Blickwechsel 01. September 2019
Deine Fragen an einen Freimaurer
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Was ist Tempelarbeit?

1 Antwort

Hallo, schlappeflicker.

Bitte entschuldige, dass ich die Frage erst jetzt beantworte. 
Bin gerade erst aus einem Kurzurlaub zurückgekommen...

Tempelarbeit ist - kurz gesagt - das, was in einem Freimaurertempel zelebriert wird.

Tempel darf man hierbei nicht religiös interpretieren, sondern vielmehr dem Wortstamm "templum"=Geschützter Raum entsprechend.

Es handelt sich also um einen abgeschlossenen Raum, in dem zu diesem Zeitpunkt nur Freimaurer anwesend sind, in dem ein freimaurerisches Ritual zelebriert wird. "Arbeit" nennen wir es aus dem Grund, weil wir auch die "philosophische Arbeit" als eine Art symbolischer Bautätigkeit ansehen.

Freimaurerei steht in der Tradition der Bauhütten der Gotik des Mittelalters, aus der sich auch die Rituale der Steinmetz-Handwerke in die heutige traditionelle Freimaurerei tradiert haben.

Statt Gebäude aus Stein zu erbauen, erbauen wir heute - symbolisch - unseren Lebensentwurf oder "bearbeiten" Fragestellungen, die uns im alltäglichen Leben "über den Weg laufen". Die Werkzeuge werden auf diesen symbolischen Bau in analoger Weise angewandt... Ziel ist es, in dem geschützten Raum der Loge verschiedene Konzepte, humanitär zu handeln zu erproben und dann das, was sich für einen persönlich als erfolgreich herausgestellt hat, auch in das Alltägliche hinauszutragen.

Bei den Ritualen handelt es sich um eine Rahmenhandlung, die Bezug auf diesen symbolischen Bau nimmt. Darin eingebettet, finden Aufnahmen in die Freimaurerei - oder Beförderungen in die nächste Erkenntnisstufe - statt.

Die rituelle Arbeit findet in einem sehr feierlichen Rahmen statt - alle Brüder tragen eine besonders festliche Bekleidung... einen formellen schwarzen Anzug, oft auch Smoking oder Frack - je nach Logentradition gerne auch Zylinder. 

Im Rahmen dieser rituellen Arbeit wird aus einem Nicht-Freimaurer eben ein Mitglied der Freimaurerloge - oder später ein Geselle oder Meister. Ob er damit schon zu einem "Freimaurer" geworden ist, wird er sich Abends beim Blick in den Spiegel fragen müssen... denn diese Bezeichnung sehen wir als ein hohes Ideal an - so hoch, dass man ihm möglicherweise ein Leben lang entgegenstrebt, ohne es je wirklich zu erreichen.

Im Kern handelt es sich bei dem Ritual um Wechselgespräche zwischen den symbolischen Akteuren, den (demokratisch gewählten) Beamten, die Funktionen bekleiden, wie es sie auch im Bauhandwerk der Steinmetz-Zünfte gegeben hat. Diese laufen in immer gleicher Weise ab... denn erst das macht ja eine Handlung zu einem Ritual.

Die Aufnahme, Beförderung oder Erhebung in die jeweiligen Grade hingegen gleicht eher einer szenischen Darstellung - ähnlich einem Theaterstück, in dem alle Beteiligten involviert sind. Die Wirkung auf die Beteiligten kommt gerade durch die unmittelbare Beteiligung zustande. Es gibt hierbei keine irgendwie geartete Kostümierung, wie man es aus dem Theater kennt... das braucht es für eine fundierte Wirkung nicht.

Höhepunkt jeder rituellen Arbeit ist ein Vortrag, die ein speziell damit beauftragter Freimaurer-Bruder zu einem Thema ausgearbeitet hat, das ihn oder die Brüder der Loge aktuell gerade beschäftigt.

Dieses Thema darf durchaus aus dem gesellschaftspolitischen Tagesgeschehen oder mit religiösem Bezug sein - keinesfalls jedoch soll es parteipolitische Diskussionen oder konfessionelle Streitgespräche provozieren. Es geht also um das Thema - nicht darum, wer recht mit seiner Einschätzung hat.

Herzliche Grüße

krato333

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung