Warum fragt man jemandeN, aber antwortet jemandeM?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Fragen steht mit dem Akkusativ, antworten aber mit dem Dativ.

Wenn Du Muttersprachlerin bist, dann solltet Du das wissen. Allerdings wissen Mut­ter­sprachler meist selbst nicht, woher sie es wissen, sie sagen nur „hier gehört es so, und im anderen Fall anders“.

Wenn Du Fremdsprachlerin bist, dann mußt Du zu jedem Verb dazulernen, welchen Kasus es verlangt. Im besten Fall erreichtst Du irgendwann den Punkt, daß es Dir wie einem Muttersprachler intuitiv klar wird (Lesen hilft dabei sehr).

Wenn es Dich aber interessiert, warum es so ist, dann wird es kompliziert. Und es ist auch nicht garantiert, daß Du die Antwort erhellend finden wirst. Ich probiere es trotz­dem.

Die beiden Kasus Dativ und Akkusativ haben unterschiedliche Funktion.

Der Ak­ku­sa­tiv hat grammatische Funktion: Er markiert das Objekt. Das Objekt ist das­jeni­ge Satz­glied, das beschreibt, wer von der Handlung getroffen wird: ich schla­ge dich, ich liebe dich, ich wasche die Kleidung, ich lerne den Schulstoff. In jedem die­ser Fäl­le geht die Handlung vom Subjekt ich aus und trifft das Objekt, es mag wollen oder nicht. Ver­ben, die so konstruiert werden, heißen transitive Verben.

Der Dativ hat dagegen eine adverbiale Bedeutung: Er beschreibt eine räumliche Rich­tung zu einem ZIel hin, oder auch nur das Ziel, und im übertragenen Sinn den Zweck oder den Nutznießer einer Handlung: ich laufe dir nach, ich gebe dir ein Geschenk, ich vertraue dir etwas an, ich folge dir, ich nütze dir.

In vielen Fällen überlagern sich die beiden Funktionen, und dann ist es weitgehend Zu­fall, welcher Kasus zum Verb gehört, z.B. bedeutet ich helfe dir so ziemlich das­sel­be wie ich unterstütze dich, oder ich drohe dir vs. ich bedrohe dich (Verben mit der Vor­sil­be be- sind immer transitiv, das ist eine grammatische Regel un­abhängig von der Be­deu­tung).

Jetzt wirst Du vielleicht sagen: Ja, das erklärt fragen, denn von der Frage wird man ja getroffen, also nimmt man den Akkusativ. Aber bei der Antwort ist es doch genau­so: Die Frage fliegt zum Gefragten genauso wie die Antwort zum Frager, oder?

Ja, aber jetzt kommt ein historischer Unterschied zum Tragen. Man sagt ich gebe dir Ant­wort (das ist eine typische Dativ-Verwendung, weil es um eine Richtung geht). Das Verb antworten ist aber vom Substantiv Antwort abgeleitet und hat daher ver­mut­­lich die Kon­struk­tion von diesem geerbt (antworten als Kurzform für eine Ant­wort ge­ben). Bei Frage ist es dagegen umgekehrt, hier ist das Substantiv vom Verb ab­ge­lei­tet; da­­her ist das Verb älter, und Umschreibungen in der Art von ich stelle dir eine Fra­ge kön­­nen die Konstruktion des Verbs nicht mehr beeinflussen.

Übrigens ist Antwort eine Zusammensetzung von Wort mit einer Vorsilbe, die Du auch in entgegen findest (sie bedeutet soviel wie ‘gegenüber, davor’ und steckt auch im Wört­chen und). Ursprünglich war Antwort ein Neutrum, hat aber in der frühen Neuzeit sein Ge­schlecht geändert.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

Anna14159 
Fragesteller
 29.06.2020, 19:59

Vielen Dank!

Würdest Du mir irgendein Buch empfehlen (z. B. über die Entwicklung der deutschen Sprache)?

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indiachinacook  29.06.2020, 20:20
@Anna14159

Das ist ein ziemlich großes Faß. Du kannst aber langsam anfangen und Dir zu­nächst ein­mal ein etymologisches Wörterbuch (Kluge) anschaffen, da geht es aber nur um Vo­ka­bu­lar, nicht Syntax oder Morphologie. Dann liest Du Dich in die indo­ger­mani­schen Spra­chen ein (gibt es wahrscheinlich Bücher dazu, aber Wiki­pedia sollte reichen, zu­min­dest die englische) und kannst Dich zum Schmid vorwagen (Einführung in die deut­sche Sprach­geschich­te). Und wenn Du dann noch immer dranbleiben willst, brauchst Du Lehr­bücher für alt­hoch­deutsch und mittel­hoch­deutsch.

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Der Dativ beschreibt, dass jemand etwas erhält - in diesem Fall eine Antwort.

Der Akkusativ wird genutzt, um das direkt Objekt zu markieren - in diesem Fall denjenigen, der gefragt wird.

Das ist allerdings eine ziemlich meta-linguistische Erklärung; i.d.R. sollte man den passenden Fall zum Verb einfach auswendig lernen, sofern er außerhalb der (mutter-)sprachlichen Intuition liegt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Doktor der Englischen Sprachwissenschaft

Anna14159 
Fragesteller
 29.06.2020, 14:37
Der Dativ beschreibt, dass jemand etwas erhält - in diesem Fall eine Antwort.

Man kann auch eine Frage erhalten.

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Adomox  29.06.2020, 14:38
@Anna14159

Klar, das geht schon. Allerdings klingt für mich

"Er hat eine Antworten erhalten" eindeutig geläufiger als "Er hat eine Frage erhalten".

Wenn du die genau Antwort wissen möchtest, musst du dich mit der Sprachentwicklung des Deutschen und spezifisch der beiden Verben beschäftigen.

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Weil im einen Fall Akkusativ steht und im anderen Dativ.


Anna14159 
Fragesteller
 29.06.2020, 14:34

Ja, aber warum?

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Tannibi  29.06.2020, 14:35
@Anna14159

Dafür gibt es keinen Grund. Das muss man auswendig lernen.

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Anna14159 
Fragesteller
 29.06.2020, 14:38
@Tannibi

Ich glaube, dass es einen Grund gibt.

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Anna14159 
Fragesteller
 29.06.2020, 14:54
@Tannibi

Es muss einen Grund geben, auch wenn wir nicht wissen, was der Grund ist.

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Arlecchino  29.06.2020, 15:55
@Anna14159

Wenn Du den Grund wissen willst, lies die Antwort von Indiachinacook. Er hat sich große Mühe gegeben. Ich frage mich, warum der Fragesteller die mit Abstand beste Antwort nicht liest.

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