Staatstheorie von Hannah Arendt und Thomas Hobbes im Vergleich

3 Antworten

So wie ich es verstanden habe trennt Arendt Gewalt und Macht in dem Sinne, dass ersteres etwas "zufälliges, willkürliches" an sich hat, Mittel verwendet werden müssen, während Macht die Legitimation des Volkes, der Mehrheit hat. 

Arendt führt aus, dass einer Regierung nur durch Unterstützung und Zustimmung des Volkes Macht verliehen werde. Sobald die Unterstützung des Volkes wegfalle, zerfallen auch die politischenInstitutionen und damit der Staat (vgl. Arendt 2006: 42). Macht hänge laut Arendt von Zahlen ab (die Mehrheit hat die Macht), wobei sich die Gewalt Gewaltmitteln bedienen müsse. Dies sei laut Arendt der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Termini (vgl. Arendt 2006: 43). Arendt definiert schließlich wie folgt:

Macht sei nicht das Handeln an sich, sondern das Handeln im Einvernehmen mit anderen. „Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur so lange existent, als die Gruppe zusammenhält" (Arendt 2006: 45). Macht sei im Gegensatz zu Gewalt ein Selbstzweck. Sie bedürfe keiner Rechtfertigung, jedoch der Legitimierung. Gewalt sei durch ihren instrumentalen Charakter gekennzeichnet. Sie bedürfe immer eines Zwecks und müsse sich zur Durchsetzung Gewaltmitteln bedienen. Gewalt könne gerechtfertigt, jedoch niemals legitim sein (vgl. Arendt 2006: 53). Treten Macht und Gewalt, wie es üblicherweise der Fall sei, in kombinierter Form auf, sei letztendlich die Macht das Ausschlaggebende (vgl. Arendt 2006: 53). Treten diese jedoch, wie es in seltenen Fällen geschehe, in Reinform auf (Bsp. Gewaltherrschaft), könne Gewalt Macht vernichten, denn gegen Gewaltmittel könne auch die größte Macht nichts ausrichten. Allerdings könne Gewalt keine neue Macht erzeugen und sei zum Scheitern verurteilt.

Quelle: http://www.theoriewiki.org/index.php?title=Hannah_Arendt

Thomas Hobbes geht davon aus, dass zum Beispiel zwei Individuen dasselbe Ziel verfolgen und sich dann bekriegen. Man benötigt also einen Herrscher (einen absolutistischen Monarchen), der die Menschen in Furcht und Schrecken versetzt, sodass sie es nicht wagen gegen Gesetze zu verstoßen. Das ist also keine Legitimation von unten, sondern Gewalt von außen.


Iancim  06.04.2015, 20:16

Bevor der Monarch bei Hobbes eingesetzt wird, muss es einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag geben. Das ist doch Legitimation von unten?

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alashatt  06.04.2015, 22:16
@Iancim

Ich hab Hobbes nie gelesen, aber verstehe die Vertragstheorie als reines Gedankenspiel bzw. Metapher. Hobbes geht von einem Naturzustand aus, in dem Menschen sich ohne einen Herrscher bekriegen würden. Sie sehnen sich (paradoxerweise) dennoch nach Frieden und nehmen den Herrscher als kleineres Übel. Wenn man das als Legitimation bezeichnen will, meinetwegen.

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Rein historisch machen Hobbes und Hannah Arendt vergleichbare Erfahrungen zur Möglichkeit von Brutalität und Gewalt durch Menschen. Hobbes erlebt die extrem gewaltgeprägte Zeit der englischen, französischen und deutschen "Glaubenskriege" mit Willkür und Denunziation, dem Kontrast zwischen hohem christlichem Anspruch und den Niederungen von Gewalt, in der sich die niedersten Gefühle austoben. Hannah Arendt erlebt die Niederungen des Nationalsozialismus, den "Verrat" vieler Intellektueller am "Projekt der Aufklärung" nur um ihres kleinen persönlichen Vorteilskalküls willen.

Beide sind eigentlich gespalten. Hobbes favorisiert in seinem Leviathan einen straffen, auf Übereinstimmung aller Bürger ruhenden Staat, ahnt aber, dass der dann neue Moloch auch wieder aus dem Ruder zu laufen droht (wie nicht lange danach die französische Revolution). Hannah Arendt wünscht einen Staat mit "politisch aufgeklärten, aktiven Bürgern", die ihre Freiheit nicht für geringfügige Annehmlichkeiten zu "verkaufen" bereit sind, ahnt aber, dass die kommenden überdimensionalen Staatsgebilde in der Anpassung und nicht in der Bürgerfreiheit enden mit der Gefahr neuer diktatorischer Elemente. Somit sind beide Staatstheorien ohne Wert und wenn man sich die aktuelle politische Entwicklung ansieht, erkennt man keinen Ausweg aus dem Chaos von "gut gewollt" und "schlecht gemacht".

Meiner Meinung nach leben beide dennoch in historisch vollkommen unterschiedlichen Situationen, die ihre Begriffe und theoretischen Vorstellungen geprägt haben. Begriffe von Hannah Arendt, die einem zur Diktatur entarteten Demokratieversuch entstammen, die auf eine effektive Organisation einer dirkteren Demokratie zielen, kann man meiner Meinung nach nicht auf Hobbes und seine Zeit des Feudalismus anwenden. Das Menschenbild zur Zeit des Hobbes war fanatisch religiös geprägt, immer noch Teil der Machtpyramide des auslaufenden Mittelalters. Macht war zu Hobbes Zeiten in der Auffassung der Menschen damals von oben gegeben (Gott, König, Adel) und nicht Ausdruck der Permission eines Volkes. 

"der Mensch ist des Menschen Wolf" - so ein Leitspruch Hobbes. Eine solche Geisteshaltung ist bei Hannah Arendt in keinster Weise erkennbar.