Wie war es in der DDR aufzuwachsen?
Hey GF-Community,
ich stelle mir oftmals die Frage, wie es als junger Mensch in der DDR war, wie es aus der Sicht eines dort lebenden im Sinne Politik war und wie die Politik ins Leben eingriff.
Daher, dass alle meine Familienmitglieder aus der BRD stammen und dort aufgewachsen sind, kann ich keinen fragen.
Mich würde es sehr interessieren und ich freue mich schon auf eure Antworten!
9 Antworten
Ich habe 18 Jahre in der DDR gelebt.
Ich fand diesen Staat ebenso wie meine Mitschüler und meine Familie schrecklich.
Mein Landkreis grenzte direkt an die damalige BRD. Fast alle Familien hier bekamen Westbesuch und Westpakete. Für jeden war ersichtlich, in was für einer Mangelwirtschaft wir hier lebten.
Meine Großeltern erzählten mir schon als Kind, wie schlimm damals die Enteignung ihres Betriebes war.
Ich bin Katholikin. Als ich mich um eine Bürolehrstelle bewarb, wurde mir vom Betriebsdirektor und vom Schuldirektor gesagt, dass dafür die Jugendweihe zwingend erforderlich sei. Damals musste man sich da in einem Gelöbnis zum sozialistischen Staat bekennen. Für Eltern konnte eine Nichtteilnahme auch die Versetzung in die Produktion bedeuten.
Unliebsame Sachen ließ man im Geschichtsbuch der Schule einfach weg.
Am Schuljahresende kamen die besten Schüler auf die Straße der Besten. Plötzlich erschien da bei uns ein mittelmäßiger Schüler. Was brachte ihn dahin? Die Verpflichtung als Berufssoldat der NVA.
Man musste sich genau überlegen, was man wo sagte. Das wusste jedes Kind.
Man bekam nur eine BRAVO, wenn man die aus dem Westen schmuggelte. Im West-TV sah man ersichtlich, wie sehr sich unser armseliges Leben von dem im Westen unterschied.
Ich konnte kein Konzert meiner Stars besuchen, das ging erst ab den 90ern.
Kunst-AGs konnten bei uns gar nicht angeboten werden, weil kein Material da war.
Die Schule war sehr lastig auf Naturwissenschaften. Ich hätte gern noch eine 3. Fremdsprache erlernt.
Ich habe hautnah mitbekommen, wie meine Eltern nur minderwertiges Baumaterial für Reparaturen bekamen.
Ich beneidete die Westdeutschen, die frei wählen konnten. Ich konnte nicht mal ein paar Kilometer weiter in den Westen fahren, um meine Verwandten zu besuchen.
Engpässe an Kinderbetreuungsplätzen gab es nicht, heute hier in der Gegend aber auch nicht. Leihbücher gibt es auch heute an Schulen.
Das Mittagessen hat auch damals Geld gekostet.
Mobbing war an unserer Schule sehr stark. Lehrer waren auf sowas gar nicht ausgebildet, schauten gern weg. Sprach man sie darauf an, sagten sie ein paar Sätze, mehr war da nicht.
Dieser praxisbezogene Schulunterricht war aber nur für die Produktion vorgesehen. Einsätze in Büro, Krankenhaus, Kindergarten oder beim Friseur war überhaupt nicht vorgesehen.
Unsere Schulklassen waren damals viel größer als heute. In der Berufsschule z. B. saßen da 30 Leute.
Fast alle trugen Klamotten aus Westpaketen. Wer die bei uns nicht hatte, wurde übelst gemobbt. Die Grenze war nicht weit.
Ich würde immer mit den heutigen Kids tauschen wollen, weil ich ganz andere Möglichkeiten der Entfaltung hätte.
In meinem Umfeld kenne ich keinen Menschen, der die DDR gut fand.
Und in der Freizeit sah es hier erbärmlich aus. AGs nur Sport und Mathe, dafür brauchte man nicht viel.
Es gab nur einen Sportverein, da wurde nur Männerfußball gespielt. Seit der Wende haben sich viele Vereine gegründet.
Eine Küche hatte hier keine Schule. Es wurde nur das Essen aus einem VEB ausgegeben, das grässlich schmeckte.
Einen Zehn-Finger-Schreibkurs gibt es heute als AG. Damals hatte nur unsere Berufsschule Schreibmaschinen. Ich habe Wirtschaftskauffrau gelernt.
Das Schulessen kostete 55 Cent. Pausenmilch gab es auch.
Von uns vom Dorf nahm aber keiner den Hort in Anspruch. Wir wollten nach Hause zu unseren Großeltern, wo wir viel mehr Freiheiten hatten.
Keine Schule hier in der Gegend hatte einen Spielplatz. Meine Freundin aus der Stadt war im Hort. Sie sagte, da wurde erst gegessen, dann geschlafen, dann wurden Hausaufgaben gemacht und dann ging es nach Hause. Im Schrank standen ganze zwei Spiele, die wurden nur am Freitag vor den Ferien rausgeholt, weil es da keine Hausaufgaben gab.
Spielplätze kenne ich nur aus der Stadt. Und unser Kindergarten im Dorf hatte einen.
heute hat unser Dorf zwei weitere Spielplätze, aber deutlich weniger Kinder.
Hallo und guten Abend
Wie war es in der DDR aufzuwachsen?
Ich fand's echt toll!
Bin 1970 geboren, komme aus einer hübschen Kleinstadt, liebte es zur Schule zu gehen und war auch 10 Jahre auf nur einer Schule, mit den selben Lehrern und Mitschülern. Ich war ab der 1.Klasse im Leistungssport (Leichtathletik ), dann später noch in Vereinen (Sport), liebte Hort- und Ferienspiele, war jedes Jahr im Ferienlager.
Ich bin jeden Tag mit Freunden durch die Stadt gepirscht, hab Dinge erlebt, Altstoffe gesammelt ....
Bin froh, dass ich so eine behütete Kindheit hatte.
Wenn ich mir die heutige Jugend anschaue bin ich erschüttert, enttäuscht, gelangweilt, genervt und voller Mitgefühl.
Es ist richtig, richtig toll ohne Internet, Telefon und so nen Gedöns aufzuwachsen und Selbstwirksamkeit in der Umwelt mit anderen Kindern und Jugendlichen erlernt zu haben.
Klasse wars! :-)
Es war ausgesprochen schön und unbeschwert. Die einzigen aber wirklich eher nebensächlichen Einschränkungen bestanden darin, dass man über politische Ansichten (der Eltern - man selbst hatte ja kaum welche) nicht frei und offen mit jedem reden konnte, wenn es um Kritik an der Regierung ging, dass man nicht jedem auf die Nase band, dass man Westfernsehen guckte (Ausnahme: Mitschüler und sonstige Freunde) und dass man nicht mit westlichen Einkaufstüten mit Werbung herumlief (oder man drehte die Tüten einfach von innen nach außen). Die Sommerferien dauerten übrigens 8 Wochen statt 6 und im Urlaub gings eben an die Ostsee oder ans Schwarze Meer und nicht nach Frankreich oder Spanien.
Bin Bj. 1961, aus Meissen. Die Schulbildung (fachlich) war der heutigen turmhoch überlegen (stöchiometrisches Rechnen, Intervallschachtelung, Wurzelsatz des Vieta). Es gab die GST, für den preisgünstigen Führerschein (aber nicht nur). Es gab Milch in der Schule (billig für die Eltern, teilweise kostenlos). Es gab Mittagessen in der Schule (billig für die Eltern, teilweise kostenlos). Es gab Schulbücher, welche man ausleihen konnte für das Schuljahr. Es gab Sportfeste, Mathematikolympiaden, Es gab die Vogelserie/den S50/51 2-4, konnte man ab der 9. Klasse fahren (mit 15 Jahren). Wenn du den heute kaufen willst, kannst du bis zu 5000 Euro hinlegen. Es gab gezielte Förderprogramme (Musik, Sport, auch militärischer Art). Es gab - garantiert - eine Lehrstelle. Es gab die FDJ, die Pioniere, es gab SERO. Kein Papier lag auf der Straße. Und es gab aber auch eine andere Seite. - Die hieß Maul halten -. https://www.youtube.com/watch?v=0xkY12zVxM4
In der DDR gab es eine starke politische Beeinflussung. Das fing schon im Kindergarten an, ging über die Schule, die Lehre, die Pioniernachmittage, die FDJ-Versammlungen. Immer wollten sie einem einreden, der Sozialismus ist toll, der Kapitalismus ist schlecht. Die meisten Kinder haben das wohl auch geglaubt, man kannte ja nichts anderes als die DDR.
Vernünftig politisch informieren konnte man sich in der DDR nicht, in den Zeitungen und in Rundfunk und Fernsehen wurde nur das gebracht, was die SED wollte, politischer Schwachsinn, der nicht stimmte und auch noch in einem unverständlichen Parteikauderwelsch verbreitet wurde. Die meisten DDR-Bürger konnten Westfernsehen empfangen und holten sich da ihre Informationen.
Politische Sachen gehörten damals zum Alltag, z.B. bei der 1. Mai-Demonstration mitlaufen, Wandzeitungen gestalten, Pioniernachmittage und FDJ-Veranstaltungen, Versammlungen während der Arbeitszeit, wo man sich politischen Quatsch anhören musste.
Danke, Woropa! Hier schreibt jemand die Wahrheit.
Ich komme aus einem Landkreis, der direkt an der Grenze lag.
Wie es aussieht gab es regionsbedingt doch riesige Unterschiede.
Unsere Klasse hatte in der Oberstufe nur 12 Leute. In unseren Partnerklassen sah es ähnlich aus. Schulessen war kostenlos, ebenso gab es kostenlosen Tee (der in Eimern gestellt wurde, hygienisch nicht optimal), Pausenmilch konnte für sehr kleines Geld (Pfennigbeträge pro Woche) zusätzlich geordert werden. Es gab allerdings abseits der Kochfächer auch Küchendienst in Rotation für die Schüler. Erst unmittelbar nach der Wende kostete das Essen und dann zogen die Kosten auch sehr schnell auf 3-5 Mark pro Essen an.
Büroarbeiten während der Praxiszeit war für uns als Wahl durchaus möglich. Einige von uns hatten extra Schreibmaschinenkurse dafür belegt. Wir hatten dahingehend generell sehr viele Möglichkeiten, von Kinderbetreuung (intern im Hort der Schule) über Viehwirtschaft, Maschinenbau bis hin zu besagten Bürotätigkeiten.
Mobbing gab's bei uns allerdings auch. Das gab es früher und gibt es heute. Die Konsequenzen sind andere, so es denn welche gibt. Denn auch heute, wird gern mal weg geschaut.
Eine dritte Fremdsprache war bei uns durchaus möglich, das dann aber eben mit sehr eingeschränkter Auswahl. Russisch war die erste Fremdsprache, Englisch dann als zweite, Polnisch oder Cechisch als Dritte.
Zurück in die alten Zeiten möchte ich nicht, denn wie in meiner Antwort erwähnt, ohne die Wende hätte ich nie die Möglichkeit für s Abi und ein Studium bekommen, aber die Kindheit würde ich nicht tauschen wollen. Es gab fast keine Reglementierungen, wir hatten damals deutlich mehr Möglichkeiten und Freiheiten in der Freizeit. Hauptsache unsere Pflichten waren erledigt und wir waren vor dem Dunkelwerden wieder zu Hause. Der Rest blieb uns selbst überlassen.