Anleitung: weinen lernen?

4 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Die richtige Antwort war für Dich nicht dabei, weil Deine Frage so nicht zu beantworten ist. Du möchtest eine "Anleitung" dafür, wie Du die körperliche Reaktion auf große Traurigkeit praktisch "auf Knopfdruck" hervorrufen könntest - also Du willst echte Tränen "produzieren".

Das geht so nicht, WEIL es am Körper (und auch in der Seele) keinen Knopf zum Drücken gibt. Du suchst nach etwas, das es so nicht gibt.

Die Sache ist viel komplexer und braucht weitaus mehr als einen Willen und womöglich Körperbeherrschung.

Es ist ein intensives Zusammenspiel von Fantasie, emotionaler Erfahrung und Konzentration auf hohem Level. Dazu kommen dann Atmung, Mimik, Gestik, Körperhaltung. Nicht, weils dann echter aussieht, sondern weil diese Dinge wichtig zur Erschaffung und "Haltung" des inneren Zustandes sind, der "produziert" werden soll. Dass es dann auch überzeugend wirkt, ist nur ein "Nebeneffekt" und wird zusätzlich genutzt.

Wenn es so wäre, dass man "einfach" nur an etwas gaaanz Trauriges denken muss - und dann fließen plötzlich die Tränen... dann würden nicht so viele Leute, die dies versuchen, nach einer Stunde der Konzentration auf Omas Tod immernoch tränenfrei in der Ecke sitzen! Nur mit "dran denken" geht das nicht! Publikum oder Regisseur können nicht eben mal 20 Minuten warten, bis sich etwas tut!

Du musst zunächst ein Mensch sein, der generell einen besonderen Zugang zu seinen tieferen Gefühlen hat. Ein Schauspieler hat dies regelrecht "studiert", ist aber ja auch ein Künstler in seinem Fach, der also bereits die VERANLAGUNG in sich trägt, einen guten Zugang zu tieferen Emotionen und inneren Prozessen zu haben. Er ist hier also schon aufgrund seines persönlichen Wesens nicht mit "Fritzchen von nebenan" zu vergleichen.

Ein ausgebildeter Schauspieler kennt sein Inneres und hat all die großen Gefühle "durchgearbeitet" und ihr WESEN begriffen - und er kennt die Details der dazugehörigen Mimik, hat ein Gefühl für die Stimme, wie sie sich beim Weinen verändert - und letzlich auch dafür, welche Gestiken naturgemäß dazu gehören. Und er kennt im Detail das Zusammenspiel von Emotion, Mimik, Gestik, Stimme beim Weinen und die Wechselwirkungen untereinander. Weint man, "bricht" die Stimme. spricht man mit "gebrochener" Stimme, verstärkt dies traurige Emotionen. Fühl man Traurigkeit, kommen Tränen. Kommen Tränen, verzerrt sich die Mimik. Tut sie sies, wirkt sich das auf die Stimme und die Gestik aus. Die Gestik verstärkt die Emotionen. usw. usw..

Ein Schauspieler muss dann nicht erst an "Oma" denken und 5 Minuten ohne Blinzeln herumstarren, damit er ein Weinen hervorbringt, sondern er greift sozusagen direkt in die tiefste Gefühlskiste und stürzt sich direkt in den "Kern" der Emotion. Er verwendet dafür nichts anderes als exakt die Situation, die er gerade spielt, greift dabei im "Hintergrund" aber DIREKT (also ohne sich gedanklich umorientieren zu müssen) zu der Essenz der Gefühle, die er ein- und auswendig kennt.

Es ist sehr schwer zu erklären, da es sehr persönliche, womöglich langjährige Vorarbeit an sich selbst benötigt, viel persönliche Auseinandersetzung und Reflektion, um sozusagen die "Basis" für das Training an Gefühlsausbrüchen zu erhalten.

Ich selbst brauche 2-6 Sekunden und einen bis zwei "Atmer", dann laufen die Tränen, Stimme und Mimik machen mit, alles verstärkt sich gegenseitig wie oben beschrieben - und von da aus lässt sich das Ganze dann z.B. auch in einen völligen Zusammenbruch oder einen Wutausbruch überleiten. Wenn man erst an die Emotionen "angedockt" hat, ist alles dann ganz einfach.

Es ist generell ein direkter Zugang da, ich hole es dann bei Bedarf einfach "hoch". Anders ist es nicht zu beschreiben. Vor dem Spiegel geht es in 1-2 Sekunden, also sofort, da ich hier dann einen optischen "Verstärker habe.

Ich brauche dazu keine traurigen Kindeheitserinnerungen - ABER: die emotionale ERFAHRUNG damit verwende ich. Ich nehme nur den puren Zustand "Traurigkeit" oder auch "Verzweiflung", nicht irgend eine erlebte Situation, die man daran knüpfen könnte, obwohl es da sehr viele gäbe, auf die ich zurückgreifen könnte - aber es ist nicht nötig, und sie würden von der Rolle nur ablenken.

Um dann damit arbeiten zu können, braucht es ein "Umsetzen" des inneren Zustandes, ein emotionales "Springen" sozusagen, denn es besteht ja in der Realität in diesem Moment gar kein Grund zum Traurigsein. Es ist also eine paradoxe emotionale Situation, die man da meistern muss: Man muss anders fühlen als die Situation tatsächlich gerade ist. Die sehr hohe, intensive Konzentration bzw. Ausblendung alles Störenden (also positiver Gefühle und Gedanken) in diesem Moment ermöglicht dann praktisch einen inneren, abgeschotteten "Raum", in dem man diese Dinge dann geschehen lassen kann.

Wow, furchtbar kompliziert zu beschreiben....! :o)


erdbeerli 
Beitragsersteller
 26.10.2011, 21:06

Wow... aus dieser Sicht habe ich das noch gar nicht betrachtet... Ein bisschen kompliziert, aber sehr hilfreich! Vielen, vielen Dank!!

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Egonso  12.12.2012, 20:46
@AngiiiMaus

Danke!

Ich kann alle Emotionen erzeugen. Und ich kenne, diesen Raum, wo man die Sachen entstehen lassen kann. Doch mein Problem ist zurzeit, dass ich das nur in Ruhe, oder in vollkommener Konzentration machen kann. ---> Aber ich werde mir das antrainieren.

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Im Bereich Method-Acting ist es so, dass du dich in die extremeste Art von Niederlage oder Ähnliches ZURÜCKversetzt und dann den Gefühlen freien Lauf lässt.

Künstlich ist immer Schei*e, denn wenn du nur dieses verkrmapfte und mit heuliger Stimme machst, ist das Boulevard at it's best.

Denke einfach an was richtig schlechtes aus der vergangenheit, und fühle die Gefühle erneut, Aber behalte, dabei immer noch im Hinterkopf, dass du wieder zurück ins hier und jetzt kannst.

Denke an das schlimmste und traurigste was dir jemals passiert ist. Oder zum Beispiel das eine Person stirbt jetzt und das hört sich jetzt krank an aber versuche dich in eine Situation hineinzu versetzen wo du richtig geweint hast...

künstliches weinen wirkt unrealistisch, du musst an was schreckliches denken damit du ECHT weinst und traurig bist............