Ist Bayern konservativer als Österreich?

4 Antworten

Österreich hat zwar weniger Einwohner als Bayern, aber das Land ist dann doch vielfältiger als der Freistaat Bayern. Alle Österreicher über einen Kamm zu scheren ist einfach unfair.


Ineed002 
Fragesteller
 10.01.2022, 22:35

Wobei es in Bayern auch Franken und altbayern gibt und schwaben

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Interessante These, wenn man sich aber die Bundesländerebene anschaut, dann könnte man für weite Teilen Österreichs auch zu anderen Schlüssen kommen...

Ein Blick auf die historischen Wahlergebnisse in Bayern, Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich zeigt eine ähnliche Dominanz einer christlich-sozialen, konservativen Volkspartei, sei es die CSU in Bayern oder die VP der genannten Bundesländer. Hier sollte man eigentlich auch Südtirol mit der SVP dazuzählen. Nun ist diese Dominanz in den letzten Jahren überall zurückgegangen, auch wenn die Parteien die Bestimmenden in den Bundesländern bleiben. Insbesondere in diesen Teilen Österreichs gleichen sich Parteiensystem und Wahlergebnisse der letzten Jahre sehr mit den Verhältnissen in Bayern.

Auf Bundesebene schaut das natürlich seit 1969/70 anders aus, da die SPÖ seitdem über die meiste Zeit die dominantere Kraft war. Bei den damals noch enorm starken Landesverbänden der ÖVP finde ich es bis heute bemerkenswert, dass die ÖVP ohne Haider 1999, der die ÖVP mit der Kanzlerschaft in eine Koalition lockte, obwohl er selber mehr Prozente hatte, und ohne Kurz 2017 wohl seitdem gar nicht mehr ins Kanzleramt gekommen wäre. Die Bundespartei muss, und das deckt sich mit den Berichten und Reportagen, die ich gelesen habe, über viele Jahre ziemlich schwach gewesen sein. In diesem Bereich hat die kurze Ära Kurz die ÖVP zumindest deutlich weitergebracht. Inwieweit sie sich als starke Bundespartei halten kann oder wieder zum Spielball der Landeshauptleute aus Tirol und Niederösterreich zerfällt, wird sich zeigen.

Einen sehr relevanten Unterschied gibt es auf Bundesebene aber doch: Es gibt seit 1949 im Nationalrat eine Partei, die deutlich konservativer und rechter als die Mitte-rechts-Volkspartei ÖVP ist, die FPÖ. In Bayern gab es das nach der ersten Konsolidierung des Parteiensystems in den 1950er Jahren, mit Ausnahme der NPD für 4 Jahre ab 1966, bis 2018 nicht mehr. Addiert man die Ergebnisse von ÖVP und FPÖ (und zeitweise BZÖ), ergibt sich auch auf Bundesebene ab 1983 eigentlich durchgängig eine Mehrheit rechts der SPÖ, die aber nur selten genutzt wurde. Dazu kommt, dass die österreichische SPÖ aufgrund ihrer langen Kanzlerschaften wesentlich weiter in der realpolitischen Mitte steht als die seit 1957 oppositionelle bayerische SPD, die einen starken linken Flügel hat und es sich weit links der Mitte gemütlich gemacht hat.

So generell würde ich die Aussage also nicht unterschreiben.

Vermutlich ja. Aber du kannst nicht einfach das Wahlverhalten vergleichen, indem du sagst, CSU = ÖVP, SPD = SPÖ. Das setzt ja voraus, dass die beiden Parteien ziemlich ibdentisch sind, was sie sicher auch sind, aber wenn die SPÖ beispielsweise ein bisschen konservativer ist als die SPD, kann man mit der SPÖ ebensfalls eine konservativere Regierung bekommen (die dann zwar bei weitem nicht so links wie eine Berliner SPD ist, aber halt dennoch nicht so konservativ wie die ÖVP). Auch muss man bedenken, wenn es ein Land ist und nicht nur ein Bundesland (das dazu gerne noch seine eigene Identität, auch bei den Wahlen hat) wählt man eher mal die Konkurrenz, weil sonst hast du ein halbes Jahrhundert die gleiche Partei an der Regierung (bei einer Landesregierung nimmt man das eher hin, als bei einer Bundesregierung). Und wenn dann wie oben beschrieben die SPÖ etwas weniger links als die SPD agiert, fällt es dem Wähler leichter.