Wie findet ihr die wachsende Sehnsucht nach einer Rückkehr zum Konservatismus eines großen Teils der Bevölkerung?

Das Ergebnis basiert auf 56 Abstimmungen

nicht so nice wa 52%
nice, es wird Zeit 45%
geht so wa 4%

15 Antworten

Von Experte OlliBjoern bestätigt
nicht so nice wa

Colin Crouch hat das Phänomen wunderbar mit dem Begriff "nostalgischer Pessimismus" beschrieben. Diese Menschen hängen einerseits einem Zukunftspessimismus an, weil sie Prinzipiell der Meinung sind jegliche Veränderungen sind schlecht, andererseits einer romantisierten nostalgischen Sicht auf die Vergangenheit. Die Vergangenheit wird positiv konnotiert. Ganz banales Beispiel: "Früher war das noch okay, wenn man mal einer hübschen Frau hinterhergepfiffen hat, heute muss man ja schon aufpassen dass man nicht direkt ins Gefängnis wandert". Natürlich, aus der Sicht eines überprivilegierten Menschen - in der Regel weiß, ab mittlerem Alter, männlich - fühlt man sich durch Minderheitenschutz und Antidiskriminierungsmaßnahmen unterdrückt, denn diese Maßnahmen richten sich ja genau dagegen, dass überprivilegierte Menschen sich verhalten können wie sie wollen. Würde man dabei aber auch nur einmal einen Gedanken an die Frauen verlieren und sich überlegen, wie es ist, regelmäßig auf der Straße von wildfremden Menschen angepfiffen zu werden, somit auf Äußerliches reduziert zu werden und irgendwo auch sexualisiert zu werden, ganz unfreiwillig und ohne das unterbinden zu können, würde man schnell darauf kommen, dass die Vergangenheit für diejenigen, die Opfer von Diskriminierung und Unterdrückung waren nicht so toll war. Und da geht ja noch viel mehr einher mit: daheim muss die Frau ja schon nach der Pfeife der Männer tanzen, dürfte lange Zeit nicht freiwillig entscheiden ob und wenn ja wo sie arbeiten geht ohne Zustimmung des Mannes, musste per Gesetz dem Mann dienen, auch in sexueller Hinsicht, und erfährt zusätzlich auch wenn sie alleine Unterwegs ist durch solche Aktionen immer wieder, dass sie kein gleichwertiger Mensch ist, sondern Männern untergeordnet.

Solche Gedanken fehlen leider bei den nostalgischen Pessimisten. Gleiches gilt natürlich für andere Minderheiten, sei es durch Hautfarbe, Religion, Herkunft, etc... Menschen, die zu den privilergierten gehören, wünschen sich also eine Welt zurück, in der ihre Privilegien noch stärker ausgeprägt waren. Das mag ein Stück weit nachvollziehbar sein. Das ist natürlich aber blinder Egoismus, das muss man schon auch so offen sagen. Man fordert einen Trend hin zu mehr Diskriminierung und Unterdrückung, wenn man sich "die guten alten Zeiten" zurückwünscht, denn die waren eben nur für bestimmte Menschen gut.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Teilgebiet meines Studiums

Miniaturwelt  19.07.2023, 13:49

Das, was du hier zusammenschwurbelst, trifft nicht die Realität.

Die arbeitest dich an einem Strohmann ab, der kaum jemanden ernsthaft betrifft.

Das funktioniert nur, wenn man die Probleme ignoriert, welche konservativere Strukturen nicht haben entstehen lassen.

Das dein politisches Klientel die Sorgen der Menschen nicht ernstnehmt, weil ihr ebenso privilegiert seid, sorgt für den eigentlichen Wunsch vieler Menschen, man möge die Zeit zurückdrehen.

Was bleibt abschließend zu sagen? -Check du mal deine Privilegien.

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Miniaturwelt  19.07.2023, 15:22
@verreisterNutzer

Immerhin hast du Sinn für Humor. Sehr sympathisch.

Aber um mal deine Frage zu beantworten:

Ich führe gerne Diskussion. Gerne auch etwas konfrontativ. Das erweckt häufig die müden Geister, ebenso die schlaffen und schlafenden Sinne.

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OlliBjoern  19.07.2023, 22:33
@Miniaturwelt

"Das funktioniert nur, wenn man die Probleme ignoriert, welche konservativere Strukturen nicht haben entstehen lassen."

Ja, die AfD ignoriert den Klimawandel, den eine klima-konservativere (und natur-konservativere) Partei wie die Grünen schon vor vielen Jahren thematisiert hatte (und die Gegenmaßnahmen auch heute nur schwer gegen eine FDP durchsetzen kann).

conservare bedeutet "bewahren" - und die Natur zu bewahren und das Klima zu bewahren ist vielen Menschen wichtiger, als ein paar Menschen mehr als bisher abzuschieben.

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Miniaturwelt  19.07.2023, 23:05
@OlliBjoern
Ja, die AfD ignoriert den Klimawandel, den eine klima-konservativere (und natur-konservativere) Partei wie die Grünen schon vor vielen Jahren thematisiert hatte (und die Gegenmaßnahmen auch heute nur schwer gegen eine FDP durchsetzen kann).

Das sind doch äußere Faktoren, die man nicht beeinflussen kann.

Davon abgesehen, besteht in Deutschland kein Bedarf an Gegenmaßnahmen. Die Gewässer, die Luft und die Wälder in Deutschland sind um Welten besser als noch in den 60ern. Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten ein tolles Ergebnis gebildet. Mit geistigen Bildern von verkohlter Luft in NRW kannst du keinen mehr schocken. Das gibt es praktisch alles nicht mehr, dank gestiegener Auflagen und gesellschaftlicher Diskussion, indem interne Faktoren ausgemacht und beseitigt wurden.

Das hat man zu trennen. Wenn man die gesellschaftlichen Missstände thematisiert, (Scheidungsraten, Geburtenraten, sinkendes Bildungsniveau, kläglicher Reallohn, Netzstabilität, Glücklichkeitsempfinden bei Jugendlichen etc.) hat das nichts mit irgendeinem Klimawandel zu tun. Das sind die Probleme, welche die Menschen im Alltag belasten. Der Klimawandel ist dahingehend völlig unerheblich.

Das du die Grünen als konservativ bezeichnest ist völlig absurd. Das passt zu keiner politikwissenschaftlichen Definitiv. Nur zu der, die dir gerade gelegen kam.

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Miniaturwelt  20.07.2023, 00:06
@OlliBjoern

Das sind ganz normale Entwicklungen. Wir sprechen doch nicht von Zeitskalen von 2-5 Jahren... Den Wäldern in Deutschland geht es heute um ein Vielfaches besser als den Wäldern in den 70igern.

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guitarbassman  21.07.2023, 23:39
@Miniaturwelt

Ich bin mir meiner Privilegien absolut bewusst und kann sie daher kritisch reflektieren - das ist der Unterschied zur politisch Rechten. Die bestreiten per se, diese Privilegien zu haben oder gehabt zu haben. Und genau hier liegt doch der Hund begraben. Wenn zu mir jemand sagt, dass wir in einem System von struktureller Ungerechtigkeit leben, in der der weiße Mann an der Spitze steht, habe ich als weißer Mann zwei Möglichkeiten:

  1. ich stimme zu und bin mir meiner Privilegien dabei bewusst.
  2. Ich stimme nicht zu und bestreite diese These.

Meiner Meinung nach wird man für Option 2 keine faktische Basis finden, die das decken kann. Die Strukturen sind ja offensichtlich nicht gerecht, was unzählige Studien belegen. Ob Bildungsungerechtigkeit, Geschlechterungerechtigkeit, Rassismus, ... Gesetzlich haben wir das glücklicherweise überwunden, doch gesellschaftlich ist das alles noch tief verankert.

Bleibt also nur Option 1 meiner Ansicht nach. Auch hier habe ich wieder zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Ich kann entweder aus diesem Bewusstsein heraus versuchen, den Emanzipationskampf mitzuführen und dafür zu sorgen, dass unsere Welt gerechter wird. Oder ich klammere mich an meinen Privilegien fest und möchte sie auf gar keinen Fall aufgeben - dann sollte ich eine konservative Partei wählen. Das ist letztlich dann eine Frage der Moral. Meiner Moral folgend kann ich aber kein gutes Gewissen haben, wenn ich nicht wenigstens versuche mich daran zu beteiligen, die - ohne guten Grund erhaltenen - Privilegien, die ich eben habe, abzubauen.

Was genau für Probleme nun ignoriert werden, welche konservative Strukturen nicht haben entstehen lassen, kann ich deiner Antwort leider nicht entnehmen...?

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Die AfD ist nicht konservativ, sondern reaktionär.

Konservativ sind in Deutschland die CDU/CSU, aber sicherlich nicht die AfD. Von Sehnsucht der Bevölkerung danach kann keine Rede sein. Da ist wohl eher dein Wunsch der Vater des Gedanken.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Insiderwissen

donkeyXP  19.07.2023, 14:53

Was genau ist Konservativ an der CDU?

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Das Driften nach rechts hat mit Konservativität nichts zu tun.

Ich bin konservativ, ich lege Wert auf unser Grundgesetz und die darin vertretenen Werte, auf unsere Demokratie, auf unsere gesellschaftliche Ordnung und Organisation. Und natürlich auf die internationale, besonders europäische Zusammenarbeit.

Die AFD ist ja gegen allles; sie billigt nicht jedem Grundrechte zu, sie diffamiert die freie Presse, sie wendet sich gegen unsere wirtschafts- und regierungsunabhängigen öffentlichen Medien, sie richtet sich gegen die Europäische Union und sie will auch das gesellschaftliche Miteinander schwächen. Sie will nicht bewahren und erhalten, sie will umstürzen.

Ebenso wie die AFD erkennt Trump Fakten nicht an, hat sich auch über Gesetze hinweggesetzt, die amerikanische Demokratie in ihren Grundsätzen gefährdet. Sowas hat es in den USA in zwei Jahrhunderten nicht gegeben. Das ist nicht konservativ, das ist ein Angriff auf den Staat.

Dass solche Bauernfänger erfolgreich sind, ist natürlich ein Problem.

Ich kann keine derartige Sehnsucht erkennen. Zum Beispiel hat die Mehrheit offenkundig kein Problem damit, dass die Deutschen ihren Nachwuchs pro Jahr mindestens 100.000 Mal durch Abtreibung töten und der Steuerzahler auch noch dafür aufkommt. Zu Konservatismus gehört mehr, als bloß gegen Massenmigration zu sein.

Woher ich das weiß:Hobby – Beobachte politische Entwicklungen seit meiner Jugend.

nicht so nice wa

Der Trend ist mit "Konservativismus" aber schlecht oder unzureichend beschrieben.
Dass man mit der aktuellen Regierung unzufrieden ist, betrifft ja auch einige Menschen, die deutlich links eingestellt sind - glaubt man den Prognosen, würde eine hypothetische (noch nicht gegründete) "Wagenknecht-Partei" aus dem Stand recht viele Prozente holen. Ob sich das bewahrheitet, sei mal dahingestellt, aber das zeigt schon, dass es auch links von der Mitte eine stark russlandfreundliche Klientel gibt, die zugleich auch die finanziellen "Wohltaten" einer stramm linken Politik (also das ziemliche Gegenteil von "konservativ") zu schätzen weiß.

"Sonstige Parteien" liegen in Summe bei 10% bei den Umfragen, das ist auch ein enorm hoher Wert. Auch das spiegelt eine Unzufriedenheit wider, die mit "konservativ" nur unzureichend beschrieben werden kann. Freie Wähler, Tierschutzpartei und andere sind da zu nennen.

Die AfD ist auch nicht konservativ im klassischen Sinne, sondern springt auf einen modernen Trend auf, der sich in ganz Europa zeigt (mehr oder minder). Modern ist heute "Probleme zu benennen, ohne Lösungen zu kennen". Dass Politik auch Lösungen bringen muss, auch Kompromisse finden muss, scheint vielen Wählern nicht mehr wichtig zu sein. Manchen zählt die Emotion mehr, die sich mit so einer Wahl erzielen lässt. Auch ist "Patriotismus" der falsche Begriff, dann viele sympathisieren eher mit der russischen als mit der deutschen Regierung, das ist so ziemlich das Gegenteil davon.

Die AfD ist nicht konservativ, sondern autoritär.
Der Kompromiss ist bei ihnen verhasst, und alles, was als fremd empfunden wird (auch der Döner, das "Gendern" sowieso...) und alles, was den Menschen etwas zumutet (auch wenn es zumutbar wäre). Nicht mal die Wahrheit (über den Klimawandel) kann man den höchst empfindlichen Wählern dieser Partei zumuten.