warum in deutschland 230 volt haushaltsstrom, und in usa nur 110 volt?

8 Antworten

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ungefähr aus dem gleichen grund, aus dem man in Amerika in Fahrenheit misst und in Deutschland in Celsius

oder etwa aus dem gleichen Grund aus dem wir in Europa metrisch messen, in den USA in Inch... es wurde, genau wie die 50 oder 60 Hertz einfach mal irgendwann mehr oder weniger willkührlich festgelegt.

bei der Bemessung wurde der beste Kompromiss zwischen Spannung und Strom gesucht.

eine niedrige Spannung hat den Vorteil, dass sie sicherer ist. Isolationen müssen nicht so dick sein, und im Falle eines Stromschlages kann kein so hoher körperstrom fließen.

dafür ist der entscheidende Nachteil, dass für die Übertragung der gleichen Leistung der doppelte Nennstrom erforderlich ist. um große Ströme verlustarm zu führen ist ein neidriger Übergangswiderstand esenziell wichtig.

mit der halbierung der Spannung bei gleichbleibender Leistung und doppeltem Strom vervierfachen sich die benötigten Querschnitte!

gehen wir mal von einer 50 Meter Kabeltrommel mit 1,5 mm² aus. da hat das Kabel einen Schleifenwidertstand von 1,2 Ohm.

sagen wir an dem Kabel hängt ein heizlüfter mit einer Leistung von etwa 2 kW das sind bei 230 volt ca. 9 Ampere. nach dem ohmschen Gesetz fallen in dem fall am Kabel 7,5 Volt Verlustspannung ab. das entspricht einem Spannungseinbruch um etwa 3,3% ist also noch erträglich...

unter gleichen bedingungen, nennspannung 115 Volt, braucht ein vergleichbar starker radiator einen Strom von 18 Ampere.

nach ohmschem Gesetz fallen hier 15 Volt verlustspannung an. von nur 115 entspricht das einem Verlust von 13% um das zu kompensiren müsste man den Innenwidertstand des Kabels auf ein Viertel reduzieren. d.h. statt 1,5 mm² eine 6 mm² Leitung legen.

da 110 (eigendlich ist die nennspannung in den USA seit einiger zeit 120) volt immernoch gefährlich sind, wenn man in die Steckdose packt, erachte ich 230 Volt hier in Europa für die deutlich bessere Lösung...

übrigens, gibt es in den USA auch 240 Volt... die haben ein 2phasiges Netz mit Mittelanzapfung. zwischen X und 0 oder Y und 0 haben die 120 Volt (real 110 - 115) und zwischen X und Y haben die 240 (real 220-230) volt.

das Querschnittsproblem ist übrigens auch dafür verantworltich, dass es in den USA viel mehr trafos gibt. wo hier in Europa ein Trafo für ein halbes Dorf reicht, hat in ländlichen Gebieten in den USA fast jedes Haus einen eigenen Trafo.

wenn man z.b. davon ausgeht, dass eine trafostation hier einen Abgangsquerschnitt von 120 mm² hat, müsste man bei halber Spannung den vierfachen querschnitt also 480 mm² legen...

lg, Anna


railan  04.10.2013, 11:40

Alle Achtung! Du gibst dir hier ja richtig Mühe.

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holgerholger  05.10.2013, 17:31
@railan

Und sie versteht auch noch was von dem, worüber sie spricht, unsere Peppie. DH!

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user2386 
Fragesteller
 05.10.2013, 21:17
@holgerholger

Und sie versteht auch noch was

sie ist ja auch energieelektronikerin !

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Der Unterschied kommt hauptsächlich dadurch zustande, dass im Laufe der Entwicklung unterschiedliche Entdeckungen zu unterschiedlichen Erfindungen an unterschiedlichen Orten geführt haben. Und wie heute ist ja erst einmal alles möglichst "abwärtskompatibel". Hat man einmal mit einem System begonnen, so lässt es sich nachträglich schwer ändern.

Letztendlich ist es aber so, dass die Höhe der Spannung entscheidend ist, wieviel Leistung man übertragen kann. Je geringer die Spannung, desto höher die Verlustleistung durch den Leiterwiderstand und desto kürzer muss der Leitungsweg werden.

Eine gleichbleibende Leistung bedeutet bei halber Spannung den doppelten Strom und damit den doppelten Leiterquerschnitt.

Deshalb wird der Strom auch zunächst mit Höchstspannung (geringer Strom, kleiner Leiterquerschnitt) transportiert und nach Bedarf auf Hochspannung und Niedrigspannung transportiert. So ist die Leistungsübertragung vom Kraftwerk zum Verbraucher mit relativ wenig Verlustleistung und Materialaufwand möglich.

Fazit: 230V~ ist mehr als doppelt so effektiv wie 110V~ bei weniger Material.

Für die Funktionstüchtigkeit der Geräte ist die Betriebsspannung in aller Regel bedeutungslos. Bei den alten Glühlampen ist bei kleineren Spannungen die Lichtausbeute etwas größer. Aber das ist ohnehin Schnee von gestern.

Der Vorteil einer höheren Spannung liegt darin, dass bei gegebener Leistung eine größere Stromstärke und somit eine dickere Leitung erforderlich ist. Da geht es um Materialkosten.

Der Nachteil einer höheren Spannung liegt im höheren Schadensrisiko beim Auftreten von Berührungsspannungen.

Da muss also immer ein technischer Kompromiss gefunden werden. Und da hat man sich eben weltweit nicht auf einen Kompromiss geeinigt. Das ist selbst in Deutschland erst seit einiger Zeit einheitlich. In meiner Jugendzeit gab es auch hier noch regional unterschiedliche Spannungen. In Heidelberg wurde sogar ein Gleichstromnetz für Haushalte unterhalten.

Die USA haben eine geringere Stromspannung, weil sie nicht so fortschrittlich sind.

Die Geräte verbrauchen weniger. Teilweise hat ein Herd nur eins bis zwei Kochplatten, statt wie bei uns vier Stück (Glaskeramikkochfeld)

Erschwerend kommt hinzu:

Dort gibt es kein metrisches System. Statt in Litern wird z.B. in Gallonen gemessen, und so ein Blödsinn.

Die USA sind diesbezüglich, und in vielen anderen Dingen, sehr rückständig.


Sorbas48  05.10.2013, 23:09

Du warst vermutlich noch nie in den USA

Denn in den USA haben die meisten Herde im Haushalt Gasbrenner als Kochstellen. Abgesehen davon, werden alle leistungsstärkeren Geräte wie Waschmaschinen, Klimaanlagen usw. an der 240 V Versorgung betrieben, die es in 95 % der Haushalte gibt.

So nebenbei, den Begriff Stromspannung gibt es nicht.

Die Rückständigkeit der USA kann man natürlich sehr stark am schwachen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf erkennen, da liegen die USA an 11. Stelle.

(und Deutschland an 21. Stelle)

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Nowaja  07.10.2013, 06:39
@Sorbas48

Ist denn das Bruttoinlandsprodukt ein wirtschaftlicher Maßstab?

Wieso liegt dann Luxemburg so weit vorne?

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Das ist eine geschichtliche Entwicklung, die in der Anfangszeit der Stromnutzung liegt.

Anfänglich nutzte man den elektrischen Strom zum Betrieb von Bogenentladungslampen und brauchte dafür 55 Volt, die aber kaum vernünftig zu übertragen waren, so ging man auf die doppelte Spannung (damals auf Basis Gleichspannung)

In Europa gab es zwar anfänglich auch Gleichspannungsnetzte aber allgemein war der Trend zum Wechselstromnetzte und die ersten weiter verbreiteten Netze waren 220 V / 127 V dreiphasige Netze und man nutzte in den Haushalten typisch die 127 Volt.

Die 220/127 V Netzte erwiesen sich bei steigendem Stromverbrauch sehr schnell als zu verlustreich in der Übertragung und da ohnehin bereits eine verstärkte Nutzung der 220 V aus dem 220/127 V Netz einsetzte ging man dazu über die Netzte auf die Spannungseben 300/220 V hochzusetzen.

In den USA hatte man genau das gleiche Problem, nur ging man dort den Weg, dass man die Trafos für die Endverbraucher auf die Masten direkt vor die Haushalte setzte und das Netz auf eine Spannungseben oberhalb 1 kV (heute 10 kV) setzte, eine Praxis die man bis heute in den USA beobachten kann.

Da es nun zwischenzeitig im 220 V Bereich in den verschiedenen Ländern Spannungen von 220 V bis 240 V gab wurde im Jahr 1983 die internationalen Norm IEC 60038 verabschiedet, der die Standardspannung Länder übergreifen auf 230 V festgelegt. Für die Ländern, die Spannungen zwischen 110 V bis 127 V (110, 115, 120, 125) Volt nutzten, wurde die Normspannung auf 120 V festgelegt.

Die Geschichte dahinter ist natürlich viel komplexer, das würde hier aber zu weit führen.