Wie waren die Unterschiede zwischen Arm und Reich in der DDR?

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Sicher gab es ärmere und reichere Menschen in der DDR, doch war die Schere nicht so groß wie jetzt. Der Betriebsdirektor eines mittleren VEB (also etwa 150 - 200 Mitarbeiter) hatte 2000 Mark Bruttuloh, ein Ingenieur im gleichen Betrieb etwa 1400 Mark und ein Arbeiter ist Brutto leicht auf 1000 Mark gekommen, hatte aber viel weniger Abzüge als ein Gehaltsepfänger. Handwerker konnten sehr reich werden, weil sie schwer zu bekommen waren, auch Bauern, weil sie nebenher noch Tiere mästeten und Obst und Gemüse anbauten was teuer aufgekauft wurde. Aber auch diese alle konnten nur reich werden durch zusätzliche Arbeit und der Reichtum brachte nicht zwingend Vorteile, da er nicht zur Schau gestellt werden konnte ohne entsprechende Steuerprüfungen zu riskieren. Die Kontrolle der Reichen war extremer aals jetzt und hier, dennoch gab es Reiche. Was es kaum gab waren wirklich arme Menschen, weil es Arbeit gab für jeden und Lebensmittel und Wohnraum bezahlbar waren.


stern311  19.09.2013, 20:26

Mein Bekannter hatte einen Wohnwagen umgebaut und hat darin alte und sehr alte Spielautomaten auf Rummelplätzen in der DDR zur Schau gestellt. Natürlich konnte man daran spielen, nicht um Bargeld, sondern um so genannte Token, das waren Spielmarken im Wert von 10 Pf., und die konnten im Gewinnfall in Waren eingetauscht werden. Er bezahlte 90% Steuern auf seine Einnahmen. - Es herrschte neben dem Recht auf Arbeit auch die Pflicht zur Arbeit, wer nicht zur Arbeit erschien, konnte vom ABV (=Abschnittsbevollmächtigter) abgeholt und zur Arbeit gebracht werden. Bei hartnäckigen Verstößen Verurteilung nach §§ 248,249 StGB(DDR) möglich, wurde als Asoziales Verhalten bezeichnet. Es gab auch Arbeitslager. Zwangsräumungen wegen Mietschulden, gab es selten bis nie, den Kindern ihren Unterhalt schuldende Väter gab es aber auch, die Lebensmittel- und Wohnraumpreise (Miete) waren auf Vorkriegsniveau eingefroren, 1-R.whg. zb. 22,-Mk, 3-R.whg 54,-Mk ,1 Straßenbahnfahrt 20 Pfg, 1 kWh Elektroenergie 8 Pfg. Bei diesen Preisen und der daneben herrschenden Materialknappheit war Sanierung ausgeschlossen und Instandhaltung schwierig.

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Claud18  14.01.2016, 13:12
@stern311

Bei Vätern, die den Unterhalt schuldig blieben, konnten die Mütter den Lohn pfänden lassen (ich habe selbst eine Zeitlang in einem Lohnbüro gearbeitet, den Vätern mussten, soweit ich mich erinnere, 200.- Mark verbleiben). Das wurde nur schwierig, wenn jemand mehrere Kinder von verschiedenen Frauen hatte, dann häufte sich irgendwann ein Schuldenberg auf.

Wer seine - zugegeben spottbillige - Miete nicht zahlte, musste zunächst einen Aufpreis zahlen. Zahlte derjenige dann immer noch nicht, konnte durchaus ein Zwangsumzug in eine kleinere und weniger komfortablere Wohnung erfolgen. Ich las dazu einmal einen Gerichtsbericht in der Presse. Auf die Straße durfte allerdings keiner gesetzt werden.

Und mit den 90% Steuern für Selbstständige, das glaube ich sofort. Auch dazu las ich einmal einen Gerichtsbericht über eine Familie, die auf eigene Faust Arbeitshandschuhe produziert, aber ihr Gewerbe nicht angemeldet hatte (und Abnehmer gab es reichlich). Irgendwann wurden sie erwischt, und der Gerichtsreporter meinte dazu, dass sie durchaus hätten dieses Gewerbe ausüben können, wenn sie ihre 90% Steuern gezahlt hätten. Bei 90% Steuern lohnt sich doch die Arbeit gar nicht. Auf diese Weise wollte man wohl die Zahl der Selbstständigen (die es durchaus auch in der DDR gab) möglichst klein halten.

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In den letzten Jahren der DDR kam es vor allem darauf an, ob du an D-Mark herankamst. Manch einer konnte sich von seiner Westverwandtschaft über Genex einen Trabbi spendieren lassen oder sogar ein Fertigteilhaus. Handwerker in Berlin verlangten für Feierabendarbeit (nur diese war lukrativ, und auf einen offiziellen Handwerker musste man monatelang warten) zum Teil schon D-Mark. Leute, die bei der Seereederei arbeiteten oder andere NSW-Kader erhielten einen Teil ihres Lohnes in D-Mark ausgezahlt. Auch die Kirchen im Westen spendierten den kirchlichen Mitarbeitern im Osten ein Weihnachtsgeld in D-Mark. Insofern gab es in den letzten Jahren schon eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Diejenigen, die im Intershop einkaufen konnten und jene, die das nicht konnten. Allerdings: Mit den heutigen Unterschieden in puncto Reichtum und Armut kann man das nicht vergleichen. Zumal auch jemand, der sehr gut verdiente, die Möglichkeit hatte, in den Delikat-Läden Westartikel für DDR-Mark zu kaufen (der hatte allerdings nicht die Möglichkeit, seine Autoreparatur mittels "blauer Fliesen" zu beschleunigen).

Weiterhin gab es auch Leute, die sich einen der in den letzten Jahren eingeführten VW-Golf oder einen Volvo mit DDR-Mark leisten konnten.

Gut verdient wurde z. T. auch in der Gastronomie, sämtliche Über- und Sonntagsstunden wurden samt steuerfreien Zuschlägen bezahlt (vergleich das mal mit heute), und für Leistungslohn (auch in anderen Branchen) wurden nur 5% Steuern fällig. Wer also keinen Leistungslohn bekam, hatte zum Schluss auf Grund der hohen Lohnsteuern weniger in der Tasche als jemand, dessen Lohn sich aus Grund- und Leistungslohn zusammensetzte. Da war der Betriebsdirektor nicht unbedingt im Vorteil.

Die Schere zwischen Arm und Reich klaffte bei weitem nicht so weit auseinander wie heute, und ich habe auch diesen Dünkel gemäß dem Motte: "Haste was, dann biste was" nicht kennengelernt.

Die Schere ging nicht so weit auseinander wie in Westdeutschland (wobei sie dort bis in die 80er auch nicht so weit auseinanderging wie heute; die Selbstbedienungsmentalität hat mächtig zugenommen). Es gab vergleichsweise hohe Einkommen in der DDR, so Faktor 5 bis 10 zum normalen Arbeiter im Spitzenmanagement, in einigen Fach- und Handwerksberufen und dem einen oder anderen Selbständigen.

Allerdings war in der DDR das Steuersystem sehr progressiv, hohe Einkommen wurden überproportional besteuert, so dass es eine gewisse Korrelation zwischen hohen Einkommen und Schwarzgeld gab.

Da Statussymbole wie teure Autos, Flugreisen in die Südsee, Schmuck, Luxusimmobilien nur sehr begrenzt verfügbar waren und offenes Zeigen von Reichtum auffällig gewesen wäre, unterblieb dies meist. Manche Statussysmbole waren auch auf anderem Wege (Dienstwagen, FGB-Reisen,...) als nur über Geld zu haben.

Entscheidender Unterschied war, dass Möglichkeiten mit Geld Geld zu verdienen in der DDR kaum existierten. Es gab zwar privaten Grundbesitz aus früheren Zeiten, auch von Mietshäusern, aber aufgrund der kontrollierten Mieten und der schlechten Verfügbarkeit von Baumaterial war das kein echter Spass. Zudem konnte man nicht mehr neu kaufen. Aktien, Firmenanteile Pfandbriefe usw. gab es auch nicht, direktes Eigentum an Produktionsmitteln nur sehr begrenzt und nicht als Kapitalanlage.

Erbschaften waren hoch besteuert, so dass Reichtum nur begrenzt vererbt werden konnte.

Das ist schwierig zu beschreiben, weil diese Unterschiede nicht so ausgeprägt waren, wie in unserer jetzigen Gesellschaft. Es gab Familien mit mehr und Familien mit weniger Geld. Es soll sogar einige DDR-Mark-Millionäre gegeben haben, die sich in aller Regel aus den Reihen der Selbständigen rekrutierten. Aber eine Aufteilung der Gesellschaft in Reich und Arm, die sich in gesellschaftlicher Chancenungleichheit ausgedrückt hätte, gab es nicht.