Haben wir's "endgültig" verkackt - Ist der Klimaschutz out?
Guten Tag liebe GF-Community.
Kriege, Anschläge - politischer Streit: Viele fühlen sich von der Nachrichtenlage überfordert - der Klimawandel scheint in den Hintergrund zu rutschen. Doch wieso tun sich die Menschen ausgerechnet mit diesem Thema so schwer?
Keine Rolle rückwärts, das ist der klare Wunsch von Carla Reemtsma, eine der prägenden Aktivistinnen von "Fridays for Future". Doch es scheint nicht voranzugehen - und auch in der Bevölkerung ist Klimaschutz nicht mehr das dringendste Thema. Könnte es ein Mobilisierungsproblem geben?
Dabei hat gerade die vergangene Woche gezeigt, wie groß der Handlungsdruck ist: Durch Hochwasser und Überschwemmungen kamen in Deutschlands Nachbarländern viele Menschen ums Leben. "Es ist ganz klar der Klimawandel, der die Wahrscheinlichkeit und die Stärke der Extremwetterereignisse erhöht. Da kann man von vornherein sagen: Die hätte es ohne den Klimawandel so nicht gegeben", erklärt Klimawissenschaftler Niklas Höhne vom NewClimate Institute. "Also der Zusammenhang zwischen dem Menschen gemachten Klimawandel und den Extremwetterereignissen ist sehr deutlich."
Klimaschutz ist in den Hintergrund gerutscht
Daher passt der Klimastreik aus Sicht der Bewegung "Fridays for Future" gerade diese Woche sehr gut. Deutlich wollen sie ein Zeichen in mehreren deutschen Städten und auf der ganzen Welt setzen. Doch ein Blick auf die Zahlen beweist: Bei einer der ersten Demonstrationen im Jahr 2019 waren in ganz Deutschland laut Organisation 1,4 Millionen Menschen auf der Straße. 2023 waren es nur noch 250.000 Menschen. Eine Statistik aus dem vergangenen Jahr zeigt: Drei Viertel der Befragten waren noch nie auf einer Klimademo und haben es auch nicht vor.
Das Thema Klimaschutz ist in den Hintergrund gerutscht. Waren laut ARD-DeutschlandTrend Klima- und Umweltschutz bei der Europawahl 2019 noch Wahlthema Nummer eins, hat es nun für die Wählerinnen und Wähler deutlich an Gewicht eingebüßt. Nach 23 Prozent wiesen dem Thema diesmal nur noch 14 Prozent Bedeutung für die eigene Wahlentscheidung zu.
Auch bei den Landtagswahlen waren die dominierenden Themen nicht Klima- und Umweltschutz. Ein genauer Blick auf das aktuelle Beispiel in Brandenburg zeigt: Bei der Landtagswahl in Brandenburg 2019 haben noch 27 Prozent der 16- bis 24-Jährigen in Brandenburg die Grünen gewählt. Bei einer repräsentativen Vorabumfrage in Brandenburgs Schulen und Jugendeinrichtungen kommen die Grünen gerade mal über fünf Prozent. Die AfD ist hierbei mit 29,7 Prozent auf Platz eins - ein Indiz dafür, dass Klimaschutz als Kernthema der Grünen bei Wahlentscheidungen nicht im Vordergrund steht.
Viele fühlen sich überfordert
Es seien auch die vielen, gleichzeitig stattfindenden globalen Kriege und Krisen, die eine Art Überforderungsgefühl bei vielen hinterlassen, erklärt Psychologin Lea Dohm im ARD-Newspodcast 0630. Sie hat ein Buch über den Umgang mit der Klimakrise geschrieben und betont, dass ein prinzipielles Grundinteresse am Klimaschutz noch da sei. Aber: "Viele Menschen sind durch alle Krisen überlastet und wissen gar nicht mehr, wo sie ihre Aufmerksamkeit hinwenden sollen. Und dann tritt etwas ein wie Nachrichtenvermeidung oder ein Rückzug ins Private." Und eben eine Zuwendung zu anderen Themen.
Dabei erkennen viele Deutsche in Umfragen immer wieder an, dass der Klimawandel ohne große Einschränkungen in unserem Lebensstil nicht gestoppt werden kann. Es wirkt paradox. Auf der einen Seite denken einige: Ja, wir müssen etwas ändern, aber sie fühlen sich einfach nicht in der Lage, weitere Einschränkungen einzugehen oder in ihr Leben zu integrieren.
Verdrängung an sich ist erst einmal gesund
Psychologisch gesehen können Menschen auf verschiedene Weise mit Überforderung umgehen: Sie können dagegen ankämpfen, fliehen oder das Thema verdrängen. Ein Großteil wählt offenbar den Weg der Verdrängung. Der Klimawandel werde häufig nur noch als sehr abstrakt wahrgenommen, erklären Klimaforschende.
Solch ein Verhalten sei an sich auch erst einmal gesund, sagt Psychologin Dohm: "Wir schützen uns mit diesem Verhalten vor einer zu großen Belastung. Doch wenn wir die Krisen ausblenden, die einen riesigen Handlungsdruck fordern, dann kann es sein, dass die Krisen am Ende eher größer werden als kleiner."
Gemeinschaft in den Vordergrund stellen
Psychologisch wäre es für die Bewegung sowie die Aktivistinnen und Aktivisten nach Ansicht der Expertin besser, wenn sie die Motivation klarer in den Vordergrund stellen würden - und anerkennen, dass als Gruppe schon einiges bewirkt werden konnte. "Da gilt es auch, psychologisch darzustellen, dass es eben nicht nur Verzicht ist, der mit Klimaschutz zusammenhängt", erklärt Dohm, sondern dass auch eine stärkere Gemeinschaft und bessere Gesundheit gewonnen werden könne.
| Artikel:
Ist Klimaschutz out? | tagesschau.de
| Frage:
Haben wir's endgültig verkackt - Ist der Klimaschutz nun out?Mit freundlichen Grüßen
Robin | TechBrain.
19 Stimmen
13 Antworten
Bleiben wir beim Beispiel Brandenburg, weil da morgen Wahlen sind. Die Menschen haben aktuell ganz andere Probleme. Wie komme ich die nächsten Monate über die Runden? Der Durchschnittsbürger in Brandenburg ist Rentner oder kurz davor. Er hat vielleicht ein Häuslein, was er mühevoll über Jahrzehnte abgezahlt hat, was mit Gas oder Öl beheizt wird. Und er hat sich vielleicht mühsam 20000 Euro für sein Rentenalter gespart, um eben seinen Ruhestand genießen zu können. Nun kommen Heizungsgesetz, E-Auto, Solaranlage, wovon soll er das bezahlen? Und eine nicht ausgebaute Infrastruktur bei Ladestationen? Und er ist krank und wartet 9 Monate auf einen Arzttermin? Inflation, CO2-Steuer und die für 2025 von der Bundesnetzagentur angesagte Gaspreiserhöhung bis zu 40% machen die Menschen so fertig und verzweifelt, dass viele eben nach einfachen Lösungen suchen, wie billiges Gas und Öl aus Russland, keine Erhöhung der Preise für Öl, Gas oder anderes, keine CO2-Steuer, sie wollen einfach nur weiter leben wie bisher. Und für die, die noch arbeiten, sind Gehälter und Löhne nun mal wesentlich niedriger als in den alten Bundesländern, ob berechtigt oder unberechtigt. Aber damit müssen sie leben. Brandenburg ist so arm, dass außer paar Polen auch kaum Ausländer hierher kommen, um zu arbeiten, so dass die Versorgungslage bei der überalterten Bevölkerung immer kritischer wird.
Das kann nicht "draußen" sein. Wie auch.
Ich lese hier aber immer nur ein "wir", damit dürfte Deutschland gemeint sein. Ist es nicht tatsächlich so, dass alle unsere Bemühungen absichtlich durch Drittländer nicht nur hintergangen sondern auch sabotiert werden? Während wir die Umstellung langsam aber sicher stemmen werden, -zugegebenermaßen mit Verzögerung aber auch mit massiven Kosten und Problemen bis zu drohender Massenarbeitslosigkeit-, nutzen andere die Lücken aus, um mit Dumpingpreisen Weltmarktanteile und Rohstoffe an sich zu reißen. Was nutzt dir ein Atomausstieg, ein Kohleausstieg, wenn statt dessen weltweit hunderte neue Kraftwerke dieser Art gebaut werden? Was nutzt dir eine deutsche saubere Industrie und Technik, wenn der Dreck weiterhin von draußen kommt, und zwar noch deutlich schlimmer denn die Produktion erfolgt unter wesentlich übleren Bedingungen.
Die Umwelt endet nicht an unseren Grenzen und nicht an den Grenzen der EU.
Und ganz konkret zum Thema "Aktivisten". Entweder ist man einer oder nicht, und fliegt nicht mit dem Flugzeug nach Bali in den Urlaub. Das kann man durchaus auch noch ausdehnen.
Wir haben die Chance, den Klimawandel zu bremsen schon vor mehr als 20 Jahren verpasst. Selbst in wohlhabenden Ländern wie Deutschland oder der Schweiz, wo die Leute auch noch gut informiert sind und die Politik mitbestimmen könnten, war immer nur eine winzige Minderheit bereit, Einschränkungen in Kauf zu nehmen, um etwas gegen den Klimawandel zu tun. Einige zusätzliche Leute haben gesagt, man oder 'die da oben' müssen etwas tun. Aber es war auch immer klar, dass 'die da oben' eine Lösung präsentieren mussten, die niemanden berührte.
Dazu kam, dass die Grünen, also die Partei, die nominell eigentlich für den Umweltschutz zuständig wären, sich so auf die Kernkraft eingeschossen hatten, dass sie nun paradoxerweise die Kernkraftwerke schlossen und dafür die Kohle und das Gel förderten. Statt Einschränkungen durchzusetzen, wurden unter dem Namen der Klimapolitik grosszügig Subventionen für verschiedenste Dinge verteilt.
Gleichzeitig war die Politik unfähig, die richtigen Weichen zu stellen. Während der Staat Solarpanels und Windkraftwerke subventioniert, verbietet der Heimatschutz die Solarpanels und Naturschutzvereine laufen gegen Wind- und Wasserkraftwerke Sturm.
Ich denke, wir haben die Zeit verpasst, etwas wirkungsvolles zu tun. Dennoch ist das Thema nicht vom Tisch. Die Erwärmung kommt ja erst. Bei jedem grossen Sturm, bei jeder Überschwemmung und bei jeder Hitzewelle werden wieder Rufe kommen. Mal mehr und mal weniger. Aber tun werden wir deswegen noch lange nichts.
Dir ist wohl entgangen, das man EU weit neue Grenzwerte für Fahrzeuge einführen will. Deswegen stöhnen ja die Autobauer.
Ökologisch und klimaneutral können nur die Länder sein, welche es sich leisten können. Deswegen ist es ein Drahtseilakt zwischen Wirtschaft und Klimaschutz. Wenn man es anfangs übertreibt, geht die Wirtschaft zu Grunde. Dann rückt der Klimaschutz außer acht, um die Wirtschaft zu schonen oder die Aufträge gehen in Länder die darauf 💩.
Klimaschutz geht nicht über Nacht. Es ist ein Prozess der sich entwickelt. Genau wie die benötigte Technik die sich dazu entwickeln muß.
Die Frage ist, wer ist "wir"? Jeder kann sowieso nur tun, was in seiner Macht steht - nicht seiner politischen, sondern seiner intellektuellen. Über Wut oder Angst bin ich hinaus. Der Klimawandel wurde schon in den 1970ern vorhergesagt, ich habe mich im Studium zwar auf Windenergie spezialisiert*, aber damit war ich weitgehend allein, den Rest der Menschheit hat das Thema nie interessiert. Nun beginnt das Chaos, und nichts was wir noch tun können wird es aufhalten. Ich bin einer der Musiker auf dem Achterdeck der Titanic - wir spielen keine Zugaben.
*) das war übrigens 1982 zur Diplomarbeit. Eine Windradindustrie gab es noch nicht, und mit Kenntnissen in Strömungsmechanik konnte man nur in der Flugzeugindustrie landen, dh damals automatisch Rüstungsindustrie. Ich habe mein Geld dann bis zur Rente mit Programmieren und Beraten verdient. Und ich habe meine Thermodynamik-Kenntnisse benutzt, um mit Primärenergie zu heizen und zu kochen, statt mit dem wirkungsgradreduzierten Strom aus Wärmekraftwerken. Aber niemand kommt von A nach B ohne O2 ein- und CO2 auszuatmen. Ich spreche nicht von Schuld, nur von Zeit - und die Zeit ist um.