Waren die Menschen früher anders?

11 Antworten

Der Mensch bleibt sich ähnlich - über alle Jahrtausende

Zum Einstieg ins Thema habe ich ein Foto der GEO-Epoche geteilt, welches die rekonstruierten Gesichter Verstorbener zeigt, die in einem Kloster in England bestattet wurden. Von dem Mann ist sogar der Name bekannt: es handelt sich um den Bischof Walther, der Anfang des 13 Jahrhunderts gelebt hatte. Die Frau wurde etwa 100 Jahre später auf einem Bett von Muscheln bestattet. Wie die anderen, hatte sie vermutlich einen hohen gesellschaftlichen Status und alle stammten aus der Region rund um das Kloster Whithorn Priory, England. Wie man sehen kann, sind es ganz gewöhnliche Menschen. Das vergessen wir manchmal, wenn wir über vergangene Epochen reden.

Bild zum Beitrag

Du stellst eine interessante Frage über das Mittelalter und möchtest gern wissen, wie die Menschen damals so waren und wie sie sich von den heutigen unterschieden.

Diese Frage ist eigentlich kaum zu beantworten. Denn wir können nicht viel über den Charakter von Menschen sagen, die schon seit Jahrhunderten tot sind. Wie würdest du denn den Charakter deines Urgroßvaters beschreiben?

Auch umschließt das Mittelalter eine Zeitspanne von 1000 Jahren und betrifft ganz Europa. Ein Bauer aus Haithabu um das Jahr 800 lebte anders, glaubte anders als sein Berufskollege um 1250 in Xanten.

In unseren Grundbedürfnissen unterscheiden wir uns nicht von den Menschen des Mittelalters, wir haben alle Hunger, Durst, leiden Kälte und Hitze und mögen Sex.

Wir alle streben zumindest in der Mehrheit nach Anerkennung der Gruppe, nach Liebe, sind soziale Wesen die sich in der Gemeinschaft wohler fühlen als allein. Menschen brauchen Planbarkeit, Gewissheiten und Routine - haben aber auch nichts gegen Ablenkung, Spaß und Lachen, Freude, innere Einkehr, Nachdenklichkeit. Wir sind wütend, traurig, fröhlich, zärtlich, draufgängerisch, zurückhaltend, ängstlich, glücklich und unglücklich, lachen und weinen, singen und tanzen, träumen uns gern in andere Realitäten und planen, kalkulieren, überdenken.

Grundsätzlich kann ich aber einige gesicherte Erkenntnisse über das Denken der Menschen ganz allgemein wiedergeben:

  1. Die Menschen waren sehr gläubig. Der Glaube durchzog das ganze Leben, die gesamte Gesellschaft und war Halt und Orientierung und der einzig vernünftige Erklärungsansatz um die Welt überhaupt verstehen zu können. Atheisten hat es mit hoher Sicherheit nicht gegeben, zumindest finden sich keine Anhaltspunkte dafür.
  2. Die Menschen lebten alle in überschaubaren sozialen Gemeinschaften, waren IMMER Teil einer Familie (auch als einfacher Knecht gehörte man der Familie des Bauern an), Teil einer Gemeinschaft: sei es Berufsbünde, der christlichen Gemeinde, der Dorfgemeinde u.v.m. Das heißt: die Menschen waren auch charakterlich sehr darauf aus, sich in den Gemeinschaften einzufinden und darin wohlzufühlen. Daraus folgt weiter: ....
  3. Es gab bis auf einige Ausnahmen keine Individualisten und Leute, die sich "selbst verwirklichen" wollen - ihr eigenes Ding durchziehen.
  4. Freiheit in unserem Sinne und von uns geschätzt, war für die Menschen im Mittelalter nicht nur unbekannt, sie war auch unerwünscht. Denn wer frei war, war auch schutzlos, bezuglos, zwar unabhängig aber auch allein auf sich gestellt. Das war kein Zustand, den man anstrebte. Daher ist das Wort "Vogelfrei" auch kein positives Wort.
  5. Alle Menschen, gleich welchen Standes, waren in einem recht komplexen Beziehungsgeflecht gegenseitiger Abhängigkeiten und Verpflichtungen, die niemals einseitig waren.
  6. Die Gemeinschaften (oben erwähnt) waren klein, überschaubar. Das hatte zufolge, dass die Menschen nicht nur eine hohe soziale Kontrolle hatten, sondern auch ein hohes soziales Verhalten gehabt hatten. Du brauchtest dein Auto nachts also nicht abschließen und hättest sogar den Schlüssel stecken lassen können ;)
  7. Es gab eine sehr hohe Kindersterblichkeit und viele Krankheiten waren noch nicht heilbar. Der Tod war überhaupt Teil des Lebens, man wurde geboren, lebte und starb inmitten seines Lebensbereich, im Kreise seiner Familie.

Aus diesen Fakten ergeben sich folgende Schlussfolgerungen, wie die Menschen so tickten:

  1. die Menschen waren gläubig. Es waren vermutlich viel mehr Menschen fromm als heute.
  2. Die Leute waren emphatischer und sozialer als heute, weniger egoistisch
  3. Die Leute waren hilfsbereiter.
  4. Das Gemeinschaftsgefühl war höher
  5. Individualismus gab es nur wenig.
  6. weniger Kriminalität aber wir wissen, dass...
  7. die Menschen damals gewalttätiger waren als unsere heutige, westliche Gesellschaft. Es gab öfter wüste Schlägereien.
  8. Die Menschen waren verbindlicher: Verabredungen und Vereinbarungen wurden sicher eingehalten, man konnte sich darauf verlassen, wenn einer etwas versprach.
  9. Die Menschen waren sich ihrer Sterblichkeit, ihrer Verletzlichkeit viel stärker bewusst.

Ruhm und Ehre.....

... es gab die hoch- bis spätmittelalterlichen Ideale, die sehr auf Ehre abzielten. Ein Ritter um 1350 achtete sehr genau darauf, dass sein Name einen guten Ruf hatte und sorgte dafür, dass es auch so blieb. In Brügge (aber nicht nur dort) gibt es heute noch ein wunderschönes Hospital aus dem 13. Jahrhundert. Die Räume sind vollständig erhalten. Immer wieder findet sich das Wappen des Ritters, der dem Haus viel Geld gespendet hatte. Das tat er womöglich, weil er ein Hospital für eine unterstützenswerte Sache hielt und es sich auch leisten konnte. Vor allem aber konnte er seinen Ruf steigern, seinen Namen mit dem edlen Glanz christlicher Nächstenliebe schmücken.

Und ja, Tapferkeit, Opferbereitschaft und Kriegsglück waren durchaus angestrebte Ideale eines Ritters.

 - (Psychologie, Mittelalter)

Eden100 
Fragesteller
 26.02.2024, 14:27

Ui hast dir aber mühe gegeben, nicht schlecht

1

Zu jeder Zeit leben andere Menschen in unterschiedlichen Epochen.

Die Umwelt ändert sich. Jedes Lebewesen ist Änderungen unterworfen.

@ Eden100,

vielleicht hast Du schon einmal davon gehört "Zeitgeist"?

Zeitgeist

Zitat:
Zeitgeist ist die Denk- und Fühlweise eines Zeitalters. Er bezeichnet die Eigenart einer bestimmten Epoche beziehungsweise den Versuch, diese zu vergegenwärtigen.

Die Menschen haben sich nie verändert,nur ihre Kultur und Werte.

Daher kann man aus der Vergangenheit, aus der Geschichte der Menschheit die aktuell bevorstehende Zukunft erkennen.

Jede Antike Hochkultur mit hohem Wissen und einer grossen Technik ist an ihr gescheitert und untergegangen.

Und wenn man dann das im Verhältnis betrachtet, so ist die aktuelle Menschheit daran, sich ganz oder zumindest fast ganz auszurotten.

Viel Spass für die Zukunft.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Lesen, fragen, systematisch Forschen, prüfen, erleben, sehen

Selbstverständlich. In andren Zeiten zählten andere Werte und natürlich waren dadurch auch die Menschen anders.

Menschen im Mittelalter hatten oft andere Wertvorstellungen, in denen Ruhm und Ehre eine bedeutende Rolle spielten. Empathie war sicherlich vorhanden, jedoch möglicherweise in einem anderen kulturellen Kontext ausgeprägt. Es ist wichtig zu beachten, dass solche Verhaltensmuster von vielen Faktoren beeinflusst wurden, darunter soziale Strukturen, Religion und Lebensbedingungen.

Woher ich das weiß:Hobby – Ich bin Geschichtefan :)