. Entropie kann man nicht anfassen, sehen oder direkt messen. Auch viele Physiker, Chemiker und auch Physiklehrer haben mit diesem Begriff größte Schwierigkeiten und können kaum erklären, was Entropie eigentlich sein soll. Selbst bekannte Physiker wie Einstein oder Hawking hatten damit so ihre Probleme und teils sogar bezweifelt, ob es Entropie wirklich gibt oder ob das nicht bloß ein künstlicher menschgemachter Begriff sei. Inzwischen ist aber nachgewiesen, dass Entropie tatsächlich existiert und einen naturgesetzlichen Charakter hat. Insofern darfst du dich nicht ärgern, wenn auch du damit Schwierigkeiten hast, mit dem Begriff „Entropie“ etwas sinnvolles zu verbinden oder sie gar wirklich zu verstehen. Die diversen Zitate aus Lexikas dürften dir da auch kaum weiterhelfen. Daher versuche ich es mal etwas anders, Entropie zu erklären.

Was dir bekannt sein dürfte ist der Energieerhaltungssatz (1. Hauptsatz der Thermodynamik). Dieser Energieerhaltungssatz macht aber nur Aussagen über die Energiemenge.

Nun hat man aber im Laufe der Zeit festgestellt, dass Energie nicht nur nach ihrer Menge beurteilt werden kann, sondern dass Energie auch eine Qualität besitzt. Die Qualität der Energie bemisst sich danach, wie leicht man sie in andere Energieformen umwandeln kann. Die höchste Qualität besitzt dabei die Gravitationsenergie. Sie lässt sich mit Abstand am allerleichtesten in eine andere Energieform umwandeln, z.B. in kinetische Energie. Dazu braucht man einen Gegenstand nur loszulassen und er fällt von alleine nach unten, nimmt also Geschwindigkeit auf. Die geringste Qualität hat Wärmeenergie bei Umgebungstemperatur. So besitzt die Luft der Atmosphäre durch ihre Temperatur jede Menge innere Energie, aber mit dieser Energie z.B. eine Maschine zu betreiben oder einen Körper zu beschleunigen, ist praktisch unmöglich. Um die Qualität der Energie zu beschreiben, wurde der Begriff der Entropie eingeführt. Die Qualität der Energie bemisst sich also nach ihrer Umwandelbarkeit oder anders gesagt, nach ihrer Arbeitsfähigkeit. Denn das ist das wesentliche Merkmal von Energie: sie kann Arbeit leisten. Das kann sie aber nur solange, wie ihre Entropie gering ist.

Jetzt kommt noch eine Schwierigkeit beim Verständnis dazu, weil man sozusagen falschrum denken muss. Umso höher die Entropie, umso höher ist nicht die Qualität der Energie, sondern es ist genau umgekehrt. Je mieser die Qualität, umso höher ist die Entropie. Insofern kann man sich Entropie eher als ein Maß für „Energieabfall“ vorstellen, weil man mit Abfall nichts mehr anfangen kann.

Will das mal an einem Beispiel verdeutlichen. Wenn du irgendwo ein Kilo Äpfel kaufst, reicht nicht nur die Kenntnis der Menge, also 1 kg, denn du musst entsprechend der Qualität dieser Äpfel unterschiedliche Preise bezahlen.

Die teuersten Äpfel haben Handelsklasse A. Sie besitzen noch keine Entropie. Die sind makellos und die kann man unbeschränkt in andere Apfelprodukte umwandeln, sei es ein Apfel zum essen, in Apfelkuchen, Apfelsaft oder was immer du willst.

Äpfel der Handelsklasse B haben schon kleine Qualitätsmängel. Die bietet man nicht mehr unbedingt auf einer Obstschale zum Essen an, aber Apfelkuchen oder Apfelsaft kann man noch gut daraus machen.

Billig sind sogenannte Saftäpfel. Die kommen gar nicht mehr in den Handel, sondern werden nur noch zu Apfelsaft gemacht.

Die schlechteste Qualität haben völlig verfaulte Äpfel, denn aus denen kann man gar nichts mehr machen. Diese verfaulten Äpfel haben damit die maximale Entropie, sie bestehen nur noch aus Abfall.

Nun sagt der 2. Hauptsatz der Thermodynamik aus, dass in einem geschlossenen System die Entropie immer nur zunehmen, aber niemals abnehmen kann. Dieser Grundsatz gilt im gesamten Universum sowohl für die Energie als auch für die Äpfel.

Wenn du eine Kiste mit Äpfeln der Handelsklasse A hast, musst du nichts tun, damit die Entropie zunimmt. Die Äpfel faulen im Laufe der Zeit ganz von alleine. Es ist aber noch niemals beobachtet worden, dass aus einer Kiste mit fauligen Äpfeln im Laufe der Zeit von alleine Äpfel der Handelsklasse A wurden.

Energie verfault nicht, da spricht man von Entwertung oder Dissipation. Alle Energie strebt danach, entwertet zu werten und das geht auch von alleine. Alle Energie strebt dazu, sich letztlich in Wärme umzuwandeln. Bei allen praktischen Prozessen, bei denen Energie umgewandelt wird, entsteht meistens durch Reibung auch Abwärme, mit der man nichts mehr anfangen kann. In dieser Abwärme steckt die entstandenen Entropie. Diese Abwärme verringert immer auch den Anteil der Energie, der umwandelbar bzw. arbeitsfähig bleibt.

Um die Entropie in einem geschlossenen System zu verringern, also die Qualität anzuheben, muss immer Energie zugeführt werden, von alleine passiert das niemals. Hättest du also eine Kiste mit Äpfeln der mittleren Entropie, sprich die sind nur halbe verfault, könntest du Energie aufwenden, indem du überall das faulige wegschneidest und wegwirfst und aus dem Rest könntest du immerhin noch Saft machen. Genauso wäre das auch mit Energie. Um die Entropie in einem geschlossenen System zu verringern, musst du von außen hochwertige Energie zuführen. Der Energieabfall, also die Entropie, würde dann in der Umwelt landen und deren Entropie entsprechend erhöhen.

Häufig wird Entropie zu Beginn des Unterrichtes auch als ein Maß für die Unordnung bezeichnet. Bei geschlossenen Systemen ist das auch noch in Ordnung, bei komplexen Systemen führt diese Vorstellung aber in die irre. Hohe Ordnung bedeutet dabei hohe Qualität, also niedrige Entropie, während eine maximale Unordnung eine niedrige Qualität also maximale Entropie bedeutet.

Meist wird als Vergleich ein Zimmer angeführt. Ein frisch renoviertes, neu eingerichtetes, sauberes und aufgeräumtes Zimmer hat die höchste Wohnqualität, also die minimale Entropie. Wohnt man darin und macht ansonsten nichts, nimmt die Unordnung, die Verschmutzung, die Vermüllung konstant zu. Die Wohnqualität wird immer geringer, die Entropie nimmt ständig und ganz von alleine zu. Nur wenn man Energie aufwendet, kann man die Entropie wieder verringern. Dazu muss man putzen und aufräumen und den Schmutz und Abfall aus dem Zimmer hinausbefördern.

So könnte z.B. Muttern sagen: "Jetzt räume endlich mal dein Zimmer auf", während der Vater, wenn er Physiker ist, sagen könnte: "Du solltest mal wieder die Entropie deines Zimmers verringern."

Beim Zerstören von irgendetwas wird Ordnung zerstört bzw. hochwertige Energie in Wärme umgewandelt. Das geht leicht oder fast von alleine, weil dabei Entropie erzeugt wird. Umgekehrt muss man, um etwas aufzubauen, hochwertige Energie investieren. Und da das entgegen der natürlichen Richtung der Entropieerzeugung erfolgt, ist das wesentlich aufwendiger bzw. anstrengender.

Zusammenfassung:

Entropie ist ein Maß für die Qualität von Energie. Je höher die Entropie, umso mehr wurde die Energie bereits Richtung Abwärme entwertet und umso geringer ist ihre Fähigkeit, Arbeit zu leisten. Alle Energie im Universum hat aber das natürliche Bestreben, sich entwerten zu wollen.

In der Formel
dS = dQ_rev / T
steckt praktisch das drin, was ich oben erläutert habe.

Wärme ist der Hauptträger der Entropie, deshalb wird sie auf die Wärme Q bezogen.

Wärme ist aber nicht gleich Entropie, denn entscheidend ist, was man mit der Wärme noch anfangen kann, welchen Anteil man noch in Arbeit umwandeln kann. Je tiefer die Temperatur ist, bei der Wärme vorliegt, umso wertloser ist sie und umso höher ist dementsprechend die Entropie. Wärme bei 2000°C (z.B. in einem Motor) kanns ehr gut in Arbeit umgewandelt werden. Da ist man flott auf der Autobahn unterwegs. Wärme bei Zimmertemperatur nützt dir allerdings nicht viel. Damit kannst du kaum ein Fahrzeug betreiben. Das drückt sich im Nenner der Entropie aus: je geringer die Temperatur, umso größer wird S.

Wenn ich z.B. eine Wärmemenge von 6000 J habe bei einer Temperatur von 2000 K, dann beträgt deren Entropie:
dS = dQ / T = 6000 J / 2000 K = 3 J/K

Liegt dieselbe Wärmemenge jedoch bei 27 °C vor, hat diese die Entropie:
dS = 6000 J / 300 K = 20 J/K

Die Energiemenge von 6000 J wurde also bei 27 °C schon wesentlich weiter Richtung Abwärme entwertet, da ihre Entropie deutlich höher ist als bei 2000 K.


Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Habe Thermodynamik im Hauptfach studiert.

DerPengi 
Fragesteller
 05.01.2022, 20:44

Wow! Erstmal vielen Dank für die Antwort. Ich bin deinen Text und vorallem deine Zusammenfassung sehr oft durchgegangen. Leider erschließt es sich mir noch nicht warum genau die Energie unwertvoller wird, wenn sie den gleichen Betrag hat und jetzt die Temperatur stetig abnimmt bei gleichbleibender Energie. In der Rechnung erschließt es sich, aber vom Logischen verstehe ich es noch nicht ganz, warum die gleiche Energie bei einer geringen Temperatur unwertvoller wird. Oder wird sie unwertvoller, weil durch die niedrigere Temperatur mehr Abwärme entsteht und sie unwertvoll ist?

LG Lukas

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Hamburger02  05.01.2022, 21:23
@DerPengi

Man muss immer zwei Betrachtungen unterscheiden, eine absolute und eine relative.

Die Entropie ist zunächst ein absoluter Wert. Die Entropie von Wärme strebt zum absoluten Nullpunkt einem Maximum zu. Der Anteil der Wärme, der tatsächlich und relativ zur aktuellen Umgebung nutzbar ist, ist die Exergie, der Anteil, der nicht mehr nutzbar ist, ist die Anergie. Entscheidend ist der Unterschied,wie groß der Abstand zwischen der Temperatur der Wärme und der Temperatur der Umgebung ist, was am Ende umwandelbar ist. Exergie und Anergie heben die Betrachtung auf eine relative Ebene, während die Entropie sozusagen das rein theoretisch mögliche (absolute) ist, falls die Umgebung der absolute Nullpunkt wäre. Je geringer die Temperatur der Wärme ist, umso geringer ist der theoretisch mögliche Temperaturunterschied zum absoluten Nullpunkt.

Die relative Betrachtung über Exergie und Anergie ist wunderbar in diesem Wissenschaftsslam hier dargestellt:

https://www.youtube.com/watch?v=TcsrT7n-Kog

Zur Ergänzung:

Die relative Anergie B lässt sich leicht über die absolute Entropieänderung unter der Berücksichtigung der Umgebungstemperatur berechnen:

B = Tu * dS (für den reversiblen Fall)
mit
dS = dQ/T ertgibt sich dann:
B = Tu/T * dQ

Man muss also die Entropieänderung einfach mit der Umgebungstemperatur multipilizieren, um den nicht mehr umwandelbaren Anteil zu ermitteln.

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DerPengi 
Fragesteller
 06.01.2022, 21:49
@Hamburger02

Ich habe mir nun eine neue Vorstellung der sinkenden Entropiezunahme mit zunehmender Temperatur entwickelt. Es liegt nämlich daran, dass bei gleicher Wärmezufuhr die Entropieänderung größer ist bei niedrigerer absoluten Temperatur, da die thermische also schlussendlich kinetische Energie der Teilchen kleiner ist und die gleichbleibende Wärmemengenzufuhr einen größeren Anteil einnimmt, als wenn die absolute Temperatur enorm ist und dann nur noch eine geringere Entropiezunahme mitsichbringt, da der Anteil der zugeführten Wärmemenge enorm abnimmt verglichen mit der kinetischen Energie der Teilchen bei höherer Temperatur.

Ist diese Vorstellung richtig oder habe ich es immer noch nicht verstanden, warum die Entropiezunahme bei geringerer Temperatur höher ist?

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Hamburger02  06.01.2022, 21:57
@DerPengi
Ist diese Vorstellung richtig

ich weiß es nicht, aber wenn sie dich zufrieden stellt, ist sie in Ordnung. Bei manchen Dingen speziell in der Physik muss man sich auch schon mal damit abfinden, dass man es sich nicht so richtig bis ins Letzte vorstellen kann. Oder kannst du dir die Entfernungen im All, die Größe des Universums oder die Vielzahl der Sterne vorstellen? Da muss man dann einfach wie ein Pilot bei Nebel ohne Sicht rein nach Instrumenten fliegen und sich darauf verlassen, dass die Instrumente, sprich die Formeln, schon funktionieren werden.

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