Warum hatte Großbritannien Angst vor einer kommunistischen Revolution?

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Deutschland hatte, und hat auch heute immer noch, durch seine Lage in Europa eine geostrategisch herausgehobene Stellung als Mittelmacht.

Neben dem unverhandelbaren Anspruch auf Reparationszahlungen, wovon die Briten keinen Deut abweichen wollten, waren die britischen Ziele des Versailler Vertrages u. a. auch geostrategischer Art:

  • Unterstützung der französischen Sicherheitspolitik; allerdings gegen die Hegemonialstellung (Vorrangstellung) Frankreichs in Europa
  • In Übereinstimmung mit den USA sollte Deutschland ein mitteleuropäisches Bollwerk gegen die russische Revolution bilden

Die Briten hatten selbst keine Angst, daß sich die russische Revolution auf GB ausweiten könnte (dazu war man bereits wirtschaftlich und politisch stark genug gefestigt).

Man hatte aber Befürchtungen, daß eine Revolution auch in Deutschland zum Erfolg führen könnte und dann auf Frankreich (welches ja schon historisch sehr revolutionsaffin ist) und andere Staaten überschwappen könnte - es gab vom ersten Tag nach dem Krieg an Bestrebungen seitens Rußlands, über die KPD sowie durch Unterstützung gewisser paramilitärischen Verbände, die Revolution auch auf Deutschland auszuweiten - die Unterstützung erfolgte durch Personen, Waffen aber auch durch Geld. Letztendlich konnte die erste Regierung der Weimarer Republik alles im Keim (teilweise mit Gewalt) ersticken.

Daher sahen die Briten und die USA es auch als notwendig an, die demokratische Weimarer Republik politisch aber auch wirtschaftlich zu unterstützen, um ruhige Verhältnisse in Deutschland zu sichern aber andererseits auch "zu bestrafen", weil die britische und amerikanische Öffentlichkeit das erwartete - es war ein "Tanz auf der Rasierklinge" mit vielen Problemen und Streitigkeiten.

Ein kommunistisches Deutschland hätte die Machtstrukturen in Europa für alle Staaten negativ beeinflußt - das galt es zu verhindern.

Diese Art der Politik wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg weitergeführt - die Bundesrepublik mußte stabilisiert werden, damit ein Puffer der "Freien Welt" gegen den entstehenden Ostblock erhalten bleibt.

Diese geostrategischen Aspekte werden immer wieder unterschätzt und in der öffentlichen Wahrnehmung oft ignoriert --> auch eine Ausdehnung der EU auf die Türkei, würde z. B. zu einer direkten Außengrenze zum Iran führen - oder durch eine Aufnahme der Ukraine, würde man direkt an Rußland grenzen - das hat man nicht so gerne - deshalb hat man lieber Pufferstaaten dazwischen.

Im Ukrainekrieg geht es nicht zuletzt auch um geostrategische Interessen (sowohl für den Westen als auch für die Russen).

Das Motiv, dass du den Briten unterschiebst, hatten sie gar nicht. Ansonsten müsstest du das erst mal belegen. Die Briten waren an stabilen friedvollen Verhältnissen in Kontinentaleuropa interessiert und gingen davon aus, dass ein gewisser Machtausgleich aber auch der Verzicht auf übergebührliche Demütigung dafür geeignet wäre.

Retrospektiv kann man sich nur wundern, wie jemand wie du angesichts der kommunistischen Verbrechensgeschichte noch ernsthaft fragen kann, warum man "Angst vor dem Kommunismus" hatte. :-)