Mussten Lehrer in der DDR Mitglied der SED sein?

6 Antworten

In einem Staat mit Einparteiensystem ist die Partei zugleich Voraussetzung für den einen, wie auch unerreichbar für den anderen.

Ein Lehrer hat natürlich eine führende Position, insoweit als er im Laufe seines Arbeitslebens hunderte von Schülern in ihren Weltbildern prägen wird.

Du wirst nirgends ein Gesetz finden, das offen sagt, wer Parteimitglied sein musste und wer nicht. Anknüpfend an den ersten Satz gibt es auch genügend, die gerne gewollte hätten, aber nicht durften.

Ich persönlich denke nicht, dass jeder Lehrer unter dem Druck stand, Parteimitglied zu werden. Dafür sind die Schulfächer zu verschieden in ihrer politischen Wertigkeit.

Sicher kannst Du m.W. sein, dass jeder Lehrer in Fächern wie Geschichte, Sozialkunde (oder wie das Gegenstück in der DDR hiess) oder Staatsbürgerkunde ein Parteimitglied sein musste und höchstwahrscheinlich auich mit der Stasi zusammenarbeiten musste (Äusserungen von Schülern in diesen Fächern wären schon sehr, sehr interessant gewesen, denke ich).

Warum ein Lehrer der Chemie oder Sport eine ideologische Funktion haben sollte, erschlösse sich mir auch nicht.

Bei Naturwissenschaten ist es dann grds. etwas durchmischt. Du kannst eben sehen, dass z.B. Angela Merkel in der Partei und FDJ (Propagandasekretärin!) war, obwohl sie nur Physikern war. Aber da Atomphysik mit Atomreaktoren, Atomwaffen zu tun hat, bewegte sich dies in einem Bereich, der für die Staatssicherheit höchst relevant war.

Ein einfacher Physik-Lehrer hatte damit jedoch sicher nichts zu tun.

Ich würde also grds. unterstellen, dass ein Lehrer einer Naturwissenschaft ohne politische Zuordnung toleriert wurde, wenn er dann zu Politik die Klappe hielte. Was in solchen Fächern gut möglich ist.

In Sprachen ist das weniger wahrscheinlich bzw. glaubwürdig, in Gesellschaftswissenschaften ganz und gar.

Schliesse jedoch deswegen nicht automatisch auf die SED. Es gab auch noch andere Parteien in der DDR, die sog. "Blockflöten". Auch die CDU der DDR bekannte sich zum Sozialismus. Auch wenn die heutige CDU das nicht hören will und Dir in Geschichtsbüchern lieber vorenthält.


PeVau  03.11.2013, 20:21

Mein alter StaBü-Lehrer im Abitur war Mitglied der NDPD. :-) Aber trotzdem gut geraten. :-)

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derdorfbengel  03.11.2013, 20:38
@PeVau

Das war doch auch so ne Blockflöte? Eine für die, die zuvor mit Braun sympathisierten? Bin mir dabei gerade aber nicht ganz sicher.

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PeVau  03.11.2013, 20:51
@derdorfbengel

Die NDPD waren die Nationaldemokraten und hatten mit der NSDAP nichts gemein.
Besagter Lehrer war mit 19 Jahren im Kessel von Stalingrad und wurde schwerstverwundet mit einem der letzte Flieger ausgeflogen. Der Krieg war für ihn ein prägendes Erlebnis und Grund, nach dem Krieg in die DDR zu gehen. DER meinte, was er sagte, war blitzgescheit und hat gewiss nicht nur hohle Phrasen gedroschen.

Wie sehr ihn der tatsächliche Zustand der DDR bekümmerte kann ich nicht sagen, aber erahnen. Denn leider hing er nicht nur an der Nadel (Diabetes), sondern auch an der Flasche und hat sein wohlverdientes Rentenalter nicht erreicht.

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derdorfbengel  03.11.2013, 20:58
@PeVau

Ah so. Stalingrad als Wendepunkt im Denken. Wie bei den Generalen, die zum Nationalkomittee gingen.

Entschuldige, dass für mein West-Ohr NDPD erstmal der NPD ähnlich klingt.

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Claud18  06.11.2013, 13:21
@derdorfbengel

Die NDPD nannte man im Volksmund auch "Ausreißerpartei" oder ähnlich. Denn wer eine leitende Funktion hatte und nicht in die SED gehen wollte, der trat in die NDPD ein. Damit war derjenige aus dem Schneider, denn für die SED konnte er nun nicht mehr geworben werden.

Allerdings war das keine Garantie dafür, dass er von seinem Posten nicht irgendwann durch ein SED-Mitglied abgelöst wurde.

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Müssen nicht. Aber als Schuldirektor musste es sein.

Aber in diesem Beruf musste man linientreu sein. Wurde man Klassenlehrer, musste man immer die Politik der Partei schönreden, für Jugendweihe und 3 Jahre Armeedienst werben...

Nein musste man nicht --- wieso denn auch ?????

Nein, als Lehrer in der DDR musste man nicht Mitglied der SED sein, häufig waren sie es aber. Meine Geschichtslehrerin war z.B. schon in der DDR Lehrerin und redet heute schlecht über die DDR - in der SED war sie garantiert nicht und auch eine andere Bekannte war Lehrerin in der DDR und hört sich ebenfalls nicht danach an, als sei sie in der SED gewesen, die ist später sogar geflüchtet...

Damals waren es ca. 60% der Lehrer, die Mitglied der SED waren.


derdorfbengel  03.11.2013, 20:19

Hast Du mal überlegt, dass man auch in eine Partei eintreten könnte, wenn man nicht an ihre politischen Ideale glaubt, aber daran, einen angesehenen Job zu bekommen?

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Huckebein  04.11.2013, 11:22
@derdorfbengel

Das gab es sicherlich, wie heute eine bestimmte Konfession durchaus jobfördernd sein kann und auch ist, wie die Tatsachen belegen.

Übrigens: Ich habe auch ein Lehrerstudium absolviert, ohne jemals in der SED gewesen zu sein. Zwei Drittel meiner Seminargruppe waren parteilos.

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derdorfbengel  06.11.2013, 18:07
@Huckebein

Das ist nicht uninteressant als Zeitzeugenbericht.

Na, ich hatte mir das ja auch so gedacht und in der Art argumentiert.

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PeVau  03.11.2013, 20:28

Nicky, du hast völlig Recht. Lehrer mussten nicht Mitglied der SED sein. Sie konnten sogar als Nichtmitglied Schuldirektor werden, wenn sie als politisch unbedenklich galten, nur musste dann der Stellvertreter oder die Stellvertreterin Mitglied der SED sein.

Wenn Deine Geschichtslehrerin heute schlecht über die DDR redet, dann bedeutet das noch lange nicht, dass sie kein SED-Mitglied war. Wer damals opportunistisch war, steht nicht unbedingt im Verdacht, heute seine ehrliche Meinung kund zu tun. Solche Leute müssen doch beweisen oder glauben es zu müssen, wie sehr sie auf dem Boden der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" stehen. :-)

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derdorfbengel  03.11.2013, 20:40
@PeVau

Wer damals opportunistisch war, steht nicht unbedingt im Verdacht, heute seine ehrliche Meinung kund zu tun.

Es soll ja sogar Menschen geben, deren Meinung sowieso recht flexibel ist.

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NickyParis  05.11.2013, 14:36
@derdorfbengel

Solche Leute müssen doch beweisen oder glauben es zu müssen, wie sehr sie auf dem Boden der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" stehen. :-)

Okey, also denkst du, dass sie die DDR eigentlich - ich sage jetzt mal mochte - aber jetzt ja in der Bundesrepublik Lehrerin ist und sich deshalb dieser "Ordnung" anpasst und sozusagen vieles schlecht macht, damit die Schülerinnen und Schüler lernen, dass die DDR auch eine "D.ktatur" war usw.?

Meine Wirtschaftslehrerin - eine typische Lehrerin, die kapitalistisches Gut schönigt und verbreitet - hat heute z.B. auch wieder die ganze Zeit gemeint , die DDR sei ja eine D.ktatur und von einer (NS) ging es in die nächste (DDR) und da sei ja alles s.hlecht und die Leute waren alle unzufrieden, dann habe ich gesagt: "Das tut doch nicht zur Sache, jeder hatte Arbeit, es gab keine Privatpersonen, die über das gesamte E.gentum verfügen, die beute*en die Arbeiter doch so oder so aus! Es gab günstige Wohnungen, Grundnahrungsmittel und Öffentliche Verkehrsmittel, alle waren gleich" Dann sagt sie erst mal: "Nein, Nico, was du da redest ist reine kommunistische P.opaganda, wo hast du das denn her? Die DDR war eine reine D.ktatur und es ist gut, dass es die Wiedervereinigung gab und die Leute aus der ko.munistischen H.lle befreit wurden!" Unglaublich.


Jetzt muss ich den Text auch noch zensieren, weil er "vulgär, beleidigend oder aus rechtlichen Gründen nicht zulässig ist"? Aha, Ok.

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Nauticus  05.11.2013, 15:47
@NickyParis

Ich habe ebenfalls so eine Person unter meinen Lehrern. Allein schon das "Klima", mit dem viele "Ossis" im freien Westen empfangen und bedacht wurden, hat wohl bei manchen zu einer Art von Abwehrreaktion geführt.

Aber ein wesentliches Beispiel in der deutschen Geschichte für die Verinnerlichung von Idealen und Parteigeist ist doch die NS-Epoche. Nach 1945 blühten die alten Parteien wieder in voller Pracht, obwohl die Nazis doch alle Opposition getilgt hatten, eine Menge Wunderheilungen oder Fälle von Gedächtnisschwund traten ein... eigentlich sind wir wohl das gesegnete Volk^^

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PeVau  05.11.2013, 16:33
@NickyParis

Okey, also denkst du, dass sie die DDR eigentlich - ich sage jetzt mal mochte - aber jetzt ja in der Bundesrepublik Lehrerin ist und sich deshalb dieser "Ordnung" anpasst und sozusagen vieles schlecht macht, damit die Schülerinnen und Schüler lernen, dass die DDR auch eine "D.ktatur" war usw.?

Lehrer sind Menschen und deshalb auch nicht besser, als alle anderen auch. Sei versichert, dass Opportunismus auch vor Lehrern keinen Halt macht. Ob sie die DDR zu DDR.Zeiten mochte? Keine Ahnung, aber ein Opportunist hätte zumindest so getan. Und genau das ist bei Opportunisten das Problem. Du weißt nie, was sie wirklich denken und noch schlimmer, du kannst ihnen nicht trauen.

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Claud18  06.11.2013, 12:47
@PeVau

@NickyParis

Die Argumente deiner Lehrerin kommen mir irgendwie bekannt vor, nur mit umgekehrten Vorzeichen aus der DDR. Das war der geäußerte Wunsch nach Reise- und Meinungsfreiheit oder der Ärger über die wirtschaftliche Lage "ein Spiegelbild der westlichen Massenmedien".

Hier kann ich nur den Kopf schütteln. Hört denn das Phrasendreschen nie auf?

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derdorfbengel  06.11.2013, 18:15
@NickyParis

Ich kenne die Lehrerin ja nicht. Darum kann ich nichts über sie denken.

Ich stelle nur fest, dass es durchaus sein kann, dass alles, was sie redet, weder aus der einen noch der anderen Überzeugung kommen könnte. Es gibt auch Menschen, die schlicht gar keine Überzeugung haben! Die passen sich jeder Anforderung an und reden immer genau das, was von ihnen erwartet wird. Für ein (ja durchaus nicht schlechtes) Gymnasiallehrergehalt ist das ja auch nicht allzuviel erwartet, könnte man meinen.

An dem, was Du so über die Wirtschaftslehrerin erzählst, fällt mir nur direkt auf, dass die ja überhaupt nicht argumentiert. Du hast Argumente gebracht und sie hat darauf nur das "Gegenargument" einer moralischen Bewertung. Einfach nur "Diktatur" zu krakeelen, ist natürlich keine inhaltliche Entgegnung zu (übrigens wirtschaftlichen) Argumenten zum Lebensstandard.

Warum das eine "kommunistische Hölle" gewesen sein soll, ist mir schleierhaft. Du kannst ja mal fragen, inwieweit all die Menschen, die damals die Vergünstigungen erhielten, die Du erwähnt hast, heute mit Hartz IV von den Segnungen der ach so freien Marktwirtschaft profitieren.

Es gibt alles zu kaufen, was man nicht kaufen kann, LOL.

Freiheit hat die BRD durchaus mehr zu bieten. Doch wenn es so weiter geht, wie jetzt Richtung Griechenland, wird das immer weniger Menschen begeistern. Und wenn sie anfangen, sich zu wehren, wird von der Freiheit auch nichts mehr für sie übrig bleiben.

Ach ja und was den "Übergang" von der einen in die andere Diktatur angeht, magst Du sie ja mal fragen, ob sie das auch einem Holocaust-Überlebenden ins Gesicht sagen mag. Und wenn Du dann einen drauf setzen willst: oder ob diese Menschen in ihrer Gedankenwelt niemals vor gekommen sind.

Deine Eins ist dann natürlich futsch.

Und soviel weisst Du dann zur Meinungsfreiheit in diesem Himmel :)

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NickyParis  06.11.2013, 19:50
@derdorfbengel

Ich kenne die Lehrerin ja nicht.

Du willst sie garantiert auch nicht kennenlernen, wenn man nicht ihrer Meinung ist rastet sie aus, man muss nur einmal etwas anders formulieren oder Sympathien für Ideen zeigen, die sie nicht mag, dann bringt sie gleich einen Spruch, wie: "Ähm, nein das glaube ich eher nicht, da will ich jetzt aber auch nicht weiter drauf eingehen." Bei jedem Wort, dass du deinem Nachbarn sagst, wirst du empört angeguckt. Wenn du die Augenbrauen hochziehst und unverständlich guckst, weil sie z.B. etwas über die so "katastrophale" Wirtschaftslage in der DDR bzw. nur über die Nachteile dieses Systems redet tut sie es ebenso. Wenn du was falsch sagst - geht sie nicht darauf an, sondern nimmt jemanden anderes dran und ist sofort erbost.

Einmal sagte sie sogar: "Das ist mir doch egal, ich krieg' ja mein Geld" - So oder so ähnlich. Aber ich denke das drückt ganz gut aus, worum es ihr geht.

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Claud18  08.11.2013, 02:04
@NickyParis

"Wess´ Brot ich ess´, dess´ Lied ich sing", ist schon ein alter Spruch. Trifft es aber immer noch.

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Nein mußte man nicht und sollte man auch nicht. Nur 3 Lehrer waren an meiner POS in der SED. Die SED-Führung wollte keine Lehrer in der SED, denn die SED war eine Arbeiterpartei. Lehrer waren Angehörige der sozialistsichen Intelligenz!