Meine Situation ist, dass ich seit über 7 Jahren Vegetarier bin und mich seit knapp 4 Monaten vegan ernähre. Mir ist es persönlich sehr wichtig nach meinen Werten entsprechend zu handeln. Ich habe starke moralische Werte die ich so gut wie möglich für mich vertreten möchte, die mir auch viel bedeuten in meinem Leben und Sein.
Außerdem habe ich verschiedene psychische Erkrankungen, darunter eine depressive Störung, PTBS, etc. Wichtig zu erwähnen ist zudem glaub ich, dass ich nie ein gutes Verhältnis zu Essen und meinem Körper hatte und mich im Alltag viel darum bemühe, eine gesunde Mitte zu finden um nicht zu wenig oder zu viel zu essen. Unter anderem neige ich dazu, mich mit Essen oder auch Alkohol zu einem gewissen Grad zu betäuben, denn das löst in mir vermeintlich bessere Gefühle aus als die, die ich zuvor hatte.
Jetzt zu meinen Problem: ich trau es mich kaum auszuschreiben, aber wenn ich eine psychische Krise habe oder auch einen richtig miesen Tag an dem ich ehrlich gesagt einfach nicht mehr will oder kann, dann habe ich dieses starke Bedürfnis nach Frust(fr)essen. Vorallem auf fettiges und deftiges und süßes sowie Desserts. Lade mir dann Lieferando runter, suche wie hypnotisiert nach Restaurants die gut sind sowie die Speisen anbieten, auf die ich gerade so einen Heißhunger habe. Und da kommt eben ganz schnell auch dieses Bedürfnis, nach Fleisch sowie Soßen/Desserts zu stöbern, die eben nicht vegan oder vegetarisch sind. Ich blende es in diesen Zustand irgendwie komplett aus und seh nur die 'Befriedigung' darin. Obwohl ich aus Erfahrung sagen kann, dass es nicht lange dauert bis es mich nach einer kurzen Zeit, nachdem ich das Essen angefangen habe, wirklich ekelt und ich mich unbeschreiblich schuldig und schlecht fühle. Sowie der größte Heuchler überhaupt.
Ich habe das Gefühl, rückblickend in diesen Momenten nicht ich selbst zu sein und irgendwie disconnected im Bezug auf mich selbst zu sein. Wie eine Art Dissoziation, in der ich all meine Werte die ich sonst so stark fühle und vertrete über den Haufen werfe.
Dazu kommt leider noch eine heftigere Verhaltensweise, die sehr übergriffig meinerseits gegenüber meinen Mitbewohnern ist und die vegane Dissonaz ebenso aufzeigt. Ich bediene mich hin und wieder an Lebensmitteln die nicht mir gehören. Ich bin wie in trance und nur auf die Befriedigung durch die Lebensmittel fokussiert, ähnlich wie oben beschrieben. Als ob ich meinen Verstand und vorallem meine Empathie in diesen Momenten abspalte. Es ist super gruselig für mich und mir ist es außerhalb diesen Zustandes sehr wohl bewusst, dass so ein Verhalten gar nicht klar geht und maximal grenzüberschreitend, asozial sowie super egoistisch ist. Manchmal kann ich es kontrollieren, manchmal nicht. Auch je nachdem wie auffällig es sein würde.. Ich schäme mich zutiefst dafür.
Ich bin in psychotherapeutischer Behandlung, habe es mich bis jetzt aber leider noch nicht ansprechen getraut, obwohl es mich innerlich immer wieder zerfrisst und ich so wie in diesen einzelnen Momenten eigentlich nicht bin, nicht sein möchte und so etwas stark verurteile. Somit mich verurteile, was ja irgendwo offensichtlich angebracht ist.
Mir fällt die Frage nach meiner Identität aufgrund meiner psychischen Erkrankungen eh sehr schwer. Wer ich bin, was mich ausmacht, was ich kann, wer ich sein möchte usw. Deshalb fällt es mir enorm schwer, das für mich irgendwie zuzuordnen und diesen Anteil aufzubröseln, was wohl dahinter stecken und wie ich das bearbeiten könnte.
Ich habe von Zeit zu Zeit immer wieder gegoogelt, versucht irgendwas in die Richtung zu finden. Doch ich bin nie wirklich fündig geworden.Vielleicht liest das hier ja jemand, der so eine Verhaltensweise von sich kennt, psychologische Hindergründe kennt oder irgendwas ableiten kann. Die beiden genannten Situationen kommen teils phasenweise vor, so wie Schübe würde ich es bezeichnen. Ich bin einfach komplett verunsichert und verzweifelt was das angeht. Ich werde mich bemühen, die Problematik sobald wie möglich in meiner Therapie zu thematisieren.
Danke für's lange dran bleiben und eure Aufmerksamkeit. Ich bitte darum respektvoll zu sein, da dieses Verhalten meinerseits aus keinerlei Absicht resultiert.