Worauf deutet Brecht?

2 Antworten

Der Mensch verändert sich im Laufe seines Lebens und möchte auch durch das Umfeld als verändert wahrgenommen werden - wahrscheinlich erst recht, wenn das alte Selbstbild dem eigenen Urteil nicht standhielt, während es sich gegenwärtig ganz anders verhält.

Hier trifft der Mann auf Herrn K., der sich unerfreut und/oder erschrocken darüber zeigt, dass seine innere Wandlung nach all den Jahren nicht wahrgenommen wird.


Sobhan805 
Fragesteller
 14.10.2023, 20:52

In welcher Textstelle zeigt sich das ?

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Die Sache liegt dann doch etwas anders, denke ich: Herr K. erbleicht nicht etwa deshalb, weil seine Veränderung nicht wahrgenommen wird, sondern weil er, viel schlimmer, in all den Jahren, in denen sich die beiden nicht gesehen haben, offenbar gar keine Veränderung durchgemacht hat, die der andere bemerken könnte. Er ist immer noch der »Alte«; das Leben ist an Herrn K. vorübergegangen, ohne dass er sich verändert, entwickelt hätte: ein geradezu vernichtendes Urteil! Dass ihm das nicht gleichgültig ist, sondern erbleicht, macht klar, dass er diese Stagnation in seinem Leben als Fehler, als Mangel sofort begreift.

Wir pflegen heute oft zu sagen, beim Abschied: »Bleib, wie du bist!« Aber im Grunde genommen ist das der Aufruf dazu, sich psychisch einzumauern und keine Veränderungen mehr zuzulassen. »Er ist noch immer ganz der Alte« der »Du hast dich echt gar nicht verändert« ist demzufolge alles andere als eine positive Bemerkung, alles andere als ein Kompliment! Und diesen Mangel an Entwicklung, diesen Mangel an gelebtem Leben, hat Brecht in einem einzigen Wort zu konzentrieren vermocht. Herr K. weiß nur zu genau, dass er eigentlich anders – tiefer, aufrichtiger, authentischer, intensiver, menschlicher – hätte leben müssen, in einer Weise jedenfalls, die auch für andere von außen erkennbar gewesen wäre. Als sein Bekannter ihm aber sagt, dass K. sich nicht gar nicht verändert habe, erkennt K., dass er all die Jahre über offensichtlich falsch gelebt hat: zu lasch, zu oberflächlich, zu gleichgültig – und erschrickt darüber regelrecht, als er das erkennen muss. Der Schreck der Erkenntnis, falsch gelebt zu haben, seine Lebenszeit jahrelang nicht genutzt zu haben, um sich als Person, als Mensch zu weiter zu entwickeln, fährt ihm regelrecht in die Glieder: Herr K. »erbleichte«.