Ist es moralisch verwerflich Kinder zu gebären?

14 Antworten

Ich geb mal meinen Senf noch dazu, fand die Frage interessant:

Das kommt darauf an. Leute, die ohne wirklich sehen (zu wollen) in ihrer kleinen heilen Welt leben, die finden wahrscheinlich die Frage von Dir verwerflich. Doch wenn man genauer hinguckt, und zum Guten auch das überwiegend Schlechte hinzuzählt und dieses Auge nicht zukneift, dann, so meine heutige Einschätzung (und die meines Mannes) ist ein Leben in dieser Welt nicht lebenswert. 

Eine Welt, in dem Leben nur existieren kann, wenn ein anderes Leben dafür ausgelöscht werden muss, man muss den anderen auffressen, um selbst leben zu können. Und ich zähle da auch Pflanzen dazu, wer z.B. mal das Büchlein "Das geheime Leben der Pflanzen" von Tompkins und Bird gelesen hat, weiß wovon ich spreche. 

Was ist das für eine Welt, wo mehr Lüge als Wahrheit gesprochen wird? Lug und Trug überall, in jeder Facette der Gesellschaft. Wo unendlich viel Energie und Geld und Zeit in Ideen und deren Umsetzung gesteckt werden, um andere Menschen zu töten, zu foltern, auszurotten etc. Schon immer, ob Gegenwart oder Zukunft, nur das Nivel ändert sich. Und selbst wenn Mensch dem Menschen helfen will, dann quält und foltert er zum Wohle seiner Spezies Affen, Hunde, Ratten, Mäuse usw. Und zwar auf das bestialischste. Aber damit will sich keiner befassen. Es könnte einem sonst die (oft nur mühsam aufrechterhaltene) gute Laune verloren gehen.

Ich leb in der Natur und auch da muss jeden Tag getötet werden. Ja sicher, sie ist wunderschön, Blumen, Vögel, die Sonne und der Wind und dann guckt man runter und sieht eine Ameisenkolonne mit ihren neu geklauten Sklaven von dannen ziehen. Die Papageien machen einen Riesenlärm, sie turnen auf den Palmen herum und sie schnäbeln und putzen sich. Und dann sieht man einen abseits sitzen, ganz allein und zusammengesunken. Der hat seinen Partner verloren. Eine Schlange ist wunderschön und die vielen Frösche sind vielfarbig, groß und klein. Und schreien ganz fürchterlich, wenn die Schlange sie am Wickel hat. Die Katze fängt die Maus und deren Jungtiere verhungern zu Hause. In so einer Welt leben wir. Wenn man Leben als absolut betrachtet (also jedes Leben gleichwertig ist, das einer Grille genauso wie das eines Menschen), dann ist diese Welt hier "unnütz", weil ein einziges Gemetzel. Ich kann das eine nicht mehr vom anderen trennen. Das "Schöne" gibt es nur zusammen mit dem "Unschönen", es gehört zusammen.

Nun habe ich auch noch eine andere Sichtweise, ich kann einen Schritt zurücktreten und sehen, dass alles nur Energie ist, die Wertung ist die eines Egos, und eigentlich IST alles "nur", es ist eine wahrhaft grandiose Scheinrealität, doch nützt mir das gar nichts, wenn ein Tier vor Schmerz schreit oder ein liebes Hundeli in den Hundehimmel gehen muss, so viele Tiere haben wir schon gehen lassen müssen. Der Schmerz, der ist auch, er kommt immer wieder.

Ja, wir ärgern uns, in diese Welt Kinder gesetzt zu haben, weil wir es (heute) besser wissen. Aber das Leben trickst einen aus. Man bekommt die Kinder, wenn man diese Relation noch nicht hat, und ja, für sich selbst, für das eigene Glück, nicht für sie - und peng sitzt man in dem Boot. Natürlich würden meine Kinder empört sein, wenn ich ihnen das sagte. Und doch hat man diese Gedanken, eben WEIL man seine Kinder liebt und ihnen Leid und Schmerz ersparen möchte. Ich weiß, dass da ein Päckchen wartet, das geschultert werden muss.

Schaut man sich um: Kennt man wirklich einen Menschen, der glücklich ist? Zufriedenheit ist ein Ziel, welches schon schwer erreichbar ist, aber das allseits besungene Glück? Manche tun so, ja, man will sich ja keine Blöße geben, doch daheim im stillen Kämmerlein sieht das anders aus. Schau genau in die Augen eines Menschen, da sieht man das "Glück". 

Im Grund stimme ich Dir also zu, doch kommt man da nicht raus. Das Leben gebiert Leben, ob man will oder nicht. Es ist ein Spiel und das macht nur Spaß, wenn man auf einem Auge blind ist. Und der Karren, in dem wir sitzen, heißt Hoffnung. Um es mal mit Nietzsche zu sagen:

"Zeus wollte nämlich, dass der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert." 

LG

Ich könnte es jetzt ganz kurz machen: die Fortpflanzung ist in der Schöpfung aller Lebewesen vorgesehen, ohne zu berücksichtigen, ob die Möglichkeiten für ein komfortables Leben gegeben sind.

Jedoch hat Dein Argument auch eine Daseinsberechtigung. Ich neige sehr dazu, Dir zu zu stimmen. Wenn ich die naturgewollte Fortpflanzung außer Acht lasse, bin ich auch der Meinung, dass es primär der Wunsch des Menschen ist, sich selbst, durch ein Kind, ein Denkmal zu setzten.

Ja und nun?

Angenommen alle Menschen hören auf Kinder zu bekommen "weils doch schlimm wäre falls dieser Nachwuchs eines Tages feststellt "Ich wünschte ich wäre nie geboren worden".

Was dann? 60 Jahre später kann dieser Planet sich von dem Parasiten Mensch langsam erholen.

Egal ob Säugetier, Insekt, Fisch.... die Fortpflanzung ist in allen Lebewesen einprogrammiert. Man lebt, pflanzt sich fort, zieht den Nachwuchs auf (so es innerhalb der Spezies so vorgesehen/ einprogrammiert ist), stirbt irgendwann. Die neue Generation lebt, pflanzt sich fort,... etc pp.... Das gehört zum Leben dazu.

Wir Menschen haben es da absolut "einfach". Wer nicht will und frei darüber entscheiden kann, der kann kinderlos bleiben. Wer will aber nicht kann, muss (je nach finanziellem background und je nach global gesehen Wohnort) andere Alternativen nutzen.

Ich finde die These "Man belastet einen Menschen indem man ihn einfach so auf diese Welt bringt" (grob umrissen) zu einseitig, zu starr.

Natürlich kann man nicht in die Zukunft schauen. Natürlich ist jeder Lebensweg durch unzählige Entscheidungen veränderbar. Natürlich gehts nicht jedem Menschen von Geburt an blendend (finanziell, sozial, gesundheitlich).

Aber da dann pauschal zu sagen "Es ist Mist, es ist ein reiner Eigennutz"?

Was ist mit den Heranwachsenden die nicht in pubertäre Sinnkriesen verfallen? Was ist mit den Heranwachsenden die gerne leben und denen das Leben Spaß macht? Was ist mit denen, die lernen das Beste aus ihrer persönlichen Situation zu machen?

Würden sie sich nicht vielleicht beleidigt fühlen wenn ihnen jemand sagt "Oooh du tust mir aber leid. Niemand hat dich gefragt ob du das hier überhaupt willst. Niemand hat dich gefragt ob du überhaupt auf die Welt gebracht werden willst".

Du schreibst "... können wir die zukünftigen Menschen nicht nach ihrer Lebenslust befragen". Ja, das stimmt. Aber was würde das denn auch nützen?

Lebenslust - also die Lust am Leben... das entsteht erst wenn man lebt, wenn man geboren wurde und aufwächst. Wie soll man denn im Vorfeld wissen "Ja, ich mag das - Nein ich mag das nicht"?

Das wäre ja so als würdest du jemanden (der noch nie zuvor etwas über Pizza gehört hat, der noch nie zuvor Pizza gerochen oder gegessen hat) fragen "Hey, magst du Pizza essen? Schmeckt dir das?"

Ja, das Leid in der heutigen Zeit ... schade, dass die Welt nicht mehr so ist, wie früher, vor ein paar Jahrhunderten. Damals, als die Leute viele Kinder in die Welt setzten, weil die Hälfte von ihnen das Erwachsenenalter gar nicht erreicht hat, sondern schon vorher zum Beispiel an Diphterie qualvoll erstickt ist. Und wo eine Wunde schon zur tödlichen Blutvergiftung oder doch wenigstens zu einer vergnüglichen Amputation ohne Narkose bei vollem Bewusstsein führen konnte. Alle paar Jahrzehnte hat freundlicherweise mal die Pest auf einen Sprung vorbeigeschaut. Und Übergewicht war damals kein Problem, spätestens bei der nächsten Hungersnot hatte jeder Überlebende maximal noch sein Idealgewicht.

Und du meinst, unsere Zeit wäre schlecht, um Kinder in die Welt zu setzen?


Max728291917 
Fragesteller
 07.09.2018, 18:22

Hast du falsch verstanden. Mit "heutiger Welt" wollte ich einfach nur klar stellen, dass ich von der aktuellen Welt spreche. Ich bin keinesfalls der Meinung, dass sich die Welt von Tag zu Tag verschlechtert.

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Man hat sicher seine Gründe, um Kinder in die Welt zu setzen. Ein neues Leben schaffen, eine Familie gründen, seine Werte und Erfahrungen weiter geben, einem Menschen Liebe schenken können uvm. Um dich bewusst für ein Kind zu entscheiden, steht immer eine gewisse Motivation dahinter, anders geht es nicht. Und natürlich bezieht sich diese Motivation auf einen selbst, denn das macht Motivation nun mal aus.

Deswegen ist es noch nicht eigennützig. Eigennützige Gründe wären eher so etwas wie: man will mit dem Kind seine eigenen Träume erfüllen, oder das Kind soll die Beziehung kitten. Das Kind wird Mittel zum Zweck und hat so auch oft keine einfache Kindheit.

Ich denke, dein Argument - man belastet das Kind mit dem Leid der Welt - ist einseitig gedacht und schlichtweg falsch. Das glaube ich, weil:

- niemand ein Kind in die Welt setzt, um es bewusst allem Negativem auszusetzen

- die Welt nicht nur Schlechtes, sondern auch Gutes zu bieten hat

- das Leben nun mal nicht nur aus Friede, Freude, Eierkuchen besteht, sondern immer Gutes und Schlechtes mit sich bringt. Das macht den Wert des Lebens aus. Wie könnte ich zum Beispiel die Ehrlichkeit eines Menschen schätzen, wenn ich nie angelogen wurde?

- es geht nicht darum, dem Kind ein hürdefreies, entbehrungsloses und einfaches Leben zu bieten, sondern es auf das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen möglichst gut vorzubereiten.

- wäre die Welt völlig perfekt- ohne Leid, Katastrophen, Schmerz usw. (Also völlig unrealistisch, aber mal angenommen)-, wäre es dann also laut deiner Aussage nicht mehr eigennützig, Kinder zu bekommen?

Nein, wir können Embryos nicht fragen, ob sie geboren werden wollen oder nicht. Aber das müssen wir auch nicht. Jedes Lebewesen hat einen angeborenen Überlebenswillen, sowie Neugier auf alles, was das Leben zu bieten hat. Babys lernen alle ihre Fähigkeiten aufgrund von Neugier, einer sehr positiven und lebensbejahenden Eigenschaft. Lebenslust kann man erst im Laufe des Lebens verlieren, aufgrund gewisser negativer Erfahrungen. Aber ich würde behaupten, jedes Baby möchte zuerst einmal leben.

Das sind zumindest meine Gedanken zum Thema.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin Mama