Wie ergibt sich die Drehmomentkurve bei Zweitaktern (Simson)?
Hallo. Ich fahr täglich mit meiner 60ccm S51 auf Arbeit und bin aus der Praxis heraus bei 50-55 km/h am effizientesten unterwegs.
Hier mal ein Leistungsdiagramm vom Prüfstand. Sehr schönes Drehzahlband finde ich:
Für diejenigen, die das Bild nicht öffnen können: Max. Drehmoment bei 5780 ¹/min mit 6,5Nm, max. Motorleistung bei 6335 ¹/min mit 4,1 kW/ 5,6PS. Fährt sich auf jedenfall sehr ruhig und sparsamer als der originale 50er Zylinder. Die Radleistung war bedeutend geringer mit 3,9 PS und 4,9 Nm...
Meine Fragen sind:
Warum ist bei niedriger Drehzahl also bei Simson etwa 1000-3000 ¹/min das Drehmoment so gering? Also ich würde das gern technisch verstehen, das hängt ja auch stark von der Auspuffanlage ab.
Wieso steigt das Drehmoment mit steigender Drehzahl? Und wieso fällt es dann wieder ab? Bitte mal eine technisch verständliche Erklärung dazu wäre sehr toll.
Und rein theoretisch fahr ich ja am effizientesten nicht bei Vollgas, sondern möglichst in der Drehzahl mit dem höchsten Drehmoment, weil da muss ich ja für die selbe Kraft verhältnismäßig wenig Gas geben, da der Wirkungsgrad des Motors da am besten ist richtig?
Ich merks ja selbst ich beschleunige bis 50 und dann geb ich nur minimal Gas und halte die 50. Brauche ich dann mehr Kraft am Berg, geb ich mehr Gas und sie hält auch da die 50, weil sie ja das Gas am effizientesten annimmt und optimal in Bewegung umsetzt.
Vollgas würde mich dann fast doppelt so viel Sprit kosten aber ich würde gerade mal 10- maximal 20kmh schneller fahren. Quasi 60-70. Das wären im Vergleich zu 50 eine Geschwindigkeitssteigerung von 20-40% aber eine Steigerung des Kraftstoffverbrauchs um 50-80% etwa. Das wäre also verschwendet.
Untenrum hat sie ja auch weniger Kraft, deshalb gebe ich beim Anfahren wenig Gas, bis genug Drehmoment da ist, wo sich Vollgas geben lohnt. Dann wird hochgeschalten, bis auf 50 beschleunigt und sofort Gas weggenommen, bis das Moped auch mit weniger Kraftstoff bei 50kmh bleibt. So fahre ich dann auch Überland. Vor roten Ampeln wird möglichst wenig gebremst und ausgerollt, möglicht ohne anzuhalten, bis grün ist.
Sparsamer kann man doch nicht fahren oder?
Wenn jetzt jemand sagt, Zweitakter brauchen Drehzahl... naja ich denke 5500-6000 reichen. Ich will keine Schleifmaschine mit 14000 Touren fahren. Die soll mich ja möglichst jahrelang täglich zuverlässig auf Arbeit bringen.
Ich bin gespannt auf eure Meinung zu dem Thema und bedanke mich schonmal für Hilfe zu meinen Fragen.
1 Antwort
Warum ist bei niedriger Drehzahl also bei Simson etwa 1000-3000 ¹/min das Drehmoment so gering? Also ich würde das gern technisch verstehen, das hängt ja auch stark von der Auspuffanlage ab.
Beim Zweitakter spielen die Schwingungsverhältnisse der Luftsäulen im Ansaugtrakt, Kurbelgehäuse, Zylinder und Auspuff eine ungeheur große Rolle. Beim maximalen Drehmoment befindet man sich in der Resonanz mit besonders starken Druckwellen. Man versucht das dann so abzustimmen, dass kurz vor dem Schließen der Spülschlitze sowohl von vorne als auch von hinten eine Druckwelle auf den Zylinder zuläuft, sodass das Gemisch im Zylinder vorverdichtet wird.
Warum ist bei niedriger Drehzahl also bei Simson etwa 1000-3000 ¹/min das Drehmoment so gering?
Da befindet man sich soweit von der Resonanzfrequenz der Luftsäulen entfernt, dass kurz vor dem Schließen der Spülschlitze keine Druckberge, sondern Drucktäler an den Spülschlitzen ankommen und sozusagen wieder etwas von der Luft im Zylinder raussaugen. Je weniger Luft sich im Zylinder befindet, umso weniger Kraftstoff ist auch drin, umso schwächer ist die Verbrennung und damit der Druck auf den Kolben. Im Ergebnis hat der Motor dann weniger Kraft, also weniger Drehmoment.
Und wieso fällt es dann wieder ab?
Weil man sich wieder von der Resonanzfrequenz entfernt. Je konischer ein Auspuff geformt ist (siehe typische Sportauspuffe), umso "spitzer" sind die Druckverhältnisse im Auspuff, da die Druckwellen besonders effektiv hin- und hergeworfen werden. Man erhält dann besonders starke Druckberge bei hoher Drehzahl und eine hohe Maximalleistung. Der Nachteil ist aber, dass das nutzbare Drehzahlband dann sehr schmal wird, weil man sich sehr schnell von der Resonanz entfernt und solche Motoren müssen dann dauern auf hoher Drehzahl gehalten werden. Das ist für den Sport gut, aber für den Alltag Blödsinn.
Und rein theoretisch fahr ich ja am effizientesten nicht bei Vollgas, sondern möglichst in der Drehzahl mit dem höchsten Drehmoment, weil da muss ich ja für die selbe Kraft verhältnismäßig wenig Gas geben, da der Wirkungsgrad des Motors da am besten ist richtig?
Grob ja. Aber eigentlich auch nicht. Den besten Wirkungsgrad hat man bei der Drehzahl mit dem höchsten Drehmoment und bei einer Gasstellung von etwa 4/5. Diesen Punkt kann man aber nicht gezielt ansteuern, denn ob die Leistung, die der Motor in dem Punkt abgibt gerade auch gefordert ist, hängt von den Straßen- und Windverhältnissen ab. Steilheit der Straße, gefahrene Geschwindigkeit und Windverhältnisse geben vor, welche Leistung bzw. Drehmoment benötigt wird. Theoretisch ist der Wirkungsgrad z.B. bei 2000 min^-1 und 4/5 Gas besser, als bei 5780 min^-1 und 1/4 Gasstellung. Die Gasstellung hat einen stärkeren Euinfluss auf den Wirkungsgrad als die Drehzahl. Das ist aber Theorie, denn der effektive Spritverbrauch hängt in erster Linie von der Geschwindigkeit ab. Der Luftwiderstand steigt quadratisch mit der Geschwindigkeit. Wenn du also bei etwas niedrigerer Geschwindigkeit deutlich weniger Sprit brauchst, liegt das weniger am Wirkungsgrad, sondern am geringeren Luftwiderstand.
Vollgas würde mich dann fast doppelt so viel Sprit kosten aber ich würde gerade mal 10- maximal 20kmh schneller fahren. Quasi 60-70. Das wären im Vergleich zu 50 eine Geschwindigkeitssteigerung von 20-40% aber eine Steigerung des Kraftstoffverbrauchs um 50-80% etwa.
So ist es, siehe oben quadratische Zunahme des Luftwiderstandes.:
Geschwindigkeit^2 -> Luftwiderstand:
1,2^2 -> 1,44
1,4^2 -> 1,96
Sparsamer kann man doch nicht fahren oder?
Doch.
Untenrum hat sie ja auch weniger Kraft, deshalb gebe ich beim Anfahren wenig Gas, bis genug Drehmoment da ist,
Das ist nicht optimal, siehe optimaler Wirkungsgrad bei 4/5 Gasstellung. Damit solltest du beschleunigen. Das ist einer der wenigen Punkte, bei dem Sparen und flott vorankommen zusammenfallen. So kannst du bis über die 6000 min^-1 beschleunigen, ohne merklich am Wirkungsgrad zu verlieren. Sobald du nur rollst und nicht mehr weiter beschleunigst, solltest du hochschalten, um bei der verringerten Drehzahl den Gasgriff etwas aufziehen zu müssen und in den Bereich des besseren Wirkungsgrades zu kommen.
Vor roten Ampeln wird möglichst wenig gebremst und ausgerollt, möglicht ohne anzuhalten, bis grün ist.
Das ist sehr gut. Rein theoretisch wird nämlich nicht beim Beschleunigen der Kraftstoff verbraucht, sondern beim Bremsen. Der erhöhte Verbrauch beim Beschleunigen bleibt einem ja als kinetische Energie erhalten, weil man schneller fährt. Sobald man brenst, wird diese kinetische Energie an den Bremsen in Wärme umgewandelt und an die Umwelt abgegeben. Da geht die Kraftstoffenergie tatsächlich verloren. Wer also vorausschauend so fährt, dass er möglichst wenig bremsen muss, spart am meisten Sprit (und schont die Bremsen).
Wenn jetzt jemand sagt, Zweitakter brauchen Drehzahl..
Das ist dann der Fall, siehe oben, wenn er sehr spitz auf hohe Leistung abgestimmt ist. Wenn er auf hohes Drehmoment bei mittlerer Drehzahl abgestimmt ist, was im Alltag immer vorzuziehen ist, dann stimmt das mit der hohen Drehzahl, die er braucht, schon nicht mehr.
Die soll mich ja möglichst jahrelang täglich zuverlässig auf Arbeit bringen.
Auch dafür ist es von Vorteil, auf Drehzahlorgien zu verzichten.