Wehrpflichtreform?

5 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet
  1. Reservisten können nicht nur im Verteidigungsfall eingezogen werden, sondern generell. In Zeiten des Friedens ist diesee Schritt lediglich unpraktisch und nicht notwendig.
  2. Bezeichnung wie Verteidigungsfall sind absichtlich schwammig gehalten. Wegen der Beistandspflicht innerhalb der NATO dürfte dieser Fall aber durchaus auch schon eintreten, wenn "nur" ein NATO-Land angegriffen wird.
  3. Bereits ein scheinbar bevorstehender Angriff auf Deutschland kann als Verteidigungsfall gewertet werden. Ein Angriff auf ein NATO-Mitglied suggeriert einen solchen bevorstehenden Angriff. Aber auch in Friedenszeiten könnte theoretisch der Verteidigungsfall beschlossen werden - dann allerdings nur auf demokratische Wege.
  4. Gesetze kann man ändern und abschaffen, Wahlen und Demokratie können außer Kraft gesetzt werden (vgl. Ukraine). Sobald es Krieg gibt - und da ist es ganz egal, ob es "nur" ein NATO-Mitglied ist - können Abkürzungen in der politischen Entscheidungsfindung benutzt werden.
  5. Im Verteidigungsfall können alle wehrpflichtigen Männer eingezogen werden. Wenn du bereits Reservist bist, könntest du hier Vorteile haben, weil du in Ruhe und sorgfältig ausgebildet wurdest. Gut ausgebildete Soldaten sind wertvoll. Diejenigen, die erst dann ausgebildet werden, wenn Not am Mann ist, bekommen eine Ausbildung im Schnelldurchlauf und enden als Kanonenfutter (vgl. Russland).

intended072 
Beitragsersteller
 16.08.2024, 23:49

Zu 5.: Ist das nicht irrelevant, weil du als „gut/besser“ ausgebildeter Soldat auch gegen gleich „gute“ Soldaten der „Gegner“ kämpfst? Denn dann bist du im Verhältnis ja nicht überlegen oder von Vorteil - im Gegenteil, du musst schwierigere Dinge ausführen?

JanyoOoO  17.08.2024, 00:38
@intended072
Zu 5.: Ist das nicht irrelevant, weil du als „gut/besser“ ausgebildeter Soldat auch gegen gleich „gute“ Soldaten der „Gegner“ kämpfst? Denn dann bist du im Verhältnis ja nicht überlegen oder von Vorteil - im Gegenteil, du musst schwierigere Dinge ausführen?

Ich bin nicht gerade General oder Verteidigungsminister und kann deshalb nur darüber mutmaßen.

Wenn du mit besseren Soldaten gar Elite-Einheiten meinst, dann definitiv ja. Diese Einheiten erledigen schließlich die schwierigsten Aufgaben - auch wenn das nicht unbedingt eine höhere Sterblichkeit mit sich bringen muss.

Ich habe mich mit meiner Antwort aber eher auf ganz normale Soldaten bezogen, bei denen einfach genügend Zeit für die Ausbildung war. Und hier glaube ich nicht, dass diese Soldaten gegen bessere Gegner kämpfen müssen.

In einem militärischen Blick sind Soldaten nicht vorrangig Menschen, sondern Ressourcen. Es geht nie darum, die eigenen Soldaten möglichst alle lebendig nach Hause zu holen. Stattdessen werden ganz bewusst Soldaten für den Zweck geopfert oder um es in einem militärisch passenden Sinne auszudrücken: Es werden bewusst Ressourcen für Ziele verbraucht.

Und hier ist es für mich ganz eindeutig: Wenn man für eine Aufgabe Soldaten braucht, die wirklich als Kanonfutter dienen sollen (beispielsweise um gegnerische Truppen an Stelle A zu binden und selbst an Stelle B dominieren zu können), dann Opfer ich meine schlechtesten Truppen. Und diese schlechtesten Truppen werden diejenigen sein, die erst im Verteidigungsfall ausgebildet werden.

Im Ernstfall streicht man die Ausbildung sogar ganz. Dann schickt man "Truppen" einfach nur zur Ablehnung und zum Sterben an die Front.

Sei dir bei deinen Entscheidungen rund im die Bundeswehr ganz deutlich darüber im Klaren, dass die Bundeswehr Soldaten nicht als normale Menschen, sondern als Material betrachtet. Der Bundeswehr ist es völlig egal, ob du einen Einsatz überlebst. Es geht immer nur darum, ein Ziel so günstig wie möglich zu erreichen (anderenfalls würde man ja überhaupt keine Fußsoldaten einsetzen sondern ausschließlich Langstreckenraketen verwenden).

um bei Interesse ein halbes Jahr lang eine Grundausbildung zu absolvieren

Die Grundausbildung dauert i.d.R. drei Monate und wie kommst du auf ein halbes Jahr Militärdienst?

Sollte es tatsächlich dazu kommen, dann wären diese sechs Monate zu kurz. Davon hätte die Bundeswehr nachhaltig keinen Nutzen.

Abgesehen davon ist das Ganze bislang nur ein Konzept, ob es so weit kommt, ist fraglich.

Handelt es sich bei einem „Verteidigungsfall“ um eine Situation, in der Deutschland angegriffen 

Korrekt, dass Wehrpflichtige in anderen Ländern im Rahmen der NATO an Kampfhandlungen teilnehmen würden, ist nicht zu erwarten.

Sicherlich gäbe es die Option, dass sich etwa Reservisten freiwillig dafür melden könnten, ansonsten bleiben die Wehrpflichtigen in Deutschland. Die Bundeswehr ist eine Berufsarmee, in denen zahlreiche Soldaten für derartige Einsätze ausgebildet werden und wurden.


intended072 
Beitragsersteller
 16.08.2024, 23:53

Danke für die Antwort! Woher weißt du, dass Kampfhandlungen in der NATO für Reservisten auf freiwilliger Basis durchgeführt werden?

ponter  17.08.2024, 07:21
@intended072

Für längergediente Reservisten käme das möglicherweise in Frage. Diese Hannes bspw auch in Afghanistan.

intended072 
Beitragsersteller
 17.08.2024, 15:03
@ponter

Längergedient meint, dass die Ausbildung länger ging?

LydiaSki2005  16.08.2024, 22:35

Wie findest du die Wehrpflicht in österreich mit 6 Monaten? Hat die einen Nutzen? oder auch nicht?

Die seit 2011 ausgesetzte Pflicht zur ableistung des grundwehrdienstes wird nicht wieder aktiviert werden, dazu gibt es keinerlei notwendigkeit.

Das ist nur so ein Politiker-Gerede wenn die Frage aufkommt wie es sein kann, dass die Bundeswehr so verkommen lassen wurde.

Um "letzteres" auszuschließen ist es der beste Weg, feindlich ausgerichteten Kräften, dieses Szenario "negativ" zu rechnen. Dieses "wenn wir friedlich sind und keine Waffen haben, sind alle um uns herum auch zu uns lieb" ist ein gefährliches und Naives denken. Hätte man 2015, nicht nur mit Worten, sondern auch mit aktivem Handeln reagieren müssen! Die Einstellung der Wehrpflicht und dieses kontinuierliche kaputt sparen der eigenen Verteidigungsfähigkeit mag zusätzlich Wachstum generieren. Es mag auch bequemer einen Haushaltsplan aufzustellen sein - dumm nur, daß es auf "Pump" ist - und jeder Kredit wird irgendwann fällig - und selten "billiger" wie zuvor. Stichwort "die Amis werden sich schon um unsere Sicherheit kümmern". Und seit Trump wurden die Schwächen dieser bequemen "auf Pump" aggiererei deutlich und seit dem Krieg im Herzen Europas nun auch die Angreifbarkeit und Verletzlichkeit.

Und da fängt das Kalkül der Abschreckung an: Wenn ich ein Land angreife, daß kontinuierlich Generation um Generation Grundlegend an der Waffe ausbilde und im Ernstfall reaktivieren kann, fängt das Rechnen an - wieviel kann ich gewinnen? Wieviel kann ich verlieren? Wie hoch ist das Risiko, mir eine "blutige Nase" zu holen? Darauf beruhte der Jahrzehntelange Frieden - übrigens auch der der Schweizer seit Jahrhunderten. Dort wird jeder an der Waffe ausgebildet - bis auf Gesundheitliche Einschränkunge etc., soweit ich weiß. Obwohl sich die Schweiz Strickt an die Neutralität hält. Dort darf man, nach dem Wehrdienst, m.w. auch die Waffe behalten. Bei einem Überfall auf die Schweiz muß man diese in der Hauptsache mit Munition versorgen - die Waffe haben Sie schon. Neben ein paar anderen Dingen, die die Schweiz als "Vorsorge" getroffen hat.

Aber zu deiner Frage: Ein Angriff auf einen Nato-Staat ruft, getreu dem Musketierspruch einer für alle und alle für einen, alle Staaten auf den Plan. Im ersten Step werden allerdings keine Reservisten oder Wehrpflichtige heran gezogen - bestenfalls freiwillige. Da wird abgestimmt, welches Land welchen Beitrag am effektivsten leisten kann. Man greift erstmal auf die gut ausgebildeten Berufssoldaten zurück. Ein Reservist, der wenige Monate an Waffen ausgebildet ist, kann vielleicht schnell eingelernt werden, aber an die Fertigkeit und Erfahrung eines langjährig auf dem Waffensystem ausgebildeten und erfahrenen Berufs-Soldaten kommt er nicht ran. Wenn es allerdings um das direkt angegriffene Land geht, hier geht es darum, den Vormarsch im ersten Step zum erliegen zu bringen, bis die komplette Nato-Maschinerie angelaufen ist. Hier werden mit Sicherheit auch Wehrpflichtige mit involviert werden - Reservisten erstmal nicht, wohl aber eventuell schonmal wieder reaktiviert und die Ausbildung wieder aufgefrischt werden - es hat niemand was davon, wenn jemand, der vor 20 Jahren das letzte mal auf ne Zielscheibe, die nicht zurück schießt, geschossen hat, plötzlich an der Front, unter Beschuß und mit 0 taktischer Vorbereitung auf das geschehen dahin gekarrt würde - der wäre vermutlich schneller tot, als er hingekarrt wurde...

Ich nehme an, dass die Bundeswehr als NATO- Verbündeter nach den Bündnisverträgen handeln muss, was aber immer vom Bundestag verabschiedet werden muss.