Waren die Kreuzzüge Verteidigungskriege?

10 Antworten

Jein. Die Sache ist etwas komplexer, als man es in der Regel wahrnimmt.

Tatsache ist: der Erste Kreuzzug (von 1096) war zunächst eine Reaktion auf den Hilferuf des byzantinischen (oströmischen) Kaisers, dessen Reich durch Angriffe muslimischer Heere, insbesondere der Seldschuken, bedroht war. Insofern könnte man hier noch so argumentieren, dass dieser Kreuzzug eben der militärischen Unterstützung eines bedrohten Glaubensbruders diente. In der Praxis entwickelte sich aber schon dieser Kreuzzug ganz anders, als ursprünglich geplant.

Die meisten Kreuzfahrer waren einfaches Bauernvolk und verarmte Kleinadlige, sowie einige Ritter. Sie zogen auch in der Hoffnung auf Reichtum und materiellen Besitz in den Osten. Es kam auch schnell zu Konflikten mit dem eigentlich verbündeten Byzanz, die den Muslimen abgenommenen Territorien wurden teilweise brutal geplündert und kurzerhand in unabhängige, "christliche" Staaten verwandelt. Eigentlich hatten die Kreuzfahrer unter Eid geschworen, alles eroberte Land dem byzantinischen Kaiser zu übergeben.

Bei den späteren Kreuzzügen trat der Egoismus noch deutlicher zu Tage: im Vierten Kreuzzug (1202-1204 n. Chr.) eroberten und plünderten die Kreuzritter sogar Konstantinopel, die Hauptstadt des "christlichen" Byzantinischen Reiches. Das war nicht weniger als ein offener Verrat am ursprünglichen Gedanken der Kreuzzugsidee.


Stier1240  03.10.2021, 13:41

DH!

Hinzuzufügen wäre, dass mit den "Kreuzzügen" gewöhnlich nur die bezeichnet werden, die du hier nennst.

Aber die christliche "Nächstenliebe" erstreckte sich nicht nur Richtung Jerusalem/Byzanz, sondern auch in andere Himmelsrichtungen. Hierzu siehe z. B. Wiki:

"Im 13. Jh. wurde der Begriff für Kreuzzüge (wie peregrinatio) auch auf andere militärische Aktionen ausgeweitet, deren Ziel nicht das Heilige Land war (crux cismarina). In diesem erweiterten Sinne werden auch die Feldzüge gegen nicht christianisierte Völker wie WendenFinnen und Balten, gegen Ketzer wie die Albigenser und gegen die Ostkirche dazu gezählt. Vereinzelt haben Päpste sogar zu Kreuzzügen gegen christliche politische Gegner aufgerufen."

Und wenn man den Begriff "Kreuzzug" nicht allzu eng betrachtet, so findet man in der Geschichte noch so einige gruselige Missionsaktionen und Feldzüge, denen das Kreuz vorangetragen wurde, ohne dass der zugehörige Gott auch nur ein einziges Mal einschritt!

1
Indecisive  03.10.2021, 13:45
@Stier1240

Stimmt. Auch die brutalen Aktionen gegen die Katharer wurden als Kreuzzüge bezeichnet. Sie glichen zeitweise eher primitiven Massakern, bei denen man auch vor Frauen, alten Männern und kleinen Kindern nicht Halt machte. Ob die Getöteten wirklich dem Glauben der Katharer anhingen, hat dabei niemanden interessiert.

1

Nein, wer von weit her andere Laender angreift, egal ob er da missionieren wollte oder raubte, der hat sie überfallen mit einem Angriffskrieg.

Auch eine Vorwärtsverteidigung ist weit hergeholt, denn Europa war von denen zu dieser Zeit nicht bedroht worden.

https://www.kinderzeitmaschine.de/mittelalter/hochmittelalter/lucys-wissensbox/religion/warum-gab-es-kreuzzuege/

Woher ich das weiß:Recherche

Du musst zwischen verschiedene Kreuzzügen unterscheiden:

  • Der erste Kreuzzug war eine Hilfsexpedition zur Unterstützung des byzantinischen Reichs, das sich nur noch schwer verteidigen konnte. So gesehen war er ein "Verteidigungskrieg".
  • Aber da er eine unorganisierte Massenbewegung war, die sich selbst organisierte, setzten sich die rücksichtslosesten im Her als Anführer durch. Schon in Ungarn waren die Herrscher bestrebt, den Sauhaufen so schnell wie möglich wieder loszuwerden ...
  • Was dann passierte (v.a. das Massaker bei der Eroberung Jerusalems) kann beim besten Willen nicht als "Verteidigungskrieg" bezeichnet werden.
  • Spätere Kreuzzüge ins Heilige Land waren geordneter, aber eben keine Verteidigungskriege. "Zurückerobern" (nach etlichen Jahrhunderten!) ist nun mal keine Verteidigung, sondern ein Gegenangriff.
  • Nicht zu vergessen auch die Kreuzzüge gegen "Ketzer" (Albigenser) und "Heiden" (z.B. Pruzzen).

Also insgesamt lautet die Antwort "Nein". Bein ersten Kreuzzug ist das dabei, wie erläutert, etwas komplizierter.

Ursprünglich schon irgendwie, nur ist das komplett aus dem Ruder gelaufen (ab 2:55):

Im Namen Gottes ermordeten die Kreuzfahrer alle Bewohner der Heiligen Stadt. Das Blutbad rechtfertigten sie mit dem Aufruf des Papstes, die Stadt den Ungläubigen zu nehmen. Wer kein Christ war, also den Papst nicht anerkannte, war eine verlorene Seele, kein Mensch. Die siegreichen Kreuzfahrer hatten also keine Skrupel, als sie alle Muslime ermordeten. Das Massaker im Jahr 1099 ist der traurige Höhepunkt des Ersten Kreuzzugs.

Allerdings haben auch die Muslime während der Islamischen Expansion viele Verbrechen begangen und waren ferner die schlimmsten Sklaventreiber.