Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Wirtschaft nicht erholt oder erhole?

4 Antworten

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Indikativ. Es gibt ja keine indirekte Rede, sondern der Verfasser des Textes sagt, was er denkt.

Es liegt die Vermutung nahe, dass sich die Wirtschaft nicht erholt. =

  • Ich vermute/nehme an/glaube/gehe davon aus/denke, dass sich die Wirtschaft nicht erholt.
  • Vermutlich/Wahrscheinlich erholt sich die Wirtschaft nicht.

Hadot 
Fragesteller
 30.10.2023, 19:59

wenn ich also vermute gibt es kein Konjunktiv 1? Wann gibt es ihn dann und wann nicht? 🤔 Ist das der Konjunktiv?

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spanferkel14  30.10.2023, 20:31
@Hadot

Wenn du selbst etwas vermutest/annimmst/glaubst/denkst, schreibst du ganz normal im Indikativ, z. B.:

  • Ich vermute, dass es morgen regnet/regnen wird.

Wenn du in der Vergangenheit etwas vermutet hast, was sich später vielleicht als Irrtum herausstellte, dann nimmst du den Konjunktiv 2:

  • Ich vermutete, dass es am nächsten Tag regnen würde, aber ich habe mich geirrt.
  • Ich vermutete, dass es am nächsten Tag regnen würde, und ich habe recht behalten. Es goss tatsächlich in Strömen.

Die indirekte Rede benutzt man nur, wenn man sagt/schreibt, was ein anderer gesagt hat.

  • Der TV-Meteorologe hat gerade gesagt, es regne morgen/es werde morgen regnen. (neutraler Report dessen, was man gehört hat: hier Konjunktiv 1, da keine grammatische Übereinstimmung mit dem Indikativ)
  • Der TV-Meteorologe hat erklärt, dass morgen starke Regenschauer niedergehen würden/niedergingen. (neutraler Report dessen, was man gehört hat: hier Konjunktiv 2, da sonst grammatische Übereinstimmung mit dem Indikativ)

Wenn man Zweifel an dem hat, was ein anderer gesagt hat, dann nimmt man den Konjunktiv 2. Das ist dann aber kein neutraler Report mehr.

  • Der TV-Meteorologe sagte, es würde morgen regnen. Aber kann man ihm vertrauen? Er hat sich schon so oft geirrt.
  • Der TV-Meteorologe sagte, dass morgen starke Regenschauer niedergehen würden/niedergingen. (Im Plural kann man leider nicht unterscheiden, ob es ein neutraler Report ist oder ob der Sprecher Zweifel an der Aussage des Meteorologen hat, da in jedem Fall der Konjunktiv 2 genommen werden muss.)
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Hadot 
Fragesteller
 30.10.2023, 21:54
@spanferkel14

Das ist mit Abstand die beste Erklärung, die ich in meinem Leben lesen durfte. Vielen Dank! Jetzt verstehe ich das, nur war ich letztens überrascht, dass es nach „laut, gemäß, nach, zufolge“ kein Konjunktiv 1 gibt? Stimmt das? Entschuldigung, Sie beantworten so freundlich meine Frage und ich bin so unverschämt und stelle eine weitere 🙂 tut mir leid. Sie müssen nicht darauf antworten, ich kann es vielleicht googeln. Woher wissen Sie so viel zu diesem Thema? Sind Sie Deutschlehrer oder Deutschlehrerin?

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spanferkel14  31.10.2023, 03:14
@Hadot
  • laut +D/G (bzw. ohne Artikel) steht bei genauer (zitierbarer!) Wiedergabe, deshalb Indikativ: Laut Gesetz darf an Jugendliche kein Alkohol ausgeschenkt werden.
  • gemäß + D steht bei korrekter, nicht unbedingt an den genauen Wortlaut gebundener Entsprechung: Der Unterricht wurde gemäß den Anweisungen des Direktors trotz unerträglichen Baulärms fortgesetzt.
  • D+ zufolge steht bei einer notwendigen Wirkung (1) oder bei einer Schlussfolgerung (2): (1) Seinem Wunsch zufolge wurde die neue Kollegin eingestellt. (2) Einer Pressemitteilung zufolge ist der Gesundheitsminister erkrankt.
  • nach + D: Nach seinen Worten hat er schon zwei Preise gewonnen.

Das hätte ich um diese Uhrzeit (nach einem Krimi) nicht mehr selbst zusammengekriegt. Quelle: Helbig/Buscha, "Deutsche Grammatik", Verlag Langenscheidt. Die habe ich von einem leider verstorbenen Freund geerbt. Die deutsche Sprache fasziniert mich, und mir leistet diese Grammatik, die wohl in erster Linie für DaF-Lehrer geeignet ist, gute Dienste. Ich denke, für einen Deutschlerner ist sie in weiten Teilen zu kompliziert und verwirrend. Oft muss selbst ich 2 oder 3mal lesen, bis ich's wirklich kapiert habe. Auch sind mir manche grammatischen Begriffe fremd.

Mich interessiert aber nicht nur Deutsch, sondern auch andere Sprachen. Für mich ist das Gehirn-Jogging, um geistig nicht zu verkalken.😉 Gute Nacht!

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Hadot 
Fragesteller
 01.11.2023, 13:41
@spanferkel14

Vielen lieben Dank für all die hilfreichen Erklärungen, die mir sehr geholfen haben, und die ich jetzt regelmäßig lesen werde um sie mir auch richtig einzuprägen :) Helbig/Buscha ich glaube, dass ich mal so ein dickes Buch mit diesen beiden Namen in einer Bibliothek oder irgendwo im Internet gesehen habe. Vielleicht bestellte ich mir so einen Grammatik-Wälzer :)

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spanferkel14  01.11.2023, 16:16
@Hadot

Ich würde das nicht tun. Ich sagte ja schon in meinem anderen Kommentar, warum nicht. Das ist eher was für Leute, die a.) sehr gut Deutsch sprechen, b.) etwas von Linguistik verstehen, z. B. Deutschlehrer am Gymnasium mit vorhergegangenem Vollstudium, nicht so ein Pipifatz wie B.A.

Für einen Deutschlerner auf fortgeschrittenem Niveau kommt eher so etwas in Frage:

  • Dreyer-Schmitt, Lehr- und Übungsbuch der deutschen Grammatik, "Die Gelbe", Hueber Verlag (+ Lösungsschlüssel)

Da musst du auch nicht unbedingt die neueste Ausgabe nehmen, sondern kannst ruhig eine ältere Ausgabe - gebraucht und in gutem oder sehr gutem Zustand - bei medimops kaufen. Die Grammatik ist ja unverändert. Dann kostet das nicht die Welt. Schau mal hier, für 6.90€:

Für A2 (wie in der Beschreibung) ist diese Grammatik m. E. nicht geeignet, sondern erst ab Ende B1. Natürlich kann ein Anfänger die Konjugation und Deklination nachschauen, aber sonst geht diese Grammatik weit über Basisdeutsch hinaus.

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spanferkel14  01.11.2023, 16:17

🍁🐿️Herzlichen Dank für deinen Stern.🐌🍂

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Kommt halt ganz darauf an, ob du das sagst oder ob du nur wiedergibst, was jemand anderer sagt. Beziehungsweise darauf, ob es direkte Rede oder indirekte Rede sein soll. Im einen Fall ist der Indikativ richtig, im anderen nicht (dann msste allerdings auch das erste Verb im Konjunktiv stehen).

Hallo! :)

Du kannst wählen. Auch könntest du die Form mit "würde" benutzen, wenn es passender und besser zu lesen ist. :)

Tatsächlich gibt es eine Regel: Bei solchen Formulierungen mit "dass" für die indirekte Rede brauchst du kein Konjunktiv I:

"Er sagte, dass er am Montag geht."

Ohne "dass" kannst du den Konjunktiv I für die indirekte Rede benutzen:

"Er sagte, er gehe am Montag."

So würde ich hier also nicht den Konjunktiv I wählen. Das würde hier auch ganz klar passen:

"Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Wirtschaft nicht erholt."

Klingt spannend und perfekt! 🌟

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – tiefgehendes Verständnis in Grammatik und Rechtschreibung.

Das ist mMn eine Meinungswiedergabe, da kann man den Indikativ verwenden, es geht aber wohl beides.