Möchte nur Emo sein?

4 Antworten

Von Experte DianaValesko bestätigt

Ich war als Jugendlicher und junger Erwachsener Mitglied einer Gothic-/Emo-/Manga-Clique, wir sind immer noch befreundet, leider ist der Kontakt nicht mehr ganz so intensiv weil wir nicht mehr in der selben Ecke wohnen, aber es sind sich alle treu geblieben und man ist immer noch befreundet. Ich trug zwar nie die typischen Outfits, mental sind wir aber immer noch auf der selben Ebene und die Subkultur ist bei uns, wenn wir uns treffen, auch noch immer existent, obwohl sich keiner mehr so anzieht (wir sind alle in den 30ern). Es hat mich damals auch indirekt schon geärgert, dass einer aus der Stufe oft behauptete, er sei ein Emo, dabei war er einfach nur Mainstream und hatte mit uns, die das Ganze schon i.wie aus tiefer Überzeugung lebten, nichts gemeinsam. Er hätte auf die Frage, was einen Emo oder Gothic oder Manga ausmacht wahrscheinlich keine Antwort geben können.

Irgendwie hab ich das Gefühl, dass es "Falsch" ist

Das hatte ich nie, aber ich kann verstehen, dass man das Gefühl hat, weil man als Emo oder Gothic oder Manga schon aneckt & manche einen komisch finden oder komisch gucken oder sonst was oder Klischees aufwärmen und einen unseriös finden oder was auch immer.. auch in der Familie kann es Gegenwind gben, wenn man sich dunkler anzieht & schminkt, schwermütigere Musik hört und nicht immer lacht. Falsch ist das nicht, man muss es halt durchziehen & selbstbewusst genug sein, das ist für Jugendliche und junge Erwachsene nicht immer einfach.

Hat das irgendwelche "Auswirkungen auf euer Leben"?

Ja, menschlich war ich damals sehr entspannt und zutiefst ausgeruht.

Die Emo-Kultur bedeutet sowieso viel mehr als nur "was gemeinsam machen" und geht viel tiefer als oft gedacht, bei uns gehörte vor allem Toleranz dazu und sehr tiefe Gespräche über Gesellschaft, Religion, Gefühle, einfach alles ... und die Atmosphäre war, auch weil wir oft unter uns waren, immer zutiefst freigeistig und offen.. wir stammten alle durchweg aus Problemfamilien; meine Situation (ich wuchs bei meinem Opa auf) war noch die Harmloseste. Wir haben mit ganz geringen Mitteln viele tolle Sachen gemacht, von Partys über Grillabend bis Fahrradtour oder so, es war immer schön. Einer für alle, alle für einen :-)

Damals waren längere Haare, dunkle Frisuren, bei den Mädchen dunkle Schminke, eher dunkle Kleidung oder auffällige Manga-Outfits und teilweise auch Schmuck "optische Erkennungszeichen". Ich rannte eher mit schlabbriger Cargohose und meist "Kurzarm über Langarm" rum so wie heute, das war optisch eher so mainstreamig bis leicht "grungemäßig", aber auch das wurde optisch von denjenigen, die Jeans trugen, immer in die Emo-Ecke gestellt. Ich konnte damit leben, aber einen anderen hätte es vllt. gestört :-/

Das war für mich eine sehr prägende und schöne Zeit. Auch musikalisch natürlich - aber vor allem durch diese ganz besonders tiefe Form von Wärme, Geborgenheit, ehrlicher Freundschaft und Zusammenhalt. Ich freue mich immer, wenn ich heute Emos, Gothics oder Mangas sehe und denke mir... soooo schön, dass es das noch gibt; wir waren damals ganz genauso wie ihr jetzt seid ;-)

Man konnte und kann immer über alles reden und wusste, die anderen interessieren sich dafür und fühlen mit. Man hat sich permanent in allem gegenseitig getragen und gestützt, egal was war, ob es in der Schule Kummer gab oder in der Ausbildung was vorfiel oder ob man daheim Ärger hatte oder einen Todesfall oder ob jemand krank war und Hilfe brauchte - ich bin auch mal mit einem aufs Arbeitsamt als Begleiter, weil er als Jugendlicher nach einem dummen Erlebnis große Angst vor weiteren Gesprächen mit dem Berufsberater hatte; ich habe mir dann in der Ausbildung einen Tag freigenommen, um den Freund zu begleiten und dann mit ihm in ein Café zu gehen - zumal er das Gleiche sofort für mich gemacht hätte. Das war so typisch für diese Clique, das hätte jeder für den anderen gemacht. Und man war total vorurteilsfrei gegenüber anderen, auch wenn sie anders dachten und handelten wie wir oder uns belächelt haben. Der Zusammenhalt war enorm und ist es immer noch, ich bin aber inzwischen umgezogen und wir sehen uns leider nicht mehr so oft.

Wenn ich heute Jugendliche bzw. junge Erwachsene sehe, die optisch in die Emo-/Gothic-Ecke gehören (gibt's durchaus immer noch), dann denke ich mir immer leicht gerührt ... ach schön, dass es das noch gibt & ich freue mich innerlich irgendwie total, weil ich dann an diese tolle Zeit damals zurückdenke und an den unerschütterlichen, ehrlichen Zusammenhalt und diese Wärme, die man spürte und ich freue mich auch für diejenigen, weil ich mir vorstelle, dass sie sich so getragen fühlen von der Gruppe wie ich bzw. wie wir damals.


LuLu10284 
Fragesteller
 15.05.2024, 18:15

Boah :o

Danke für diese ausführliche Antwort!

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 Das ist viel mehr als nur ein „Style“, und wie immer der Mode bestimmter Subkulturen auch ein Erkennungszeichen. Wenn du dich so kleidest, sendest du also automatisch Signale zur Szene zu gehören. Das kann dementsprechend negativ aufgenommen werden, wenn du am Ende nur die Mode magst. Dazu gehört viel mehr, allem voran die Musik (sei es Emotional Hardcore oder die Musik der 2000er Emo-Szene: Emotionaler Alternative Rock und emotionaler Pop-Punk, Screamo oder Post-Hardcore) aber auch die Haltung: betont Emotional, etwas philosophisch, dem düsteren und makabren nicht abgeneigt und besonders intensive zwischenmenschliche Beziehungen.           

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin seit Jahren eine Drag -Diva

Das war eine Modeerscheinung in den 00er Jahren, um 2006 herum. Kann sein, dass der Style jetzt wieder einen Trend erfährt, aber die Zeit der Ernsthaftigkeit dafür ist lange vorbei.


rotesand  14.05.2024, 22:46

Das war bei uns auch so die Zeit (Jahrgänge 1990 bis 1994 waren wir in der Clique).

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Ich selbst bin Emo bzw Alternative und es ist nicht falsch. Abgesehen davon, dass man hin und wieder ein paar Sprüche bekommt, zum Beispiel in der Schule, ist alles in Ordnung