Warum ist es in der heutigen Zeit so wichtig das man immer und überall Leistung bringt?

15 Antworten

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Um in unserer Gesellschaft nicht unterzugehen, muß man, so traurig es ist, immer bereit sein, an seine Leistungsgrenzen zu gehen. Die Alternative ist (hart aber wohl leider Tatsache) Hartz 4. Klar gibt es auch Aussteiger. Der in Deutschland wohl am bekanntesten ist "ÖffÖff". Da bin ich mir allerdings nicht sicher, ob der Mann nicht ein Fake ist, da er mir als "Aussteiger" zu oft in den Medien präsent ist. Wir müssen als Gesellschaft von diesem "Druck" wegkommen, um uns nicht auf Dauer dem Wachstum und damit dem "Heiligen Mammon" unterzuordnen. Das täte den Menschen gut und letztendlich der Natur unseres Planeten, die,  wie die Menschen selber, eines Tages an disem "höher, schneller, weiter" und vor Allem dem "immer mehr" Zugrunde gehen wird. Nur ein grundsätzliches Umdenken der gesamten Menschheit könnte also an dem derzeitigen Zustand etwas ändern und uns zu zufriedeneren Menschen machen. Aber das dürfte äußerst utopisch sein.

Ich denke, dass Problem liegt hier größtenteils in einer oktroyierten "competitiveness", einer Wettbewerblichkeit auf allen Ebenen. Der / die Einzelne lernt, sich mit immer mehr zu vergleichen und seinen eigenen, unterstellten "Wert" einem Ranking zu unterziehen. Dadurch entsteht zwangsläufig ein (konstruiertes, ungerechtfertigtes) Mangelempfinden, aber eben auch ein Ansporn zum Ausbau der eigenen Gaben. Das wäre aber der glückliche Idealfall. Meist findet Wettbewerblichkeit im Kontext mit unzuträglichen Pseudo-Idealen statt.

 

Man darf sich nicht krank machen lassen von den Einstellungen, Systemen und Vorstellungen anderer, die jede wichtige Idee einschüchtern, bevor die Energie überhaupt geboren wurde. Einige Menschen messen ihren Wert und definieren sich über das Geliebtwerden durch einen anderen Menschen/ andere Menschen und den Preis, den man für ihre Arbeit zahlt. Da es bequemer ist, sich an Messbarem zu fixieren, vergiften diese Menschen viele weitere mit dieser Chimäre. Kleine Erdenbürger beobachten, dass sie gelobt und angenommen werden, wenn sie diese Denkweise kopieren und sich in ihrem Handeln daran orientieren. Irgendwann sind sie süchtig nach der Anerkennung anderer, dass ihnen auch bei wichtigen Lebensmomenten das Denken und Fühlen geraubt wurde. Diese Sucht zeigt sich in der unterbewussten Frage, die man beantwortet finden will – beispielsweise: Werde ich geliebt ? Eine eigentlich doch unwichtige Frage – definiert man sich über sein Sein. Vollkommen losgelöst von sich in der absoluten Freiheit kann sich der Mensch definieren und diese nach der konkreten Situation ins Reale übersetzen. Wichtig wäre das Empfinden des Selbst als „ganzer Menschen“, wenn man alleine ist – das kann die eigen empfunden Liebe sein – zu der Welt, zu Ideen, die man nie aufgeben wird, zu Menschen. Diese kann einem nie genommen werden – durch gar nichts, wichtig ist ohnehin das, was man nicht verlieren kann. Eigene Merkmale, die man realisieren will, Vorstellungen und Empfindungen, die alleine wohnen. Ein Mensch, der alleine Glück empfinden kann, ist fähig, dieses in der Welt anwenden und er kann bewundert werden – auch, wenn seine Noten schlecht sind, der gewonne Preis gering und niemand ihn akzeptiert für sein wundervolles So-Sein und So-Leben. 

Ein "großer Verlierer", der sich an seinem Verstand zu Tode litt:


JackySmith  20.03.2011, 11:29

"Man darf sich nicht krank machen lassen von den Einstellungen, Systemen und Vorstellungen anderer"

 

Wie soll das funktionieren? Wir sind auf dieses System angewiesen. Genauso wie wir auch auf die Menschen in unserer Umgebung angewiesen sind.

Es ist ja schön und gut, wenn man sich von deren Einstellungen und Vorstellungen nicht beeinflussen lässt, aber die Konsequenzen werden dann auch dementsprechend sein. Und das macht wiederum krank. Nur sehr wenige Menschen sind der Sucht nach Anerkennung,  von anderen, wie du sagst, nicht verfallen. Sie sind ihrem Denken und Fühlen noch nicht beraubt, haben es aber dadurch auch nicht leicht. Werden oft krank genauso wie die, die sich all den Einstellungen anschließen, obwohl sie es eigentlich nicht können. Aber finde mal Gleichgesinnte, die einem einen Wert beimessen, der weniger mit Leistung zu tun hat. Das ist zum einen schwierig, zum anderen passen sie sich in der Masse meist trotzdem noch an, um keinen zu großen Schade davon zu tragen und selbst wenn sie sich nicht anpassen, 2 Menschen können sich beispielsweise 1000 Menschen mit ihren Einstellungen kaum halten. Sie ziehen automatisch den Kürzeren, seien ihre Ansichten auch noch so wunderschön.

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Snanifo  21.03.2011, 11:47
@JackySmith

Bedenke, der Weg zu einem Ziel beginnt mit dem 1. Schritt (2 von 1000)!

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Warum ist das so?

Eine der vielen Ursachen könnte das Ford'sche Gesetz der Massenfertigung sein, bei dem ein Aspekt vollkommen ins Hintertreffen gelangt: der Wert der Leistung/des Produktes wird einfach zu sehr herabgesenkt.

Es kommt viel zu sehr auf die schnelle Sättigung der Märkte an, und dem modernen Kaufmann oder der Prfiteure hinter ihm zu sehr auf ein möglichst schnelles Abschöpfen der ganzen potentiellen Konsumentenrente.

Menschlich vorstellbar wäre es sicher gewesen, zu Zeiten von Tante-Emma-Läden, daß man Abends nochmal an die Tür klopft und ganz ohne Ladenschlußgesetz sich z.B. noch eine Packung Mehl beschafft. Tante Emma guckt gern nochmal nach, "Weil Du es bist".

Heutzutage fällt Dir um 21:45 Uhr ein, daß Dir noch was wichtiges in der Küche fehlt, und Du holst es Dir bei der nächsten Filiale einer Supermarktkette, die bis 22 Uhr auf hat. Dort sitzt dieselbe Person an der Kasse, bei der man in der Frühstückspause seine Einkäufe bezahlt hat. Kurzum: diese Arbeitskraft schuftet einen ganzen Tag lang, und das in einer Art Akkord.

Als ich meine erste Ausbildung absolvierte (und das war immerhin auch schon um die Jahrtausendwende, also nicht zu paradiesischen Zeiten!), hieß es schon in der Berufsschule: "Der Trend geht zum Zweitjob, bzw. in Amerika bereits zum Dritt- und Viertjob." Ebenso wurden wir auf Örtliche, tarifliche und natürlich auch berufliche Flexibilität eingeschworen, was danach noch zugenommen hat.

Ich Mensch/Individuum habe mich an den Vorgaben und Gegebenheiten des Marktes bzw. seiner Interpreten zu orientieren, oder besser gesagt mich ihnen bedingungslos zu fügen. Heute in Demmin arbeiten, morgen in Karlsruhe, übermorgen in Emden... mal zu einem Zeitarbeitstarif, mal für 400 Euro, mal in einem unbezahlten Praktikum (zeig erstmal was Du kannst...).

Dem Gegenüber steht ein riesiges Abstraktum Namens Marktwirtschaft, daß alle Spielregeln scheinbar willkürlich zu diktieren scheint. Es ist aber kein Abstraktum sondern ein unüberschaubarer Komplex an mathematischen und sozialen Wechselwirkungen, daß kein Mensch beherrschen kann. Es können nur manche Glückspilze oder manche Ganoven ihren kurzfristigen persönlichen Vorteil daraus ziehen, aber die sind ganz klar in der Minderheit.

Was kann der Mensch machen, um diesem Monster den Schrecken zu nehmen? Es "abschaffen"? Ganz sicher nicht, denn es ist einfach da, sowie die Mathematik und das schlechte Wetter. Aber der Mensch kann es überschaubar machen. Er muß es nur wollen.

Wer das eine will, muß das andere mögen. Ein Leben auf der Überholspur, 100.000 Euro teure Autos, immer der neueste teure Modeschnickschnack, usw., das ist alles nur drin, wenn man sich als Glücksritter in dem großen Komplex versucht und dabei gewinnt.

Wer kleinere Brötchen bäckt, der muß sich wie ich auch mit etwas weniger zufrieden geben. Gier ist schädlich. Und es ist vor allem die Gier, die uns Menschen dazu getrieben hat, eine Ellenbogengesellschaft aufzubauen, in der kein Platz für Verlierer ist. Gewinner sein ist schön. Aber nur halb so schön, wenn man seinen Sieg nicht zusammen mit dem Verlierer feiern kann. Wenn einer nach Hollywood und der andere stempeln geht, dann ist auch das Auseinanderbröseln der Gesellschaft kein Wunder.

Wir lassen uns entwurzeln, zu Konkurrenten machen, wir lassen uns ökonomisch mit asiatischen Sklavenarbeitern vergleichen... wir lassen es zu. Wir kaufen schließlich bei denselben Leuten wieder ein, die hierzulande die Werke schließen, um die Produkte künftig aus Fernost zu importieren.

Wir haben es selbst in der Hand, zu entscheiden, bei wem wir etwas kaufen. Und das ist die Macht vor der sich diverse Marketingstrategen fürchten. Es könnte sie nämlich lügen strafen. Nur es tut ja keiner. Wir haben uns bequem darin eingerichtet, diejenigen, die das Unmögliche von uns verlangen, auch noch dafür zu belohnen, daß sie uns zu entbehrlichen Kreaturen degradiert haben.

Es kommt darauf an, solche Spielchen nicht mitzuspielen. Termine weit auseinander legen. Zur Not mal auf das ein oder andere verzichten, wenn es einfach zuviel wird.

Als ADS-gezeichneter Mensch habe ich reichlich Erfahrung damit, dem Strom der Menschheit hinterher zu hinken und zu lahmen. Ich habe die Erfahrung mit den Kommentaren: "Du bist zu langsam mach mal ein bißchen schneller!", "Das ist doch nur eine faule Ausrede! Krank... von wegen! Faul bist Du, das ist alles!", "Du Nichtsnutz, geh beiseite! Hier sind Profis gefragt!", "Du Loser, was willst Du eigentlich?". Und ich habe die Erfahrung damit, einzusehen, daß man eben verzichten muß, wenn man nicht mithalten kann.

Manchmal tun mir die Leute leid, die "es geschafft haben". Sie waren schnell, sie waren immer am Drücker, sie haben nichts anbrennen lassen. Aber sind sie deshalb jetzt mit sich zufriedener als ich es mit mir bin? Ich wage es zu bezweifeln...


iceteea 
Fragesteller
 20.03.2011, 19:41

Danke für die ausführliche Anwort. Viele Aspeke die du nennst enthalten viel Wahres.

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Ich denke da genau wie du. Unsere Gesellschaft muss alles auf die Spitze treiben. Der ursprüngliche Gedanke ist meistens gut und dann wird weit über das Ziel hinausgeschossen.

Es fängt immer irgend wie mit Schutz oder Förderung an und daraus wird dann plötzlich Zwang und alle die nicht mitmachen wollen, werden zu Parias.

Ich glaube, das ist der kapitalistische Grundgedanke des Schneller, höher, weiter. Wachstum um jeden Preis und in allen Bereichen, nicht nur in der Wirtschaft, wobei  grundsätzlich bei all diesen Dingen auch immer neue Wirtschaftsbereich entstehen oder ausgebaut werden. Schulpsychologen, professionelle Nachilfe, Logopäden... etc. bei Schülern, oder der ganze Wellness- undFitnessbereich für den völlig überzogenen Köperkult.  diese unzähligen Scheißkochsendungen, nur weil ein paar Männer es seit einigen Jahren schick finden ihre Freunde mit Zanderfilet auf Rukola zu verwöhnen. Sobaldf irgendwo ein Trend in Sicht ist, stürzen sich Werbung und Wirtschaft drauf uund alle hecheln hinterher.

Da hilft nur die persönliche Verweigerung.


Snanifo  21.03.2011, 11:45

DAnn hast du dich persönlich verweigert und nicht mehr. Du überlässt also den anderen das Feld. Sie sollen es nur so weitermachen! Aber nicht mit mir! Wem ist da geholfen? Dir!

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